Protokoll der Sitzung vom 13.11.2015

Noch einmal: Der Herr Innenminister hat die politischen Maßnahmen gestern und auch heute Morgen erläutert. Dann müssen selbstverständlich Gespräche mit dem Personal geführt werden. Ich denke, Sie werden verstehen, dass der Innenminister das Parlament nicht quasi minütlich über Zwischenergebnisse von Personalgesprächen und Personalmaßnahmen informiert. Das ist der entscheidende Unterschied zu dem von Ihnen genannten Beispiel einer Spendenaktion.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Reinhold Hilbers [CDU] meldet sich)

Danke schön, Herr Limburg. - Herr Hilbers, Ihr Wunsch, wahrscheinlich in Richtung einer Frage, kam nach Beendigung der Rede. Bei Frau von Below-Neufeldt war es ein bisschen anders. Aber vielleicht ist ja noch an anderer Stelle Gelegenheit.

Der Herr Innenminister hat noch einmal ums Wort gebeten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit „Bis zum Platzen aufgeblasen“ ist ein Zeitungsartikel des Tagesspiegels aus dem Jahr 2011 überschrieben, der sich mit der inflationären Verwendung des Begriffs „Skandal“ beschäftigt. Herr Nacke, wenn Ihre Argumente nicht stärker sind als das, was Sie hier vorgetragen haben, und sie Sie dazu veranlassen, in fünf Minuten, ich glaube, fünfmal den Begriff „Skandal“ zu verwenden, dann sollten Sie vielleicht einmal überlegen, ob Ihre Empörung nicht eher theatralischer als politischer Natur ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens, zur Informationspolitik der Landesregierung. Im Oktober-Plenum hat es eine mündliche Anfrage gegeben, die sich mit der Abordnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Landesverwaltung beschäftigt hat und die wir mit einer Tabelle beantwortet haben.

(Christian Dürr [FDP]: Was passiert denn davon?)

Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Antwort noch einmal zu geben, in der Hoffnung, dass Sie sie vielleicht dann zur Kenntnis nehmen.

Uns vorzuwerfen, dass wir nicht informieren, ist schlicht haltlos. Deswegen teile ich Ihnen gern den aktuellen Stand bezüglich der Abordnungen, die gerade erfolgt sind und erfolgen, mit.

Alleine seit September gab es 90 Abordnungen aus den Häusern, weitere 90 sind in Vorbereitung, und weitere 150 erfolgen im Rahmen des 200er Kontingents. Dabei kommen ganze 50 aus der Polizei.

(Christian Dürr [FDP]: Warum sagt der Sprecher des MF, er weiß es nicht?)

Ich möchte von Ihnen wirklich einmal wissen, wie Sie eigentlich mit Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit umgehen, wenn Sie einerseits eine Krise beschwören, aber gleichzeitig mit den Instrumenten, die wir anwenden, um an diese Krise heranzugehen, nicht zufrieden sind.

So funktioniert es nicht, meine Damen und Herren. Sie müssen uns schon die Mittel lassen, die wir anwenden. Ich werde Sie jederzeit über alles informieren, was wir tun - gerade mir kann man da keinen Vorwurf machen -, aber doch bitte nicht gewissermaßen synchron! Sie müssen mir schon die Gelegenheit lassen, die Dinge in meinem Haus vorzubereiten, mit den entsprechenden Leuten zu sprechen.

Die Polizeipräsidenten haben am 11. nachmittags, als sie das erste Mal mit einer Anfrage zu dem Thema konfrontiert wurden, erklärt, 50 Leute für einen begrenzten Zeitraum seien gar kein Problem; sie hätten ein großes eigenes Interesse daran. 150 kommen zusätzlich aus den Häusern. Das heißt, wir reden über 150 plus 180, also, wenn ich richtig rechne, über 330 Abordnungen aus den Häusern. Sollte der Bedarf weiter hoch sein, werden wir aufstocken.

Lassen Sie mich aber, auch um die Verhältnismäßigkeit geradezurücken, noch etwas zu dem sagen, worüber wir hier gerade debattieren. Sie kriti

sieren mich - außer bei den 50 Polizisten - offenbar nicht dafür, dass wir Landespersonal abordnen.

(Christian Dürr [FDP]: Nein, im Ge- genteil!)

- Im Gegenteil. Vielen Dank, Herr Dürr. - Worüber reden wir dann eigentlich, angesichts der Problemlage, die wir ansonsten haben?

Ich weiß nicht, ob es schon zu Ihnen vorgedrungen ist. Gestern Abend hat es eine gewisse Unruhe im Camp Fallingbostel gegeben. 150 dort untergebrachte Flüchtlinge haben einen Sitzstreik durchgeführt und einen Hungerstreik angedroht.

(Zuruf von Christian Dürr [FDP])

- Wir schwächen die Polizei gar nicht, Herr Dürr. Sie ist ja vor Ort. Sie müssten sich mehr mit Einsatzlagebildern beschäftigen; dann wüssten sie das auch.

Diese 150 Menschen, die dort sitzen, haben einen Hungerstreik angedroht. Das haben sie aber nicht getan, weil sie mit der Situation im Camp Fallingbostel unzufrieden wären, weil sie keinen Hausausweis von uns bekommen hätten, weil sie nicht in EASY registriert würden oder weil sie sich sonst irgendwie schlecht behandelt fühlen würden, sondern das haben sie aus folgenden zwei Gründen getan: Weil sie dort zwei oder teilweise seit drei Monaten sitzen und immer noch nichts vom BAMF gehört haben und weil sie sauer, empört, enttäuscht und verängstigt darüber sind, dass sie jetzt hören, dass ihre Familien womöglich nicht mehr nachkommen können.

(Detlef Tanke [SPD]: Aha! - Johanne Modder [SPD]: Jetzt fängt es an! - Christian Dürr [FDP]: Dazu machen doch wir Vorschläge!)

Das sind die Probleme, die wir jeden Tag haben, und nicht die Frage, ob Sie einen Tag früher wissen müssten, wie viele Beamte innerhalb der Exekutive für andere Aufgaben eingesetzt werden. Verflixt und zugenäht: Lassen Sie uns unsere Arbeit machen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Es ist Ihre Bundesregierung! Was soll das denn? - Christian Grascha [FDP] - zur SPD --: Regiert ihr nicht auch in Berlin?)

Danke schön, Herr Minister. - War das vorhin ein Wunsch nach einer Wortmeldung, Herr Nacke? - Der Minister hat 3,5 Minuten gesprochen. Die kriegen sie jetzt ebenfalls. Bitte!

(Johanne Modder [SPD]: Jetzt aber die Entschuldigung! - Christian Dürr [FDP]: Es ist Ihre Bundesregierung, Herr Innenminister! Wir sind daran wirklich nicht beteiligt!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es hier schon gesagt, und ich wiederhole es sehr gerne, Herr Minister. Sie können sich an mir abarbeiten, soviel Sie wollen - wenn Ihnen das hilft und wenn es Ihnen was bringt!

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das gilt auch für die gesamte Fraktion.

(Anja Piel [GRÜNE]: Es geht doch gar nicht um Sie, Herr Nacke, ausnahms- weise mal nicht! - Johanne Modder [SPD]: Sie überschätzen sich völlig, Herr Nacke! Fragen Sie mal in die Öf- fentlichkeit, wie Ihr Auftreten an- kommt! Fragen Sie mal bei den Un- ternehmen! - Miriam Staudte [GRÜ- NE]: Jetzt hat er seine Motivation of- fengelegt!)

Wenn wir ein Thema, das so überragend ist wie die Bewältigung der Flüchtlingsfrage, ernsthaft bearbeiten wollen,

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Dann fangt doch schon mal an!)

dann geht das, Herr Minister - - -

(Johanne Modder [SPD]: Wir bearbei- ten das ernsthaft, Herr Nacke! - Rena- te Geuter [SPD]: Sie sollten die mal arbeiten lassen! - Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Nacke, einen Moment! - Frau Modder und etliche Damen und Herren der SPD-Fraktion: Ich darf um Ruhe und Aufmerksamkeit bitten.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Starke Un- ruhe bei Frau Modder!)

- Herr Hilbers, das gilt auch für Sie! - Wir warten einfach ab! Ich stoppe die Redezeit, Herr Nacke, keine Sorge!

(Johanne Modder [SPD] - zur CDU -: Machen Sie erstmal eine Fraktionssit- zung und sortieren Sie sich!)

- Jetzt geht es weiter!

Vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Minister, wenn wir eine Frage, die so bedeutend ist wie die Bewältigung der derzeitigen Flüchtlingsströme, wirklich ernsthaft angehen wollen, dann bedeutet das als Erstes, dass Sie als Minister die offene Wahrheit über die Situation im Lande sagen.

(Johanne Modder [SPD]: Die „offene Wahrheit“? - Marco Brunotte [SPD]: Was ist das denn?)

Es ist doch nicht die Wahrheit gewesen, als Sie gestern hier den Eindruck erweckt haben, Sie hätten alles im Griff. Das ist doch der Punkt.

(Petra Tiemann [SPD]: Wenn man nichts zu sagen hat, sollte man sich wieder hinsetzen!)

Aber in Wirklichkeit herrscht - ich wiederhole es gerne - Chaos. Sie sagen, Sie hätten jetzt 150 - - - Sagen Sie doch einmal, aus welchen Häusern Ihnen tatsächlich Unterstützung zugekommen ist.

(Zurufe von der SPD)

Das Gegenteil ist doch der Fall. Sie wissen nicht mehr ein noch aus. Deswegen müssen Sie auf die Polizeibeamten zugreifen.

Sie wissen ganz genau, dass die Information, dass nun ausgerechnet bei den Sicherheitskräften, bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, zugegriffen wird - weil Sie als Innenminister auf diese einen unmittelbaren Durchgriff haben und weil Ihnen die anderen Häuser eben nicht helfen -, in der Öffentlichkeit, bei den Journalisten und natürlich auch hier im Hause zu einer ganz anderen Debatte geführt hätte.