Herr Minister, es ist klar: Keine Zwischenrufe! Denn Sie können ja jederzeit das Wort ergreifen. - Bitte schön!
Und dann lassen Sie die Kommunen am Ende mit der Belastung alleine. Wir haben hier gestern kurz über die finanzielle Belastung meines Landkreises, aber auch vieler anderer gesprochen. Ihre Antwort war ein Schulterzucken - ein Schulterzucken! - unter dem Hinweis, das sei eben eine gesamtgesellschaftlichen Aufgabe und der Teil, den die Kommunen übernehmen müssten. - Das ist ein Schlag ins Gesicht der Kommunen! Denn das Land Niedersachsen - der Ministerpräsident ist leider bei einer solchen Debatte mal wieder nicht hier - ist in Wahrheit dafür verantwortlich, dass diese Kosten übernommen werden. Aber Sie tun es einfach nicht, sondern Sie sagen, die Kommunen sollen für Sie Millionendefizite machen.
Der Städte- und Gemeindebund hat konsequenterweise heute angekündigt, mit Ihnen nachzuverhandeln, weil die bislang ausgehandelten Pauschalen offensichtlich nicht ausreichen. Insbesondere - da bin ich mir sicher - wird es ein Thema sein, dass die nachgeordnete Auszahlung - nämlich zwei Jahre verspätet - die Kommunen völlig überlastet und so nicht bleiben kann. Das sollte Ihnen inzwischen aber auch klar sein.
Meine Damen, meine Herren, es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, an denen man deutlich machen kann, wie überfordert alle Beteiligten auch auf der Landesebene sind. Deshalb bitte ich Sie, endlich Ihren Job zu machen, Herr Innenminister, bei der Situation, in der wir inzwischen sind. Die Wahrheit ist doch, dass das Innenministerium für einen Bus, der am Nachmittag in der Kommune mit Flüchtlingen ankommen soll, noch nicht einmal am Vormittag in der Lage ist zu sagen, wer darin sitzt. Da werden syrische Familien angekündigt - die Türen gehen auf, und es sind afghanische Junggesellen im Bus! Genau so hat sich das in meinem Wahlkreis abgespielt und in vielen anderen übrigens auch, Herr Innenminister. Das ist die Wahrheit.
Das ist Ihre Aufgabe. Ich mache Ihren Mitarbeitern keinen Vorwurf! Das ist Ihre Aufgabe. Sorgen Sie endlich dafür, dass Ihr Ministerium dieser Aufgabe in ordentlicher Weise gerecht wird und vernünftig koordiniert, wenn Sie schon die Kommunen mit dieser Aufgabe mehr oder weniger völlig alleine lassen.
Frau Polat, wenn der Sozialdezernent der Region Hannover, Ihr Parteifreund, auf Ihrem Parteitag - bemerkenswerterweise unter dem Skandieren von „Aufhören!“-Rufen von Parteifreunden -
(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! - Helge Lim- burg [GRÜNE]: Das war überhaupt nicht so! Sie waren doch nicht da! - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Was wis- sen Sie denn, was bei uns war?)
- Sie waren ja so freundlich, einen Livestream zu schalten. Ein Livestream hat für Sie den Vorteil, dass Sie damit Öffentlichkeitsarbeit machen können,
aber auch den Nachteil, dass die gesamte Öffentlichkeit - mich eingeschlossen - miterleben kann, wie gespalten diese Koalition in Wahrheit inzwischen ist.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Das liegt an Ihrem selektiven Zuschauen, Herr Thiele!)
An dieser Stelle hat der Sozialdezernent der Region Hannover sehr deutlich gemacht, wie er die Situation einschätzt. Er hat nämlich zwei Dinge gesagt: Erstens hat er gesagt, dass außer der kommunalen Ebene - damit waren auch Sie, Herr Pistorius, und die Landesebene gemeint - inzwischen offensichtlich alle Strukturen unter der Flüchtlingskrise zusammengebrochen sind. Das war ein deutlicher Hinweis an die Ebene, die für die Kommunen zuständig ist. Herr Innenminister, Sie waren bei diesem Parteitag anwesend. Dafür übrigens meinen Respekt! Das war nicht vergnügungssteuerpflichtig; das ist mir klar.
Zweitens hat Herr Jordan Ihnen, den Grünen, ins Stammbuch geschrieben, dass Sie längst vor den Wohnungen, die er inzwischen gezwungen ist anzumieten, weil er nicht mehr weiß, wohin er mit den Flüchtlingen soll, demonstrieren würden, wenn Sie nicht gerade an der Regierung wären, meine Damen und Herren von den Grünen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Erzählen wir uns jetzt gegenseitig unsere Parteitagsre- den? Das ist ein merkwürdiger Stil! Das wird immer wunderlicher!)
Das Versagen hat Konsequenzen. Es hat Konsequenzen für die Flüchtlinge. Das wird genau an diesem Beispiel von Herrn Jordan deutlich, nämlich an der Situation der Unterbringung, mit der wir es inzwischen zu tun haben. Das hat natürlich Gründe. Es hat insbesondere auch Gründe darin, dass das Land jetzt eigentlich selbst eine weitere Aufgabe übernehmen müsste - diese Aufgabe ist essentiell - bei der Frage, ob das, was die Koalitionspartner in der Großen Koalition an Vereinbarungen getroffen, am Ende umsetzbar wird.
Ich sage Ihnen mal etwas: Der Innenminister Pistorius hat Ihnen ja auf Ihrem Parteitag ein paar Dinge um die Ohren gehauen. Er hat gesagt - ich zitiere -: Wir schaffen das nicht, wenn das System nicht für die dableibt und ausgebaut wird, die wirklich Hilfe brauchen. - Gemeint waren damit die Asylbewerber, die von vornherein völlig klar keinen Anspruch haben können und deswegen schnell zurückgeführt werden müssen.
Dann hat er gesagt: Wer sich der Registrierung entzieht, muss mit Leistungskürzungen und mit Nachteilen im Asyl rechnen.
Entschuldigen Sie bitte, einen kleinen Moment! - Zwischenrufe jederzeit, aber ganze Gegenreden nicht! Denn dann wird der Redner in besonderer Weise gestört. Herr Kollege, einfach eine Kurzintervention anmelden, dann können wir das regeln. - Herr Thiele, Sie haben das Wort.
Herr Limburg leidet ein bisschen darunter, dass der Parteitag nicht den gewünschten Verlauf hatte, weil der Innenminister den Positionen der Grünen dort widersprochen hat, was erst einmal sehr löblich ist.
Dann kam die Rede der Fraktionsvorsitzenden der Grünen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Piel, hat dem Innenminister in den beiden wesentlichen Punkten, nämlich in genau diesen beiden Punkten, im Klartext widersprochen. Sie hat auch gesagt, dass sie ihm widerspricht. Sie hat gesagt, sie widerspricht ihm bei der Frage härterer Maßnahmen gegen Flüchtlinge, die vom Balkan kommen, und sie hat ihm bei der Frage der Abschiebungen widersprochen. Das heißt im Klartext: Frau Piel, Sie haben ihm in den beiden wesentlichen Punkten widersprochen,
bei denen der Innenminister und dieses Land jetzt möglicherweise nicht - entsprechend Ihren Parteitagsbeschlüssen, die Sie dort getroffen haben - einen Beitrag dazu leisten kann, dass wir eine Entlastung auf der kommunalen Ebene bekommen, damit sich die Helfer und die Kommunen auf diejenigen konzentrieren können, die unsere Hilfe brauchen. Bei den wesentlichen beiden Punkten sind Sie dem Innenminister auf Ihrem Parteitag schwer in den Rücken gefallen.
Hans Brinkmann von der Neuen Osnabrücker Zeitung hat das in seinem Kommentar wie folgt zusammengefasst - ich zitiere -:
„Am liebsten würden Niedersachsens Grüne wohl beides: die Segnungen der Regierung genießen - und bei brenzligen Entscheidungen in die Oppositionsrolle flüchten.“
„Die Debatte über Asylpolitik auf dem Parteitag in Osnabrück offenbarte jedenfalls, dass beim Koalitionspartner der SPD nur beschränkte Bereitschaft besteht, geänderte Realitäten anzuerkennen und mit Kompromissen den immensen Druck zu mildern.“
Meine Damen, meine Herren, was zeigt das? - Es zeigt im Kern eines: Die Grünen blockieren die Landesregierung in der Frage der Abschiebung
seit Monaten, und die Kommunen und die Helfer werden mit dem zusätzlich aufgebauten Druck alleingelassen und müssen die Situation ausbaden.
Herr Ministerpräsident Weil ist leider momentan nicht da. Die Frage ist, wie lange er diesem Treiben noch zusehen will. Die Frage ist, wie lange er noch akzeptieren will, dass die Grünen ihm die Richtlinienkompetenz in dieser gesellschaftspolitisch entscheidenden Frage aus der Hand genommen haben.
Meine Damen, meine Herren, im Moment hat die Richtlinienkompetenz in der Jahrhundertaufgabe der Flüchtlingspolitik nicht der Ministerpräsident, sondern die grüne Landtagsfraktion. Die Flüchtlingspolitik ist in Niedersachsen eben nicht Chefsache. Das heißt im Klartext: Weder die Staatskanzlei noch der Innenminister, noch die Landesregierung in Gänze können ihrer Aufgabe gerecht werden. Das geht zulasten der Kommunen, zulasten der Flüchtlinge und zulasten der Helfer in diesem Land. Wir als Christdemokraten werden das nicht akzeptieren.
Vielen Dank, Herr Kollege Thiele. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind am Ende der Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung des Antrages der Fraktion der CDU in der Drucksache 17/4516, den wir unter Tagesordnungspunkt 35 behandelt haben. Es geht um die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Inneres und Sport. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall.
Jetzt kommen wir zur Ausschussüberweisung des Antrages der Fraktion der CDU, Drucksache 17/4517, einschließlich des dazu vorgelegten Änderungsantrags, Drucksache 17/4594, unter Tagesordnungspunkt 36. Beide Anträge sollen ebenfalls an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Dann ist das auch so beschlossen.