Herr Schilff ist heute dabei und verfolgt die Debatte. Ich begrüße Sie herzlich hier bei uns im Hause.
Im November 2014 ist das Ganze zum ersten Mal seitens der GdP von Herrn Schilff benannt worden. Unter der Überschrift „Polizei Niedersachsen am Limit“ heißt es:
„Die Beschäftigten der Polizei arbeiten unter Volllast. Sie kommen aus den Einsatzstiefeln kaum noch raus.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft schreibt in demselben Monat in der Verbandszeitschrift: „Personalmangel, wohin man schaut“.
Die HAZ schreibt wenige Monate vorher: „Beamte fühlen sich als Pistorius‘ Stiefkinder“. In dem Artikel
geht es um starke Kritik an Ihrer Arbeit, Herr Innenminister, und um die Überalterung der Kriminalpolizei.
„Der Polizei fehlt Personal bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität. … Immer mehr Arbeitsaufwand, immer vielschichtigere Sachverhalte, aber zu wenig Fachpersonal.“
Die Schaumburger Nachrichten berichten im Juni 2015 von einer Polizeifachtagung. Das ist wirklich lesenswert. Der Leiter des Polizeikommissariats Rinteln beklagte damals 4 400 Überstunden in seiner Dienststelle; die Belastung mache nicht gesund. Er habe drei Dauerkranke, aber es gebe kein zusätzliches Personal. Wörtlich wird er wie folgt zitiert: „Ich habe keinen Bock, dass meine Kollegen verbrannt werden.“ Der Landespolizeidirektor antwortete ihm damals: „Du hast in jedem einzelnen Punkt recht.“ Und: „Ich kann in keinem Punkt eine Lösung anbieten.“ Als Begründung führte er aus: „Es verschwinden Stellen, bei denen ich nicht genau weiß, wo.“
Im Juli 2015 schreibt die Gewerkschaft der Polizei zum Haushaltsentwurf der Landesregierung für 2016:
„Die Anzahl des Stellenzuwachses ist nicht ausreichend, um die Belastungen der Polizei als Organisation und ihrer Beschäftigten nachhaltig zu reduzieren und die innere Sicherheit zukunftssicher aufzustellen.“
Am 21. Juli 2015 berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung unter der Überschrift „Unerträgliche Belastung“ über eine Resolution der Personalräte der Polizei mit einem „Notruf“ wegen fehlender Mitarbeiter und hoher Krankenstandsquote.
Dann gibt es unter der Überschrift „Polizei fühlt sich vom Minister nicht gewürdigt“ einen Bericht in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 7. November 2015, dass sich die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund Deutscher Kriminalbeamter über mangelnde Kommunikation mit Ihnen, Herr Minister, und Ihre nicht eingelösten Versprechen beschweren.
Im September - auch das ist ein interessantes Dokument, das ich gerne zum Nachlesen empfehle - haben wir hier über unsere Große Anfrage zur Belastung der Polizei und die Antwort der Landesregierung darauf gesprochen. Wer das liest, der erkennt doch, dass die Sicherheitslage in Niedersachsen offenkundig eine ganz andere ist, dass wir große Probleme bei der Bewältigung der Sicherheitslage in Niedersachsen haben. Sie haben das seinerzeit ignoriert und gesagt, es gebe ausreichend Polizei. Deswegen auch gestern der Kommentar der GdP zu Ihrer Ankündigung für heute: Wir brauchen keine guten Worte, wir brauchen Fakten. Es wurden „Fakten statt guter Worte“ gefordert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte noch viele andere Zitate aus anderen Tageszeitungen und anderen Berichten nennen können. Stellen Sie sich bitte einmal vor, es gäbe in Deutschland ein Privatunternehmen, das in dieser Art mit massiver Kritik immer wieder wegen Personalmangels und Überforderung des Personals von Gewerkschaften angegangen würde! Was wäre los in Ihren Fraktionen von der SPD und von den Grünen! Hier aber ignorieren Sie die Position der Gewerkschaften, weil es um ein Fehlverhalten Ihrer Landesregierung geht, weil es um Ihr Versagen geht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Diese Forderungen kommen aber nicht nur aus den Gewerkschaften. Auch die SPD-Bundestagsfraktion - ganz aktuell - fordert am 8. Januar 2016 6 000 zusätzliche Polizeibeamte in den Bundesländern. Glauben Sie allen Ernstes, man hat Niedersachsen in der Forderung außen vor gelassen, Niedersachsen mit einer der geringeren Versorgungsraten im Vergleich zu den übrigen Flächenländern in Deutschland?
Auch die Grünen sprechen sich für mehr Polizei aus, beispielsweise am 14. März im Spiegel, wenngleich die Argumentation, dass man technische Überwachung durch Polizeibeamte ersetzen will, sicherlich etwas krude gewählt war.
Aber Sie hören doch auch gerne auf Oberbürgermeister Markurth aus Braunschweig: Er ist der Ansicht, es fehlten in großem Stil Polizisten.
Ganz zuletzt sei noch die Überschrift des aktuellen Spiegel angeführt: „Staatsohnmacht. Rechtsfreie Räume, hilflose Polizei - können wir uns noch sicher fühlen?“ So etwas kann man nicht ignorieren,
wenn man einen Vortrag über die Sicherheitslage in Niedersachsen hält, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wenn Sie schon auf die Gewerkschaften und Ihre eigenen Leute nicht hören wollen, dann hören Sie doch wenigstens auf die ganz normalen Polizisten draußen auf der Straße! Zwei Drittel haben in Ihrer eigenen Mitarbeiterumfrage gesagt, dass die Personalsituation unzureichend ist. Jeder vierte hat gesagt, dass er sich selbst als überfordert ansieht. - Das ist die Situation der Polizei in Niedersachsen!
Warum ist das alles so? - Weil - das werden Sie nicht leugnen können - das Verhältnis dieser Landesregierung und insbesondere auch der sie tragenden Fraktionen zur Polizei im Ergebnis von Misstrauen geprägt ist.
Das war der Tenor Ihrer Koalitionsvereinbarung; das wissen Sie ganz genau. Sie misstrauen den Sicherheitseinrichtungen in diesem Lande. Deswegen haben Sie eine Beschwerdestelle eingerichtet.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Deswegen haben wir ein Stellenhebungspro- gramm beschlossen! - Petra Tiemann [SPD]: Wer hat denn den A-11er- Erlass zurückgenommen?)
Deswegen dürfen die Menschen in Niedersachsen anonym sagen: Hier hat die Polizei ein Fehlverhalten an den Tag gelegt. - Das geht bei keinem Lehrer. Das geht bei keinem Richter. Das geht bei keinem Vollzugsbeamten in einer Haftanstalt, bei keinem Finanzbeamten. Bei überhaupt keinem anderen Beamten des Landes Niedersachsen ist es möglich, einfach anonym anzurufen und anzuschwärzen. Nur bei der Polizei halten Sie das für gerechtfertigt - ein ausdrücklicher Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Polizei!
Es liegt gerade ein Antrag vor, der dieses Misstrauen sehr deutlich macht - ein Antrag mit dem Titel „Diskriminierung in Sicherheitsbehörden entgegentreten“ von SPD und Grünen. Dazu liegt eine Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbe
„Gerade im Vorfeld dieser Einrichtung hat die Regierungskoalition viel Vertrauen bei den Beschäftigten der niedersächsischen Polizei verspielt, weil hier wieder mit pauschalen Verdachtsmomenten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte argumentiert wurde.“
Und es wird ganz eindeutig von einem „gestörten Verhältnis“ zwischen der Niedersächsischen Landesregierung und den Kolleginnen und Kollegen der niedersächsischen Polizei gesprochen. - Das ist der Zustand der Sicherheitslage, den Sie zu verantworten haben!
Angefangen haben Sie seinerzeit mit dem Verfassungsschutz. Ich habe es sehr gut in Erinnerung, wie Sie hier gestanden und gesagt haben, so schlimm hätten Sie es sich nicht vorstellen können. Sie haben den Verfassungsschutz seinerzeit mit einer Pauschalkritik überzogen und gesagt, er habe rechtswidrig Menschen erfasst. - Nichts davon ist wahr gewesen! Keinerlei Reaktionen personeller Art sind erfolgt, weil Sie natürlich wussten, dass dieses eine schlichte politische Attacke ohne jeden Hintergrund gewesen ist. Das war eine unfaire Aktion, die den Verfassungsschutz belasten sollte.
Es musste versucht werden, zu erfüllen, Herr Kollege Limburg, was Sie über viele Jahre in der Opposition in diesem Haus fehlerhaft vorgetragen haben.
Sie haben das Handlungskonzept zur Bekämpfung des Islamismus seinerzeit ersatzlos gestrichen. Vom Dezember 2013 - ausgerechnet in der Hochphase des IS - bis zum April 2015 gab es in Niedersachsen keine Beratung.
Sie haben einfach weggestrichen und zerstört, was es an Aufbau und Struktur gab, ohne ansatzweise eine Idee zu haben, wie Sie das neu aufbauen wollen. Da sind Sie jetzt sehr unter Druck.
52 Personen aus Niedersachsen sind in dieser Zeit nach Syrien ausgereist. Viele sind zurückgekehrt und sind ein großes Sicherheitsrisiko in diesem Land. Sie haben das in Ihrer Rede einfach weggelassen, weil Sie wissen, dass Sie hier versagt haben.
Die Beamten des LKA sagen vor dem OLG Celle im IS-Prozess, dass sie von den IS-Werbern in der DITIB-Moschee wussten, aber lieber die Finger von den Moscheen gelassen haben, weil ihnen das politisch zu heikel war. Denn Sie haben in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass Moscheen, auch wenn es dort um direktes Werben des IS geht, offenkundig nicht kontrolliert werden dürfen. Das ist ein Sicherheitsrisiko, das Sie bewusst in Ihren Koalitionsvertrag aufgenommen haben.
Inzwischen, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wieder Islamistenchecklisten - auch die hatten Sie seinerzeit kritisiert - in Flüchtlingsheimen verteilt. Aber jetzt kommt die Broschüre aus Nordrhein-Westfalen.
Sie sagen nichts zur Clan-Kriminalität. Dabei gab es eine Schießerei vor einem Krankenhaus in Lüneburg, Vorfälle in einem Gericht in Hameln, an die wir uns gut erinnern, eine Schießerei in Salzgitter und Krawalle zwischen Jesiden und Tschetschenen in Celle. Dazu sagen Sie nichts mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage im Land.