Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

„Aber es macht schon einen erheblichen Unterschied,“

- ich zitiere da die Kollegin Joumaah -

„ob der Täter dabei aus einer persönlichen Motivation heraus handelt oder ob er sich durch das Frauenbild der patriarchalisch dominierten Gesellschaft in seinem Herkunftsland legitimiert fühlt.“

Nein, geschätzte Kollegen. Ich glaube nicht, dass das im Tatfall einen Unterschied für die betroffenen Frauen macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich glaube nicht, dass sich die eine sexualisierte Gewalt anders anfühlt als die andere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sexualisierte Gewalt hat viele hässliche Gesichter. Deshalb muss auch der politische Umgang damit vielschichtig sein.

Wir fordern schon lange, dass das Sexualstrafrecht angepasst und spezifiziert wird. Die Tatbestände sexualisierter Gewalt müssen besser und genauer gefasst werden. Auch überraschende Übergriffe dürfen nicht länger straffrei bleiben. Ein Nein ist ein Nein; das muss klar sein.

(Zustimmung von Gerald Heere [GRÜNE] und Maaret Westphely [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Sie alle wissen, dass das noch nicht der Fall ist. Nein zu sagen genügt im Moment noch nicht. Das Opfer muss vor Gericht nachweisen, dass es sich heftig genug gewehrt hat. Das hat gravierende Folgen. Laut dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen lag die Verurteilungsquote bei angezeigten Vergewaltigungen zuletzt bei 8,4 %. Oft gehen die Täter nach geltendem Recht straffrei aus.

Aber auch die besten Gesetze helfen nicht, wenn sie nicht angewendet werden und wenn die Gewalt und der Übergriff nicht angezeigt werden. Dafür, dass sich betroffene Frauen Hilfe suchen, müssen wir geeignete Bedingungen schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Polizei muss an Orten mit großen Menschenansammlungen und bei Anlässen wie Silvester, Karneval oder auch dem Oktoberfest darauf vorbereitet sein, dass Übergriffe auf Frauen stattfinden können. Wir brauchen Strukturen und sensibilisierte Ansprech

partner, die es Mädchen und Frauen erleichtern, sich in einer extrem traumatischen Situation Hilfe zu holen und sich der Polizei und der Justiz anzuvertrauen.

Wir müssen auch sicherstellen, dass alle Krankenhäuser für die Opfer von Gewalt eine Notfallversorgung anbieten, die gegebenenfalls auch eine Spurensicherung und nötigenfalls eine Notfallverhütung umfasst.

Meine Damen und Herren, wir wissen: Gesetze können nicht immer helfen. Taten, die im Verborgenen geschehen, sind oft nicht nachzuweisen. Auch weiterhin wird es Opfer geben, die den Mut nicht aufbringen, die Täter zu benennen. Auch darum müssen wir auf einer dritten Ebene ansetzen. Das ist der gesellschaftliche Blick auf sexualisierte Gewalt. Es ist eben ganz und gar kein Kavaliersdelikt, wenn ein Mann eine Frau berührt, die das nicht will. Das gilt ausnahmslos.

Immer noch ist es aber ein bekannter Reflex, betroffenen Frauen Verhaltensregeln aufzugeben. Das ist absurd. Die klare Botschaft muss sein: Frauen können lachen, tanzen und flirten. Sie können sich anziehen, wie sie es möchten. Das gibt niemandem das Recht, sie geringzuschätzen oder sie gegen ihren Willen anzufassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, unser Ziel muss ein gesellschaftliches Klima sein, in dem der Wille von Frauen unbedingt zu achten ist. Wenn Übergriffe geschehen, muss völlig klar sein, dass das nicht in Ordnung ist. Ein solches Klima hilft Zeugen, sich zu melden. Es hilft Beamten, Sachverhalte einzuschätzen, und es stärkt die Betroffenen und verhindert im besten Fall Übergriffe.

Meine Damen und Herren, sexualisierte Gewalt gegen Frauen wird viel zu oft verharmlost. Wir haben jetzt die Verantwortung, etwas zu verändern und weiter über das Thema zu reden. Lassen Sie uns das gemeinsam tun!

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Piel. - Es hat sich zu Wort gemeldet Editha Lorberg, CDU-Fraktion. Bitte schön, Frau Lorberg!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Silvester 2015: Unzählige Menschen sind an diesem Abend, in dieser Nacht unterwegs, um zu feiern, um das neue Jahr fröhlich zu begrüßen. Und dann passiert etwas, was diese Menschen wohl kaum für möglich gehalten haben: Plötzlich werden die meist jungen Frauen bedrängt. Schlimmer noch: Sie werden Opfer von sexueller Gewalt. Hemmungslose Männer stellen sich ihnen in den Weg und versuchen, sich das zu nehmen, was ihnen nun beileibe nicht zusteht.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie sich die betroffenen Frauen in dieser unwirklichen Situation gefühlt haben. Aus einer fröhlichen Silvestertour wurden unerträgliche Minuten der Angst, der Scham und des Ausgeliefertseins. Und all das mitten unter uns an Orten, die gerade zu Silvester gut besucht sind. Unvorstellbar.

Es gibt aber auch die schrecklichen Übergriffe an anderen Orten wie beispielsweise in Schwimmbädern. Mädchen und Frauen werden angegrapscht. Das macht Angst und hinterlässt ein bohrendes Gefühl der Hilflosigkeit. Meine Tochter - 29 Jahre alt, eine junge selbstbewusste Frau - sagte mir vor einigen Tagen: Mama, ich fühle mich immer unsicherer. Auf ihrem Weg vom Auto, vom Parkplatz zu ihrer Wohnungstür ist sie schon mehrfach auf eine Art und Weise angesprochen worden, die ich hier gar nicht wiedergeben will, die aber sehr sexistisch geprägt und beleidigend war. Eigentlich ist sie nicht ängstlich, aber das macht ihr Angst, und das macht sie hilflos.

Meine Damen und Herren! Nein! Keine Gruppe, keine Kultur darf unter Generalverdacht gestellt werden. Ganz sicher halten die allermeisten Flüchtlinge oder Asylbewerber den gebotenen Abstand zu den hier lebenden Frauen. Ganz sicher respektieren die meisten Flüchtlinge und Asylbewerber das gleichberechtigte Zusammenleben zwischen Mann und Frau. Sicherlich achten die meisten Flüchtlinge und Asylbewerber auch unsere Gesetze und unsere gesellschaftlichen Umgangsformen und Regeln.

Und doch gibt es die uns so bekannten und so schockierenden Ausnahmen. Übergriffe wie in Hamburg oder Köln dürfen in unserem Rechtsstaat niemals geduldet werden. Die Unterdrückung von Frauen und Mädchen ist in einigen Ländern leider auch heute noch eine geübte Praxis. Durch den Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern kommen eben auch Männer zu uns, die versu

chen, diese Unterdrückung, die sie in ihren Herkunftsländern erlebt und auch anerzogen bekommen haben, hier auszuleben und auszuüben. Hier müssen unsere Gesellschaft, aber auch alle Sicherheitsbehörden konsequent einschreiten.

(Zustimmung bei der CDU)

Vorfälle, wie sie in Köln und in anderen Orten vorgekommen sind, dürfen nicht geduldet werden und dürfen sich auch nicht wiederholen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ist auch der Punkt, über den bei #Ausnahmslos leider nichts zu finden ist. Selbst in den Medien ist bereits Kritik über diese Twitter-Initiative laut geworden. Ich empfehle dazu den Bericht aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. Januar: Eingeschliffene feministische Argumentationsmuster entfalten sich unter #Ausnahmslos. - Und das reicht nicht, meine Damen und Herren. Es wird dort nach verschiedenen politischen Lösungen gesucht. Keine dieser Forderungen setzt aber da an - gerade in Anbetracht der furchtbaren Vorkommnisse -, wo wir Handlungsbedarf haben.

Meine Damen und Herren, wie bringen wir Tausenden von jungen Männern, die zu uns kommen, bei, wie man in Deutschland mit Frauen umgeht, wie man ihnen gegenübertritt und wie man sie angemessen und respektvoll behandelt? Wie schützen wir uns vor denen, die sich auch durch Aufklärung und Gespräche nicht davon abhalten lassen, Frauen zu bedrängen? - Ich will nicht, dass meine Tochter unter Angst lebt. Ich will, dass keine Frau und kein Mädchen hier in Deutschland unter Angst leben müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir ist durchaus klar, dass all die genannten Probleme auch durch einheimische Männer passieren und dass in diesen Fällen ebenfalls die ganze Härte des Gesetzes zum Zuge kommen muss. Doch die Ereignisse in Köln in der Silvesternacht haben einen ganz gewaltigen und nachhaltigen Bruch in die Flüchtlingspolitik gebracht.

Meine Damen und Herren, darum sind alle gefordert, die hier Verantwortung übernehmen. Es kann nicht sein, dass sich in unserem Land Bürgerwehren bilden müssen. Es kann nicht sein, dass unsere jungen Frauen in ihren Handtaschen statt einem Lippenstift das Pfefferspray haben müssen. Das ist unvorstellbar.

Wir müssen die Dinge auch beim Namen nennen dürfen. Wir müssen auch rasch handeln. Wir müs

sen uns der Sorgen und Ängste der Bevölkerung annehmen. Und wir müssen uns mit all dem auseinandersetzen,

(Glocke des Präsidenten)

natürlich auch unter der Maßgabe, dass es keine Diskriminierung geben darf. An dieser Stelle möchte ich auf keinen Fall falsch verstanden werden: Das gilt für alle! Das Strafmaß muss für alle das Gleiche sein.

Frau Kollegin, eine Sekunde. - Zum einen gibt es die Bitte um eine Zwischenfrage. Zum anderen ist Ihre Redezeit am Ende. Wenn Sie die Zwischenfrage noch zulassen, dann würde ich Ihnen - - -

(Heiterkeit)

Ja? - Reines Lockangebot. Bitte!

Es freut mich, dass Sie aufgrund meiner Zwischenfrage etwas länger reden dürfen. - Mich interessiert eine Antwort auf folgende Frage: Wie bewerten Sie die Kapitulation der Deutschen Bahn, wenn Fußballfans alkoholisiert, pöbelnd und auch randalierend in Zügen fahren und Frauen belästigen? - Ich fahre regelmäßig mit dem Zug. Wenn Fußballspiele stattfinden, ist das recht unangenehm. Das beginnt übrigens schon morgens. Das jüngste Ergebnis ist: Es sind ausnahmslos deutsche junge Männer, die in den Abteilen sitzen. Kontrollen finden nicht mehr statt, weil vor diesen randalierenden Männern kapituliert wird. Wie bewerten Sie das?

Vielen Dank. - Wenn Sie darauf antworten möchten, bitte, Frau Lorberg.

Vielen Dank für diese Frage. Ich kann Ihnen ganz eindeutig sagen: Ich finde das unglaublich. Auch das darf nicht sein. Das ist genauso grausam und genauso schlimm wie der andere Sachverhalt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich am Ende nur noch sagen: Das Strafmaß muss gleich sein, egal, welche Identität ein Täter hat. Aber die Konsequenzen werden wohl unterschiedlich sein müssen. Das liegt einfach schon allein an der Tatsache, dass wir bei Straftaten die Täter zurückführen sollten.

Frau Kollegin, Sie müssten jetzt bitte zum Schluss kommen.