Dann müssen Sie für Keller, Aufzug, Baulogistik und Nebenkosten noch einmal 1 000 Euro/m² rechnen. Das Bauvorhaben kostet dann insgesamt ungefähr 2,1 Millionen Euro. Insgesamt müssen Sie also 2,8 Millionen Euro in die Hand nehmen, um ein solches Mehrfamilienhaus zu bauen. Wenn Sie das dann für 7,50 Euro/m² - obere Range der bezahlbaren Mieten - vermieten, haben Sie 79 000 Euro Nettokaltmiete im Jahr. Davon ziehen Sie 20 % Bewirtschaftungskosten ab; dann kommen Sie auf ungefähr 64 000 Euro. Das macht am Ende bei einem Investment von 2,8 Millionen Euro eine Nettorendite - vor Finanzierungskosten und Steuern - von 2,2 %. Ich frage Sie alle im Landtag: Wer ist bereit, 2,8 Millionen Euro in die Hand zu nehmen und ein Risiko einzugehen für 2,2 % Rendite?
Genau das ist das Kernproblem des Wohnungsmarktes. Wir müssen an die Renditeerwartung der Investoren heran. Wenn wir das nicht machen, werden wir das Problem nicht lösen.
Unser Problem ist, dass Ihre Maßnahmen in diesem Bereich zu kurz greifen. Sie haben sich in der Aktuellen Stunde wieder lobpreisend dafür geschätzt, dass Sie 400 Millionen Euro Darlehen an Investoren ausgeben und 80 Millionen Euro Bundesmittel weiterreichen. - Geschenkt! Dass das die
ersten 20 Jahre zinsfrei ist, ist sicherlich ein kleiner Beitrag. Aber Sie müssen auch wissen, dass 0,5 % Verwaltungskosten und ein Bearbeitungsentgelt entstehen. Insofern müssen Investoren nach den Konditionen des NBank-Förderprogramms 0,6 % jährlich bezahlen. Sie zahlen heute schon 1,5 % Zinsen für gleiche Darlehen am Kapitalmarkt. Das heißt, der Unterschied beträgt gerade einmal 0,5 %.
Dafür müssen Investoren aber jede Menge mehr Bürokratie in Kauf nehmen. Sie müssen ein Risiko in Kauf nehmen, weil sie sich mit Belegungsrechten verpflichten. Man weiß aber nicht, ob sich der Wohnungsmarkt in zehn Jahren nicht vielleicht entspannt. Und vor allen Dingen: Nach 20 Jahren ist eine marktübliche Verzinsung angesagt. Wenn Sie heute für 2 % abschreiben dürfen, dann haben Sie nach 20 Jahren immer noch 60 % des Darlehens offen. Wenn dann Zinserhöhungen drohen, ist von 2,2 % Nettorendite nicht mehr viel übrig. Das ist der Grund, warum Ihr Fonds ins Leere läuft.
Herr Finanzminister, absurd wird es dann, wenn sich die Sozialministerin hier hinstellt und für die 480 Millionen Euro lobpreist, aber Sie gleichzeitig, in demselben Atemzug, darüber nachdenken, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Abenteu- erlich! - Reinhold Hilbers [CDU]: Linke Tasche, rechte Tasche!)
Was bedeutet denn das? - Sie leihen den Investoren und Grundstückskäufern 400 Millionen Euro und geben 80 Millionen Euro Bundesmittel weiter und sammeln in demselben Atemzug mit einer Grunderwerbsteuererhöhung 100 Millionen Euro und mehr pro Jahr wieder ein. Was ist das denn für eine Politik? Wir können die auf keinen Fall verstehen.
Grunderwerbsteuererhöhungen senken die Renditeerwartungen und sind somit völlig kontraproduktiv. Wir brauchen sinnvolle Instrumente. Ein sinnvolles Instrument kann eine Sonderabschreibungsregel für den Bau von preiswertem Wohnraum sein. Denn dann können Investoren z. B. einen
Großteil ihrer Baukosten in den ersten drei Jahren abschreiben. Damit können sie mehr tilgen. Damit senken sie ihr Risiko auf die Laufzeit der Darlehen und erhöhen ihre Renditeerwartung. Das funktioniert. Das haben wir in den 90er-Jahren schon erlebt. Insofern ist das ein sinnvolles Instrument. Das hat Frau Hendricks, Ihre Bundesbauministerin, im Übrigen schon eingesehen.
Sie hat sich gestern mit Herrn Schäuble darauf geeinigt, dass man in den ersten drei Jahren im Wege einer Sonderabschreibung 35 % der Baukosten abschreiben können soll.
Bei diesen Gesprächen kam auch heraus: Die zu erwartenden Steuerausfälle taxieren sich in den Jahren 2016, 2017 und 2018 auf 1 Milliarde Euro für Bund, Länder und Kommunen. Bei 42,5 % Einkommensteueranteil für die Länder sind das 425 Millionen Euro. Nach dem Königsteiner Schlüssel entfallen 10 % davon auf Niedersachsen; das sind 42,5 Millionen Euro. Geteilt durch drei Jahre sind das nicht einmal 15 Millionen Euro im Jahr.
Wenn Sie nicht gewillt sind, 15 Millionen Euro Steuerausfälle in Kauf und damit zum ersten Mal eigenes Landesgeld in die Hand zu nehmen, dann, finde ich, entlarven Sie sich hier selbst. Dann ist Ihr Wohnungsbau- und Wohnraumförderungsprogramm reine Heuchelei.
Deswegen: Geben Sie sich einen Ruck! Wir, die CDU-Landtagsfraktion, die Junge Gruppe in der Landtagsfraktion,
erwarten, dass die SPD-Fraktion dem Antrag heute zustimmt und dass Sie, Herr Ministerpräsident, im Bundesrat und in den Verhandlungen mit dem Bund die Lösung von Schäuble und Hendricks tragen.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Herr Kolle- ge, wenn Sie uns einen Brief schrei- ben, denken wir darüber nach!)
(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Das ist der Lechner-Rechner!)
Vielen Dank, Herr Kollege Lechner. - Das Wort hat jetzt für die SPD-Fraktion Kollege Maximilian Schmidt. Bitte schön!
(Christian Grascha [FDP]: Jetzt kommt die Junge Gruppe der SPD! - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Dagegen kommen Sie nicht an!)
Warten Sie einmal ab! - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lechner, Sie sind ja, glaube ich, der ideologische Rädelsführer der sogenannten Jungen Gruppe. Das hier war wirklich
eine ideologische Glanzleistung. Wenn man in den Mittelpunkt seiner Rede zum Thema Wohnungsbau die These „Wir müssen an die Renditeerwartungen der Investoren heran“ stellt, dann hat man wirklich nichts verstanden.
Herr Kollege Schmidt, bevor Sie den nächsten Gedanken aufnehmen: Kollege Hilbers möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.
Bei dieser These kann, glaube ich, noch keine grundsätzliche Frage auftauchen. Er kann später intervenieren.
Meine Damen und Herren, in allem Ernst: Wir haben in Niedersachsen eine große Herausforderung beim Thema Wohnungen, und zwar nicht erst seit dem Zuzug von Tausenden Flüchtlingen. Auch schon vorher war der Wohnraum vor allem in den Ballungsräumen knapp.
Herr Lechner hat das auch zitiert. - Die Wohnungsmarktbeobachtung der NBank hat den drängenden Handlungsbedarf aufgezeigt. Wir wissen, dass trotz des Bevölkerungsrückgangs bis zum Jahr 2022 die Zahl der Haushalte um 100 000 wachsen wird. Bis 2020 werden wir 45 000 zusätzliche Geschosswohnungen brauchen. Die NBank konstatiert sogar einen Neubaubedarf von 282 000 Wohnungen für Niedersachsen bis 2035.
Niemand kann derzeit exakt abschätzen, welche Folge die Flüchtlingssituation ganz direkt auf den Wohnungsmarkt hat. Eine Orientierungshilfe kann aber vielleicht das gestern veröffentlichte Gutachten der Robert Bosch Stiftung sein. Dessen Kernaussage ist, dass die Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, schätzungsweise 60 000 bis 125 000 zusätzliche Wohnungen benötigen - und das nur im vergangenen Jahr.
Meine Damen und Herren, dabei geht es vor allem um bezahlbaren Wohnraum. Es geht um Sozialwohnungen. Deren Anzahl ist auch in Niedersachsen schon seit den 90er-Jahren massiv zurückgegangen - zuletzt auf 93 000. Seit Ende der 90erJahre sind über 30 000 Sozialwohnungen verloren gegangen.
Neben diesen reinen Zahlen, die den Bedarf eigentlich schon hinreichend kennzeichnen, will ich in dieser Debatte aber auch noch auf die viel grundsätzlichere Bedeutung dieses Themas aufmerksam machen. Wir hatten schon vor der aktuellen Flüchtlingssituation in den Ballungsräumen zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Jedem ist klar, dass sich diese Situation aufgrund des Zuzugs vieler Menschen jetzt akut verschärfen wird. Klar ist auch, was los wäre, wenn dieser Bedarf nicht erfüllt würde. Das birgt sozialen Sprengstoff und gefährdet dauerhaft die Friedfertigkeit unserer Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, wir können nicht wollen, dass Studierende, Menschen mit kleinen Einkommen und Flüchtlinge künftig auf dem Wohnungs
markt konkurrieren müssen. Wir wollen keine Konkurrenz der Schwachen, sondern wir wollen Wohnraum für alle. Darauf kommt es an.
Meine Damen und Herren, deshalb ist das richtig, was wir seit dem Regierungsantritt in Niedersachsen gemacht haben, um hier die Trendwende zu schaffen: 400 Millionen Euro mehr Wohnraumförderung - 5 000 neue Wohnungen sollen so entstehen -, Bereitstellung von zusätzlichen 6,5 Millionen Euro für studentisches Wohnen und weitere Maßnahmen wie - um sie nur kurz zu nennen - Ausweitung der Wohnraumförderung auf ländliche Räume, Wohngelderhöhung, Veränderung bei der Maklercourtage und Mietpreisbremse. Alles das wird dazu beitragen, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum in Niedersachsen gibt.