Protokoll der Sitzung vom 17.02.2016

(Zustimmung von Belit Onay [GRÜNE])

Das ist, glaube ich, eine legitime Frage. Aber ich glaube trotzdem, dass jetzt der falsche Zeitpunkt ist, um über diese Frage der Sanktionsmechanismen zu diskutieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn heute fehlen eher die Sprachkurse, als dass wir sagen könnten, dass es genügend Sprachkurse gibt und dass diejenigen bestraft werden müssen, die nicht dorthin gehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf Initiative der FDP-Fraktion haben wir in der vergangenen Legislaturperiode - das hat der Kollege Thiele gerade schon gesagt - die Wegweiserkurse in Friedland auf den Weg gebracht, weil wir der Überzeugung waren, dass Menschen, die zu uns kommen, als Allererstes die deutsche Sprache lernen sollen; denn es ist wichtig, die deutsche Sprache als Schlüssel zur Integration zu lernen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zur Wahrheit gehört dazu, dass diese Wegweiserkurse in der Regel in der letzten Zeit aufgrund von Platzmangel - natürlich! - an den Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr stattgefunden haben. Deswegen sage ich hier ganz klar: Wir haben schon im Mai letzten Jahres hier einen Antrag eingebracht, der dieses Thema der Wegweiserkurse aufgreift. Darin fordern wir: Wir müssen dieses Thema wieder nach vorne bringen! Wir müssen wieder dafür sorgen, dass die Menschen, die zu uns kommen, als Erstes die deutsche Sprache lernen, und zwar in den Erstaufnahmeeinrichtungen! Das ist eine Aufgabe des Landes.

Der Kollege von Holtz hat hier immer wieder dazwischengerufen: Das muss der Bund machen! Das muss der Bund machen! Das muss der Bund machen! - Diese Argumentation kennen wir ja schon.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Über die Integrationskurse!)

Aber es ist die Aufgabe des Landes, als Allererstes dafür zu sorgen, dass diese erste Sprachvermittlung stattfindet. Aber da lassen Sie die Leute im Regen stehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Sie müssen dafür sorgen, dass

neben der Quantität in die Erstaufnahmeeinrichtungen auch wieder Qualität kommt, dass Deutschkurse kommen und dass den Menschen, die zu uns kommen, auch die Grundlagen des deutschen Rechtsstaats im Sinne dieser Wegweiserkurse vermittelt werden. Das ist ein Teil des Konzepts gewesen, das der Kollege Thiele hier angesprochen hat. Das ist Ihre Aufgabe. Tun Sie da mehr, als Sie bisher tun! Das fordern wir von Ihnen, Herr Minister.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Natürlich gibt es derzeit aufseiten des BAMF viel zu wenige Kurse. Ich weiß, dass es Monate dauert, bis man in diesen Integrationskursen, die vom BAMF angeboten werden, einen Platz bekommt. Mir liegen Beispiele auch hier aus Niedersachsen, aus dem Landkreis Leer, aus dem der Kollege Thiele kommt, vor, dass ein solcher heiß begehrter Kurs angeboten wird. Aber wer wird dorthin geschickt? - Dorthin werden 50 Leute aus den Westbalkanstaaten geschickt, deren Asylantrag abgelehnt ist. Aber diejenigen, die aus Afghanistan und Syrien kommen, gucken in die Röhre.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei den wenigen Ressourcen, die wir haben, müssen wir auch überlegen, wem wir sie zugutekommen lassen! Auch das gehört zu einer ehrlichen Debatte. Wenn es der Bund nicht schafft, hier mehr Sprachkurse vorzuhalten, dann müssen wir sie als Allererstes denen zugutekommen lassen, die langfristig oder dauerhaft bei uns in Deutschland bleiben, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen ferner dafür sorgen, dass die Arbeitsagenturen mehr Sprachkurse anbieten. Die Integration in den Arbeitsmarkt - das hat der Kollege Dürr hier vorhin richtig ausgeführt - ist später der Katalysator dafür, dass Integration wirklich stattfindet. Sprache ist die Grundvoraussetzung, aber die Integration in den Arbeitsmarkt, der tägliche Kontakt mit anderen Menschen, ist der Katalysator, der dafür sorgt, dass die Integration später wirklich funktioniert.

Deswegen ist die Frage des Mindestlohns und der Gleichstellung mit Langzeitarbeitslosen keine, auf die man dogmatisch mit Nein antworten sollte, verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen. Vielmehr ist zu sehen, dass für einen Arbeitgeber, der versucht, einen Flüchtling in den

Arbeitsmarkt zu integrieren, im ersten Moment eine Last ist - und keine Hilfe. Wenn der Arbeitgeber das trotzdem macht, weil ihm Integration wichtig ist und weil er ihm eine Chance geben muss, stellt sich für ihn doch die Frage: Ist es wirklich sinnvoll, einen Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde anzuwenden, oder sollen nicht die gleichen Regeln, die für deutsche Langzeitarbeitslose gelten, auch für diesen Flüchtling gelten, damit eine Integration in den Arbeitsmarkt überhaupt erst stattfinden kann, damit die erste Hürde übersprungen werden kann und damit Integration später gelingt, verehrte Kolleginnen und Kollegen?

Aus unserer Sicht ist es ein ganz wichtiger Punkt für die Integration, dass Sprachkurse auch über die Arbeitsagenturen angeboten werden und dann die Hürde zum Einstieg in den Arbeitsmarkt abgesenkt wird, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Dann kann Integration an dieser Stelle gelingen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen sage ich abschließend noch einmal: Wir müssen dafür sorgen, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen mehr Sprachkurse angeboten werden. Da ist das Land in der Pflicht. Wir brauchen auch mehr Sprachkurse durch den Bund. Außerdem brauchen wir eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt durch die Arbeitsagenturen. Dann kann Integration insgesamt gelingen. Aber erst einmal ist es unsere Aufgabe, Integrationsmöglichkeiten zu schaffen, und nicht die Frage, ob Integrationswilligkeit vorhanden ist oder nicht.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Es spricht jetzt für die Landesregierung die Ministerin für Wissenschaft, Frau Dr. Heinen-Kljajić. Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass über den Beitrag von Herrn Oetjen - auch wenn ich ihn jetzt nicht in jeder einzelnen Position teilen würde - zumindest noch ein gewisses Maß an notwendiger Sachlichkeit in dieses Thema gekommen ist.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das Thema Integrationskurse hier besprechen können. Denn die Integrationsdebatte, die an der Stelle in der

CDU geführt wird, geht komplett an der Realität vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das gilt sowohl für das auf der Bundesebene verfasste Integrationspapier als auch für Ihren Gesetzentwurf hier im Landtag.

Erstens beschreibt „Integration“ einen sozialen Prozess. Das ist kein Vertragsverhältnis oder eine Rechtsnorm, die man mit Sanktionen einklagen kann.

Zweitens zeugt es von schlichter Unkenntnis der Lage vor Ort, wenn von Flüchtlingen erwartet oder eingefordert wird, dass sie an Integrationsmaßnahmen des BAMF teilnehmen - das ist in allen Papieren, die Sie hierzu verfassen, immer wieder die zentrale Botschaft -, die in der Realität überhaupt nicht stattfinden, weil sie überhaupt nicht in dem Umfang angeboten werden, wie wir sie brauchen. Das heißt, von einer spürbaren Entlastung der Länder durch die Angebote des BAMF im Bereich Sprache kann überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil, das BAMF baut so hohe Hürden sowohl personeller als auch räumlicher Art auf, dass die Kurse erst gar nicht stattfinden können.

Wir versuchen im Moment gemeinsam mit den Universitäten in einem Kraftakt, kurzfristig mehr Dozenten im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) auszubilden, weil das der eigentliche Flaschenhals bei der Realisierung der Sprachkurse ist. Aber das BAMF akzeptiert diese Dozenten nicht, weil sie nach dessen Aussage nicht ausreichend qualifiziert sind.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Unglaub- lich!)

Auch die Anforderungen an die Unterrichtsräume sind bisweilen absurd.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das hat System!)

Ich bitte, sich die Fälle von Ablehnung einmal anzuschauen. Wenn man sich überlegt, welche Notwendigkeit wir haben, schnell und flexibel zu reagieren, dann kann einen das Agieren des BAMF wirklich nur verwundern. So wird nämlich die Bugwelle der Nachfrage von Tag zu Tag immer größer, und die Wartelisten werden immer länger. Wenn Kommunen und Land so unflexibel wie das BAMF wären, dann würde hier das blanke Chaos herrschen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Außerdem müssen die Flüchtlinge erst einen Antrag auf Asyl gestellt haben - was bekanntlich Monate oder gar bis zu einem Jahr oder noch länger dauert -, bevor sie überhaupt die Berechtigung erhalten, einen Integrationskurs zu besuchen. Auch hier wird keine schnelle Integration, sondern eine lange Wartezeit produziert. Wir haben heute in der Zeitung lesen können, dass der Rückstau bei der Asylantragstellung im Moment schon bei 70 000 Personen liegt. Aber gerade lange Wartezeiten bis zum ersten Sprach- und Integrationskurs sind für eine erfolgreiche Integration absolut kontraproduktiv.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ferner sind bei den BAMF-Kursen nur Flüchtlinge mit sogenannter Bleibeperspektive berücksichtigt. Eine Bleibeperspektive hat aus der Sicht des BAMF, wer aus einem Land stammt, das eine Anerkennungsquote von über 50 % aufweist. Jetzt frage ich Sie, um nur einmal ein Beispiel zu nennen: Was bedeutet das für Afghanen, für die die Anerkennungsquote nur 48 % beträgt?

(Filiz Polat [GRÜNE]: Pech gehabt!)

Sollen sie nicht integriert werden? Haben sie Pech gehabt, dass sie leider zur falschen Gruppe gehören? - Außerdem werden am Ende auch Menschen hier bleiben, die nicht als Asylberechtigte anerkannt sind. Das lehrt uns die Erfahrung aus vergangenen Flüchtlingszuzügen.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hillmer zu?

Aber selbstverständlich!

Herr Hillmer!

Vielen Dank, Frau Ministerin. Nachdem Sie jetzt drei Minuten lang eine Oppositionsrede gehalten und sich daran abgearbeitet haben, was andere angeblich alles verkehrt machen:

Stellen Sie bitte Ihre Frage!

Würden Sie uns vielleicht erklären, was die Landesregierung gedenkt, in der Frage der Integration jetzt endlich zu tun?

(Beifall bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Deshalb haben wir diese Aktuelle Stunde angesetzt!)

Das ist jetzt eine schöne Gelegenheit, die Redezeit dazu zu nutzen, noch einmal den umfänglichen Katalog der Maßnahmen zu nennen, die wir gerade auch im Sprachbereich umgesetzt haben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)