Protokoll der Sitzung vom 17.02.2016

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben innerhalb kürzester Zeit bis zum Ende dieses Quartals knapp 14 000 Menschen mit Sprachkursen erreicht.

(Jörg Hillmer [CDU]: Von 100 000!)

- Dann schauen Sie sich einmal die Zahlen des BAMF an, auf die Sie hier immer wieder rekurrieren!

Wir haben 1 500 Studierende im Rahmen ihres Bachelorpraktikums im Bereich DaZ qualifiziert. Wir werden zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer bzw. Lehramtsstudierende anderer Fachbereiche im Bereich DaZ weiterqualifizieren. Wir werden über 2 000 freiwillige Ehrenamtliche für den Bereich Basisvermittlung Sprachvermittlung Deutsch qualifizieren. Ich will das Ganze jetzt hier nicht weiter ausweiten. Sie können uns vieles vorwerfen, Herr Hillmer, aber garantiert nicht Unfähig- - - - Untätigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf: Ich glaube schon! - Jens Nacke [CDU]: Genau genommen kann man sogar beides vorwerfen: Untätigkeit wegen Unfähigkeit!)

Um auf die Frage zurückzukommen, wen das BAMF ausschließt. Faktisch sagt das BAMF: Wer nicht aus Eritrea, Syrien, Irak oder Iran kommt, der wird in den Flüchtlingsunterkünften sich selbst überlassen. - Ich finde, das ist verrückt und hat nichts mit kluger Integrationspolitik zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Kurzum: Wenn Sie, werte Kollegen von der CDU, in Ihrem Gesetzentwurf von integrationskursbegleitenden Angeboten des Landes sprechen, dann kann ich nur sagen: Wir wären ja froh, wenn wir begleitende Angebote machen könnten. Leider sind wir aber immer noch im Modus der ersetzenden Angebote.

Befremdlich ist auch der Begriff „Leitkultur“, der jetzt plötzlich in den CDU-Debatten wieder aufschlägt. Es gibt keine deutsche Leitkultur, sondern es gibt ein Grundgesetz, das eine liberale, tolerante und pluralistische Gesellschaft beschreibt, die weltoffen ist und längst zu einem Einwanderungsland geworden ist, dessen Wurzeln viele kulturelle Herkünfte kennt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Rich- tig!)

Wer nach Deutschland einwandert, der wandert in das Deutschland des Grundgesetzes ein. Das ist keine Frage; das muss auch vermittelt werden. Aber der Begriff „Leitkultur“ hilft da wirklich nicht weiter.

Fest steht: Gegen das Entstehen von Parallelgesellschaften helfen nur schnell einsetzende Integrationsmaßnahmen, die echte Teilhabechancen schaffen, sowie eine lückenlose Kette aufeinander abgestimmter Maßnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Wenn der Bund bzw. das BAMF hier nicht liefern kann, stellt sich, ehrlich gesagt, die Frage, ob es nicht klüger wäre, wenn das BAMF das Geld der Sprachförderung den Ländern gäbe und wir damit schnell und flexibel bedarfsgerechte Sprachkurse organisierten. Anders als das BAMF haben wir jedenfalls unter Beweis gestellt, dass wir das können.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Sie haben die Mittel im Nachtrags- haushalt doch gekürzt!)

- Wir haben überhaupt nichts gekürzt, sondern wir haben auf 10 Millionen Euro aufgestockt.

(Zuruf von der CDU: Machen Sie was!)

Ich würde mich daher freuen, wenn Sie im Rahmen des Bündnisses „Niedersachsen packt an!“ mit uns gemeinsam Druck gegen den Bund machen würden. Wo immer ich in den letzten Monaten Menschen in Sprachkursen getroffen habe,

habe ich Menschen getroffen, die trotz vermutlich schlimmster Traumatisierung in den letzten Monaten und Jahren förmlich darauf brennen, ihr Leben in Deutschland selbst in die Hand nehmen zu können.

(Zuruf von der CDU: Das muss Ihnen doch auch einmal ein Ansporn sein!)

Deshalb müssen als Erstes nicht die Flüchtlinge in die Pflicht genommen werden, sondern der Bund, der endlich ausreichende Angebote vorhalten muss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD Präsident Bernd Busemann: Frau Ministerin, einen Moment! Der Kollege Thiele möchte noch eine Zwischenfrage stellen. - Diese wird nicht zugelassen. Meine Damen und Herren, damit haben wir den Tagesordnungspunkt 2 b abgehandelt. Wir gehen über zu c) Verträge mit muslimischen Verbänden - handwerkliche und politische Fehler der Landesregierung - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/5157

Der Antrag wird von Herrn Dr. Stefan Birkner eingebracht. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verwirrung um die Verträge mit den muslimischen Verbänden beginnt - zumindest wird das in der Rückschau deutlich - bereits mit dem Koalitionsvertrag von Rot-Grün, der im Jahr 2013 abgeschlossen wurde. Darin heißt es, dass man einen Staatsvertrag abschließen wolle, obwohl Ihnen, Herr Ministerpräsident, eigentlich schon damals hätte klar sein müssen, dass es sich nicht wirklich um einen Staatsvertrag handelt, der zwingend der Zustimmung des Landtages bedarf.

Das ging dann weiter. Man hat lange Zeit nichts von Ihnen gehört. Von 2013 bis Ende 2014, also zunächst einmal zwei Jahre, hat man zumindest öffentlich nichts mehr über diese Verträge wahrgenommen, bis der Ministerpräsident in der Hannoverschen Allgemeinen in einem Interview wieder

von einem Staatsvertrag sprach und eigentlich sehr optimistisch ankündigte, dass man ihn im Januar 2015 unterzeichnen wolle, nachdem man ihn zwei Jahre verhandelt habe.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Dann tritt die zweite große Verwirrung zutage. Zumindest wird diese der Öffentlichkeit offenbar. Offensichtlich war das Ganze gar nicht mit den Fraktionen abgestimmt. Denn es entspann sich dann sehr schnell eine Diskussion über die Frage, ob und inwieweit ein Kopftuch im Unterricht in der Schule getragen werden darf. Die Kolleginnen Modder und Wernstedt haben sich dazu dann auch öffentlich geäußert. Somit wurde eines deutlich: Obwohl die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen mit am Kabinettstisch sitzen, sind diese Dinge dort offensichtlich nicht erörtert worden.

(Beifall bei der FDP)

Nur das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen dann mit der Entscheidung im Januar 2015 aus der größten Not geholfen. Wieder passierte lange Zeit nichts, bis die Vertragsentwürfe im Dezember 2015 öffentlich geworden sind. Man hat den Eindruck, auch das geschah eher ungesteuert. Gerade was die eigenen Reihen angeht, war es offensichtlich vorher nicht abgestimmt und kommuniziert; denn es ging wieder eine öffentliche Diskussion über die Frage der Gebetsräume los, in der sich insbesondere Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion geäußert haben.

Dazu kommt auch, dass Sie offensichtlich gegenüber dem Vertragspartner, den muslimischen Verbänden, den Eindruck erweckt haben, dass Sie diese Verträge mit den Fraktionen abgestimmt haben und eigentlich einer Verabschiedung - wie es dann auch öffentlich verlautbart wurde - vor Weihnachten 2015 aus deren Sicht nichts im Wege stünde. Auch hier haben Sie sie offensichtlich in dem Glauben gelassen, die Dinge seien klar, obwohl das nicht der Fall ist.

Man hat den Eindruck, dass Ihnen dann eigentlich erst richtig klar geworden ist, dass es sich keineswegs um einen Staatsvertrag im Sinne der Verfassung handelt, also nicht verfassungsrechtlich vorgesehen und vorgeschrieben ist, dass der Landtag zustimmen muss. Sie haben dann ebenso wie Frau Modder geäußert, dass eine größtmögliche Zustimmung im Landtag angestrebt wird, in dem Wissen, dass Sie in Ihren eigenen Reihen für das,

was Sie verhandelt haben, vermutlich keine ausreichende Mehrheit finden können.

(Beifall bei der FDP)

Dann findet ein Rückzug auf Raten statt. Nachdem es zunächst hieß, der Chef der Staatskanzlei kümmere sich darum, er verhandele, das sei Chefsache und der Ministerpräsident kümmere sich darum, stellt man fest, dass die Kultusministerin nun nach vorne geschickt wird, die erklären muss, was man bisher verhandelt hat, nachdem die öffentliche Diskussion sie schon längst politisch überholt hat. Der Ministerpräsident zieht sich somit zurück. Ich kann Ihnen aus politischer Erfahrung sagen: Das ist ein sicheres Indiz dafür, dass die politische Unterstützung bei Ihnen und die Überzeugung, dass richtig ist, was Ihre Regierung gemacht hat, nicht mehr so groß ist, dass Sie sich damit persönlich verbinden wollen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, alleine dieser kurze Blick auf die Historie, wie diese Vertragsverhandlungen von Ihnen bisher politisch, kommunikativ und technisch geführt worden sind, lässt tief auf das Verständnis und die Bedeutung dieses Themas für die Landesregierung blicken. Es zeigt, dass Sie die Dinge nicht wirklich durchdacht haben, dass Sie keine politischen Mehrheiten dafür organisieren und offensichtlich vor sich hin dilettieren.

Es gibt aber in diesem Kontext einige Punkte auch inhaltlicher Art, die ich ansprechen möchte und bei denen unklar ist, wohin Sie wollen.

Sie haben in Ihren Vertragsentwurf Selbstverständlichkeiten aufgenommen. Das ist nicht DITIB und SCHURA oder den Aleviten vorzuwerfen. Wenn etwa in Artikel 2 Abs. 1 steht „Das Land gewährt der Freiheit, den islamischen Glauben zu bekennen und auszuüben, den gesetzlichen Schutz“, dann ist das so völlig inakzeptabel. Denn nicht das Land gewährt etwas, nicht die Landesregierung, die sich als Land versteht, gewährt die religiösen Freiheiten, sondern die Grundrechte gewähren und schützen die Religionsgemeinschaften vor Ihnen, vor der Landesregierung. Das ist die Funktion.

Solche Dinge dürfen dort gar nicht erst fälschlicherweise aufgenommen werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das zeigt, dass Sie sich im Prinzip an einem Baukastensystem bedient haben. Sie haben ein biss

chen aus dem Loccumer Vertrag genommen und ein bisschen aus dem Konkordat genommen. Sie haben das Ganze zusammengemischt und meinen damit, im Jahr 2015 jetzt eine zeitgemäße Antwort gefunden zu haben.

(Zuruf von der CDU: Wir haben 2016!)

Das ist mitnichten der Fall.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben zahlreiche Fragen zu diesen Verträgen. Sie haben sie leider sehr, sehr schlecht vorbereitet. Wir halten eine öffentliche politische Diskussion für dringend geboten. Denn nur so gelingt es, dafür auch eine gesellschaftliche Unterstützung zu gewinnen. Wir werden die Antworten auf die Fragen, die wir dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst gestellt haben, abwarten und uns dann sehr intensiv inhaltlich damit auseinandersetzen. Aber so, wie Sie diese Dinge vorbereitet haben, steht das leider nicht unter einem guten Stern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Für die SPDFraktion hat nun Frau Kollegin Schröder-Köpf das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende 2015 kamen nach mehr als zwei Jahren die Gespräche der Landesregierung mit den islamischen Religionsgemeinschaften DITIB und SCHURA sowie der alevitischen Gemeinde über gemeinsame Verträge zu einem vorläufigen Abschluss. Die Vertragsentwürfe liegen Ihnen vor.