Protokoll der Sitzung vom 18.06.2013

(Lebhafter Beifall)

In diesen Dank schließe ich in aller Form und herzlich die Angehörigen der Bundeswehr ein. Die 1. Panzerdivision aus Hannover hat 1 400 Soldatinnen und Soldaten ins Wendland geschickt. Insgesamt waren es sogar mehr als 3 000 Soldatinnen und Soldaten, die bei uns in Niedersachsen eingesetzt worden sind. Mehr als 500 eingesetzte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte haben sichergestellt, dass Deiche nicht unbefugt betreten wurden, und haben auch ansonsten die öffentliche Sicherheit gewährleistet. Auch diesen Menschen danke ich in aller Herzlichkeit.

(Lebhafter Beifall)

Erwähnen sollten wir auch die internationale Hilfe, die uns entgegengebracht worden ist. Als die dringend benötigten Sandsäcke zur Neige gingen, haben unsere Nachbarn aus Dänemark, den Nie

derlanden, Belgien und Luxemburg in weniger als 24 Stunden unbürokratisch 1,3 Millionen Sandsäcke geliefert.

Ich spreche auch den Katastrophenschutzbehörden in den Landkreisen Lüneburg und LüchowDannenberg für ihre hervorragende Leistung meinen Dank und meine tiefe Anerkennung aus.

(Lebhafter Beifall)

Das Katastrophenmanagement hat optimal zusammengearbeitet. Die Katastrophenschutzstäbe vor Ort waren erkennbar sehr gut auf ihren Einsatz vorbereitet. Das Lagezentrum der Polizeidirektion Lüneburg und das Kompetenzzentrum Großschadenslagen im Innenministerium haben umfassend unterstützende Arbeit geleistet. Es ist gut zu sehen, dass der Katastrophenschutz in Niedersachsen auch für besondere Herausforderungen gut vorbereitet ist.

Lassen Sie mich abschließend auch ein besonderes Wort der Anerkennung für die Landräte Manfred Nahrstedt in Lüneburg und Jürgen Schulz in Lüchow-Dannenberg aussprechen. Beide haben richtigerweise früh den Katastrophenalarm ausgerufen und damit die Grundlage für die vorausschauenden und systematisch angelegten Schutzmaßnahmen der folgenden Tage gelegt. Sie sind damit ihrer Verantwortung gerecht geworden. Sie haben richtig gehandelt. Das wollen wir auch in Anwesenheit von Landrat Schulz hier heute in aller Form ausdrücklich hervorheben.

(Lebhafter Beifall)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, blickt man auf diese unterschiedlichen Einzelleistungen Tausender von Menschen in unterschiedlichen Bereichen zurück, so wird deutlich, warum wir hier tatsächlich von einer tief beeindruckenden Gesamtleistung sprechen können. Seien wir dankbar dafür, in einem Land zu leben, das diese Welle der Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit so mit fachkundiger Organisation und Vorbereitung verbinden kann! Niedersachsen hat sich in diesen Tagen, wie ich finde, von seiner allerbesten Seite gezeigt.

(Lebhafter Beifall)

Meine Damen und Herren, wenn wir sagen können, dass Niedersachsen trotz einiger Verletzter und einiger geschädigten Häuser mit einem blauen Auge davongekommen sei, zeigt dies auch den Erfolg der Anstrengungen, die für den Hochwasserschutz seit der Katastrophe des Jahres 2002

geleistet worden sind. Damals hat der Bund ein Hilfspaket für alle Elbebundesländer geschnürt, um die Deichsicherheit schnell wiederherzustellen. Im Rahmen dieses Paketes sind in Niedersachsen rund 160 Millionen Euro in den Hochwasserschutz investiert worden. Rund 140 km Deiche sind verstärkt worden.

Ein Symbol für diese vielfältigen Maßnahmen war in den letzten Tagen gewiss die Hochwasserschutzwand in Hitzacker, die zusammen mit anderen Maßnahmen die Altstadtinsel geschützt hat. Mich hat bei meinem Besuch im Krisengebiet in der letzten Woche beeindruckt, vor diesen erkennbar neuen Bauten zu stehen und zu wissen, dass sich unmittelbar dahinter gewaltige Wassermassen mit einer zerstörerischen Wirkung befinden. Der Hochwasserschutz war erfolgreich, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich dafür bei allen Verantwortlichen auf der Bundesebene, der Landesebene und der kommunalen Ebene sehr herzlich für diese Anstrengungen zu bedanken.

(Lebhafter Beifall)

Die Erfahrung mit dieser neuen Rekordflut, mit diesen vorher nicht denkbaren Höchstständen, mit diesem über Tage anhaltenden Dauerdruck auf den Deichen wird uns allerdings auch veranlassen müssen, die nun gemachten Erfahrungen sorgfältig auszuwerten. Die Deichverteidigung kann nur gelingen, wenn die Deiche hinreichend hoch sind und wenn sie sich überall in einem guten Gesamtzustand befinden. In diesem Lichte werden wir sorgfältig zu analysieren haben, ob dies überall in unserem Bundesland der Fall ist. Das gilt für die Elbe, sicher aber auch in anderen Landesteilen. Wasserwirtschaft und Naturschutz müssen gemeinsam ein integriertes Auenmanagement entwickeln.

Der Hochwasserschutz, meine sehr verehrten Damen und Herren - das ist die Lehre der letzten Tage -, muss ebenso wie in den vergangenen elf Jahren auch in der Zukunft unser ganz besonderes Augenmerk haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Niedersachsen ist alles in allem mit einem blauen Auge davongekommen. Aber natürlich gibt es auch bei uns von der Flut betroffene Menschen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Ich denke z. B. an die Menschen in Vietze in der Samtgemeinde Gartow, wo ein Deich unter der Last der

Flutwelle einbrach und 25 Häuser bis zu 1 m überflutet wurden, bevor die Bruchstelle geschlossen werden konnte.

Die Landesregierung hat in der vergangenen Woche die Bereitstellung von Soforthilfemitteln in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro für die von der Hochwasserkatastrophe in Niedersachsen betroffenen Menschen vorgeschlagen. Wir wollen eine schnelle und unbürokratische Hilfe leisten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Soforthilfe ist keine Schadenersatzleistung, sie ist auch keine Versicherungsleistung, aber sie soll den vom Hochwasser betroffenen Menschen helfen, schnell und ohne großen Aufwand ihre jeweilige persönliche Notlage zu überbrücken. Das soll über die Kommunen geschehen, damit Schäden im Haushalt, am Hausrat, an den Wohngebäuden und an den Betriebsvermögen sehr zügig beseitigt werden können.

Um die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dieser Soforthilfe schnell zu schaffen, hat die Landesregierung heute Vormittag mit dem Entwurf eines zweiten Nachtragshaushaltsplans für das Jahr 2013 einen Vorschlag unterbreitet. Wegen der besonderen Dringlichkeit werden wir noch am Freitag unter Verzicht auf die erste Lesung in einer außerordentlichen Sitzung des federführenden Ausschusses für Haushalt und Finanzen diesen Entwurf für einen Nachtragshaushaltsplan einbringen. Die abschließende Beratung im Landtag soll im Augustplenum erfolgen. Damit die erforderlichen Soforthilfen schnell und unbürokratisch dort ausgezahlt werden können, wo sie nötig sind, werden wir am 21. Juni im Haushalts- und Finanzausschuss auch um die Vorwegfreigabe bitten.

Ich setze dabei auf die breite Unterstützung aller im Landtag vertretenen Fraktionen. Die Menschen in Niedersachsen sind auf unsere schnelle Hilfe angewiesen. Ich möchte Sie deswegen schon heute - in der Sache, wie auch im Verfahren - herzlich um Ihre Unterstützung bitten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr schnell soll auch ein nationaler Fonds für die Aufbauhilfe vereinbart werden. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder und die Bundeskanzlerin haben das in der vergangenen Woche vereinbart. Nach den ersten Nothilfemaßnahmen muss den betroffenen Menschen bei dem

Wiederaufbau ihrer Existenz geholfen werden. Wir sind uns darin einig, dass wir die Opfer der Flut, aber auch die betroffenen Bundesländer beim Wiederaufbau ihrer Infrastruktur nicht im Stich lassen wollen.

Erfreulicherweise verzeichnen wir in Niedersachsen nicht die verheerenden Schäden, die insbesondere in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern eingetreten sind. Dennoch besteht gerade für uns in Niedersachsen durchaus eine besondere Veranlassung, solidarisch zu sein. Machen wir uns nichts vor: Die Dammbrüche mit ihren tiefgreifenden Folgen in Sachsen-Anhalt haben natürlich auch ein wenig den gewaltigen Druck gelindert, unter dem die niedersächsischen Deiche gestanden haben. Ich meine deswegen, dass es selbstverständlich ist, wenn auch wir Niedersachsen uns an einer solidarischen Unterstützung der besonders betroffenen Regionen Deutschlands beteiligen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der CDU)

Bis zu 8 Milliarden Euro sollen hierfür in den nächsten Jahren bereitgestellt werden; das ist eine gewaltige Anstrengung. Wir sind uns darüber einig, bei allem, was noch diskutiert werden muss: Diese Hilfeleistung wird nicht zur Disposition gestellt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diskussionsbedarf besteht jedoch sehr wohl über die Finanzierung dieses Aufbaufonds. Alle - ich wiederhole: alle - Bundesländer sind sich darin einig, dass eine Lösung dafür gefunden werden muss, dass die damit verbundenen zusätzlichen Lasten durch die Länder getragen werden können.

Nicht nur in Niedersachsen, in den allermeisten Bundesländern stehen die Haushalte unter einem erheblichen Druck. Das richtige Verbot der Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 und der gleichzeitig bestehende Druck, in die Zukunft, vor allem in die Bildung zu investieren, stellt die Bundesländer insgesamt vor eine große Herausforderung. Das ist eine Einschätzung, die wir in der vergangenen Woche ganz unabhängig von den jeweiligen Parteibüchern im Kreise der Ministerpräsidenten getroffen haben.

Lassen Sie mich dies für Niedersachsen konkretisieren: Vorgesehen sind - ich sagte es - Hilfeleistungen bis zu 8 Milliarden Euro. Vorgesehen ist, dass der Bund entsprechende Kredite aufnimmt,

die anschließend je zur Hälfte vom Bund und den Ländern finanziert werden sollen. Es geht demnach also um eine Finanzierung von etwa 4 Milliarden Euro durch die Bundesländer, davon etwa 10 % durch Niedersachsen, sodass die Belastung durch die Annuität in unserem Landeshaushalt mit mehr als 40 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen würde.

Es gibt immer mehr Stimmen, die davor warnen, die notwendige Solidarität mit den Flutopfern schlichtweg durch neue Schulden zu finanzieren. Es geht auch anders: Im Jahre 2002 haben sich der Bund und die Länder darauf verständigt, eine in Aussicht genommene Steuersenkung nicht zu realisieren, und obendrein die Körperschaftsteuer befristet erhöht. Ministerpräsident Reiner Haseloff, mein Kollege aus Sachsen-Anhalt, hat eine befristete Erhöhung des Solidaritätszuschlages für ein Jahr um 1 bis 1,5 Prozentpunkte vorgeschlagen. Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, hat eine befristete Erhöhung der Körperschaftsteuer vorgeschlagen.

Über diese und andere Vorschläge wird zu reden sein, wenn in diesen Tagen Bund und Länder die Gegenfinanzierung der Fluthilfe klären. Deswegen ist Finanzminister Peter-Jürgen Schneider heute auch verhindert, an unserer Landtagssitzung teilzunehmen. Es geht darum, bis zur Sommerpause nicht nur in der Sache Einvernehmen herbeizuführen, sondern auch das Gesetzgebungsverfahren noch durchzuführen. Niedersachsen wird sich an diesen Gesprächen sehr konstruktiv beteiligen.

Zugleich lege ich aber Wert darauf, dass den Sonntagsreden über die Schuldenbremse jetzt auch Taten folgen und wir die Bewältigung der Hochwasserschäden nicht den nächsten Generationen überantworten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dank für die Deichverteidigung ist das eine, die Unterstützung der Flutopfer das andere. Das kann es aber noch nicht gewesen sein, wenn es darum geht, diese neue Rekordflut zu analysieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir brauchen vor allem auch mehr Vorbeugung, mehr Anstrengungen zur Hochwasservermeidung. Immer neue Rekordfluten, immer neue Rekordschäden zwingen uns dazu, diesem Gesichtspunkt einen wesentlich stärken Stellenwert einzuräumen.

In den Beratungen der Bundesländer in der vergangenen Woche ist auf Anregung Niedersachsens eine länderübergreifende Auswertung des aktuellen Hochwassergeschehens vereinbart worden. Wir haben uns für eine abgestimmte Strategie zu einem nationalen Hochwasserschutzprogramm eingesetzt.

Die bestehenden, langfristigen Vorsorge- und Anpassungsstrategien auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene müssen auf Grundlage der jetzt gewonnenen Erkenntnisse fortgeschrieben werden. Denn - machen wir uns nichts vor - mit einer weiteren Klimaveränderung drohen auch weitere Fluten. Alle Vorschriften, die für Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes relevant sind, müssen überprüft werden. Es muss darauf geschaut werden, wie wir zu einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung kommen. Es muss uns nachdenklich stimmen, wenn wir hören, dass am Oberlauf der Elbe auch deswegen große Flutschäden zu verzeichnen sind, weil Maßnahmen zum Teil über Jahre hinweg nicht durchgesetzt werden konnten.

Mit der Novellierung des Landes-Raumordnungsprogramms im Jahre 2008 und dessen Fortschreibung im Jahre 2012 sind in Niedersachsen Erkenntnisse und Erfordernisse aus früheren Hochwasserereignissen in die räumliche Planung umgesetzt worden. Aber gibt es an dieser Stelle in der Bundesrepublik insgesamt noch Nachsteuerungsbedarf? Sind überall alle Möglichkeiten genutzt worden, Überschwemmungsgebiete vorzuhalten? Besteht grenzüberschreitend ein abgestimmtes Konzept z. B. mit unseren tschechischen Nachbarn, damit überall entlang der Elbe alles realisiert wird, was künftigen, womöglich noch schlimmeren Flutereignissen ihre Gewalt nehmen kann?

Niedersachsen wird seiner Verantwortung als Unterlieger der Elbe auch künftig Rechnung tragen. Wir setzen darauf, dass dies für alle Beteiligten längs der Elbe gleichermaßen gilt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende einer dramatischen Woche bleiben unterschiedliche Empfindungen zurück. Das Gefühl der tiefen Dankbarkeit all denjenigen gegenüber, die durch ihren Einsatz Schlimmeres verhütet haben.

Das Gefühl der Solidarität mit den Opfern der Flutkatastrophe, denen wir miteinander nach Kräften beistehen wollen. Und das Gefühl der Verantwortung, aus diesem wie auch aus den vorangegangenen Hochwassern die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und alles in unserer Macht Stehende zu veranlassen, künftigen Katastrophen vorzubeugen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)