Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 17/272 - vor. Unter Wahrung und Inanspruchnahme von § 70 Abs. 2 der Geschäftsordnung nimmt die FDP jetzt ihr Recht in Anspruch, zur Begründung dieses Antrages - und, ich denke, auch zur Sache insgesamt - zu sprechen. Herr Dr. Hocker hat sich gemeldet. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Dank gilt heute den vielen Tausend ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfern entlang der Elbe, den Männern und Frauen von der Bundeswehr, vom Technischen Hilfswerk, vom Deutschen Roten Kreuz, von den Feuerwehren aus Niedersachsen und anderen Bundesländern. Sie alle haben in den vergangenen Tagen und Wochen unermüdlich - fast schon bis zur Selbstaufgabe - Säcke befüllt und geschleppt, Fahrzeuge gelenkt, Hubschrauber geflogen, andere Helfer verpflegt und versorgt. Unser aller Dank gebührt ihnen und ihrem selbstlosen Einsatz, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie haben eine wunderbare Erste Hilfe für die betroffenen Menschen vor Ort geleistet. Ich finde ihr Engagement aber auch aus einem zweiten Grunde ganz besonders bemerkenswert. Es wird in Deutschland gerne davon gesprochen, dass wir in einer Ellenbogengesellschaft leben, dass jeder nur an sich selbst denkt, dass jeder sich selbst der nächste und der andere ihm egal ist.
Sie haben mit ihrem Einsatz vor Ort eindrucksvoll bewiesen, dass Deutschland eben nicht diese Ellenbogengesellschaft ist, von der so gerne gesprochen wird, sondern dass sich in Deutschland
sehr wohl jeder einzelne darauf verlassen kann, dass sich ihm, wenn er eine Notsituation nicht alleine überwinden kann, aus jeder Ecke viele Hände, die ihm helfen wollen, entgegenstrecken - egal, ob es Nachbarn sind, ob es Freunde sind, ob es Bekannte sind, ob es Kollegen sind oder ob es vielleicht Menschen sind, die er vorher noch gar nicht gekannt hat.
Diese Solidarität, diese Hilfsbereitschaft ist wunderbar gewesen. Es ist für mich ein gutes Gefühl, in dieser Gesellschaft, die auf Mitmenschlichkeit und Solidarität basiert, leben zu dürfen. Diese Erfahrungen haben mich mit sehr viel Dankbarkeit und Demut ausgefüllt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Der Ministerpräsident hat eben darauf hingewiesen, dass - abseits der vielen Milliarden Schäden, die das Hochwasser mit sich gebracht hat - wir in Niedersachsen glücklicherweise sozusagen mit einem blauen Auge davongekommen sind. Das ist auf die Helfer zurückzuführen. Es ist aber ganz bestimmt auch ein Ergebnis - das hat der Ministerpräsident eben bestätigt - der Bemühungen, die es in den letzten zehn Jahren im Bereich des Hochwasserschutzes gegeben hat. Allein in den letzten zehn Jahren sind vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir nach dem Elbhochwasser 2002 haben ziehen können, über 160 Millionen Euro allein entlang der Elbe investiert worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist richtig gewesen, es war aber nicht immer selbstverständlich. Wir möchten mit unserem Antrag, den ich gleich noch ausführlich begründen werde, darauf hinwirken, dass die Prioritäten beim Hochwasserschutz auch in Zukunft so wie bislang gesetzt werden.
Denn es war ja alles andere als selbstverständlich, dass die Mittel immer so eingesetzt werden würden, wie das in den letzten zehn Jahren tatsächlich der Fall gewesen ist. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Kritik, an die Anfeindungen, ja, auch an die Polemik, die Sie damals über Hans-Heinrich Sander ausgeschüttet haben,
als er, mit seiner Motorsäge bewaffnet, auf einem Deich entlang der Elbe gestanden hat und sich symbolisch durch das Fällen von Weiden und Pappeln daran beteiligt hat, dass Hochwasser
schutz gelebt wird und dass das Interesse der Menschen, dass die Schutzbedürftigkeit des Menschen Priorität vor Naturschutz und Umweltschutz gewinnt.
Wie haben Sie von der damaligen Opposition geschäumt! Ich habe mir das herausgesucht. Christian Meyer, damals landwirtschaftspolitischer Sprecher, hat von einem Tobsuchtsanfall gegen den Naturschutz gesprochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die einzigen Tobsuchtsanfälle, die es damals gegeben hat, waren Tobsuchtsanfälle bei Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, weil sie es einfach nicht hinnehmen wollten, dass der damalige Umweltminister diese Chuzpe hatte und sich über Regelungen hinwegsetzte und für die Menschen wirkte.
Das war richtig, das war gut, und das ist das Symbol des Hochwasserschutzes, wie wir ihn gelebt haben. Und so war es richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Aber ich rufe Ihnen gerne Ihre Tobsuchtsanfälle noch einmal in Erinnerung, z. B. den von Wolfgang Jüttner am 27. April 2007, hier an diesem Pult, hier in diesem Hohen Hause. Ich darf das zitieren:
„Dieses persönliche Handanlegen in der Elbtalaue, dieses Kettensägenmassaker, wie es inzwischen in die Literatur eingegangen ist: Was kann es Peinlicheres geben?“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es der SPD wirklich peinlich gewesen ist, dass eine Landesregierung Pragmatismus über Paragrafenreiterei stellt - das hätten Sie damals anders gemacht -,
wenn es der SPD peinlich gewesen ist, dass ein Landesminister seinen Auftrag, ja, sogar seinen Amtseid, Schaden von den Menschen in Niedersachsen abzuwenden, auch wörtlich nimmt, und wenn es der SPD peinlich ist, dass ein Minister Eigentum, Leib und Leben von Menschen rettet, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann ist das unerhört und kaltschnäuzig. Ich schlage vor,
Ich erinnere an den Tobsuchtsanfall des heutigen Umweltministers Stefan Wenzel, auch am 27. April 2007, auch in diesem Hohen Hause; da war richtig Leben in der Bude. Meine Damen und Herren, das Zitat: Dieser Mann beleidigt Naturschützer und trampelt auf ihren Gefühlen herum. - Herr Minister Wenzel, ich wünsche Ihnen persönlich nur das Allerbeste - das wissen Sie -, aber nehmen Sie eine Empfehlung von mir ernst: Dieses Zitat sollten Sie bitte nicht den Journalisten der Elbe-JeetzelZeitung oder der Lüneburger Landeszeitung in ihre Notizblöcke diktieren. Der nächste Besuch von Ihnen in Lüchow-Dannenberg an der Elbe wird - aus anderen Gründen - zweifellos schon schwierig genug. Machen Sie es für sich selbst nicht noch zusätzlich schlimm, wenn Sie weiterhin zu diesen Behauptungen von damals stehen.
Wir können wirklich froh sein, dass die Landesregierung bis zum 20. Januar 2013 ihre Prioritäten so gesetzt hat: Im Zweifel geht der Menschenschutz dem Umweltschutz vor. Im Zweifel geht der Menschenschutz dem Naturschutz vor. Im Zweifel steht der Menschenschutz über dem Schutz von Pappeln und von Weiden. Das sind wir den Menschen in Niedersachsen schuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich finde es erstaunlich, wie es den Grünen immer wieder gelingt - zuletzt dem Minister Wenzel -, auf komplexe, ja, auf komplexeste Fragen einfache und simple Antworten zu geben. Am 4. Juni dieses Jahres hat es eine Pressekonferenz durch den Umweltminister gegeben. Gefragt nach der Ursache für diese Hochwasserereignisse entlang der Elbe entgegnete er sozusagen aus dem Handgelenk heraus: Das ist wahrscheinlich das Ergebnis des Klimawandels.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Minister, Sie sind nicht mehr Oppositionsführer der Grünen in diesem Haus, sondern Sie sind Minister. Sie tragen Verantwortung. Lassen Sie sich deswegen nicht zu so leichtfertigen Äußerungen hinreißen. Kein Wort ist damals über die Starkregenereignisse im Einzugsgebiet der Elbe gefallen, die dazu geführt haben, weil sie auf einen gesättigten Boden gefallen sind, dass das Wasser nicht versickern konnte. Kein einziges Wort ist über die un
glücklicherweise auch zeitlich zusammentreffenden Hochwasserscheitel von Elbe von Saale gefallen. All das lassen Sie einfach außen vor. Stattdessen schablonenartige Erklärungen.
Bevor Sie mit der Ursachenfindung so schnell sind, strengen Sie doch - wie es der Ministerpräsident eben dankenswerterweise angekündigt hat - eine Analyse an, sammeln Sie die Fakten und bilden Sie sich dann eine Meinung, Herr Wenzel!
Aber wer gerade ein millionenschweres Klimaprogramm auflegt, dem kommt diese Erklärung wahrscheinlich gerade recht.
Verehrter Herr Ministerpräsident Weil, verehrter Herr Minister Wenzel, auch Sie können - darauf hat der Ministerpräsident eben hingewiesen - jeden Euro nur ein einziges Mal ausgeben. Auch Sie werden ab dem Jahre 2020 ohne neue Schulden auskommen müssen.
Genau aus diesem Grunde präsentieren wir diesen Antrag heute in dieser Plenarsitzung; denn wir möchten, dass Sie die Prioritäten so setzen, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Geben Sie sich bitte nicht grünen Phantastereien hin, wie man Hochwasserereignisse wie das vergangene handhaben kann. Verehrter Herr Ministerpräsident, sorgen Sie bitte dafür, dass zusätzliche Mittel für den Hochwasserschutz bereitgestellt werden! Sorgen Sie dafür, dass auch in Zukunft die Kommunen bei der Planung und Finanzierung ihrer Hochwasserschutzmaßnahmen vor Ort unterstützt werden! Das sind die Erkenntnisse, das sind die Erfahrungen aus den vergangenen Wochen. Daran führt für uns kein Weg vorbei, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Sie haben eben die Frage gestellt, woher die Mittel stammen sollen. Das alles ist vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage nicht so einfach. Darauf gebe ich Ihnen eine recht einfache Antwort: Herr Ministerpräsident, konzentrieren Sie sich auf das wirklich Wichtige, nämlich auf den Schutz der Menschen hinter den Deichen. Verschleudern Sie und Ihr Umweltminister nicht Millionen und Abermillionen für aufwendige Klimaschutzprogramme, die das nächste Hochwasser entlang der Elbe nicht einen einzigen Millimeter tiefer ausfallen lassen würden
als das vergangene Hochwasser. Das Klima, Herr Ministerpräsident, wird nicht in Niedersachsen gerettet werden, aber Sie können die Menschen in Niedersachsen vor dem nächsten Hochwasser retten.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Detlef Tanke [SPD]: Soll es mit Mö- venpick-Eis kühler werden?)
Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Meine Damen und Herren, wir treten jetzt, wenn Sie so wollen, offiziell in die Aussprache zur Regierungserklärung ein.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die Abgeordneten des Landtages hier am 30. Mai auseinandergingen, waren bereits Hunderte von Helfern im Einsatz gegen drohende Überschwemmungen an zahlreichen Binnenflüssen in der Mitte und im Süden Niedersachsens. Damals, vor knapp drei Wochen, waren vor allem die Leine, die Aller, die Oker und die Innerste betroffen. Die Namen dieser Flüsse, meine sehr geehrten Damen und Herren, habe ich vorhin in der Rede des Ministerpräsidenten vermisst.