Protokoll der Sitzung vom 19.02.2016

(Lachen bei der SPD)

Jetzt geht es darum, das als notwendig Erkannte um- und durchzusetzen: Unterstützen Sie das Asylpaket II, und stimmen Sie im Bundesrat für die sicheren Herkunftsstaaten!

(Petra Tiemann [SPD]: Sie lacht selber!)

Sagen Sie Ja zur Einführung eines an das Flughafenverfahren angelehnten beschleunigten Asylverfahrens für Asylsuchende mit geringer Aussicht auf Anerkennung!

Sagen Sie Ja zur Verschärfung der Residenzpflicht in den besonderen Aufnahmeeinrichtungen!

Sagen Sie Ja zum Wegfall des Leistungsanspruchs und Ruhenlassen des Asylantrags bei Verstößen gegen die Residenzpflicht!

Sagen Sie Ja zur Aussetzung des Familiennachzuges für Antragsteller mit subsidiärem Schutz für einen Zeitraum von zwei Jahren!

Sagen Sie Ja zur Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten!

Sagen Sie Ja zur Bekämpfung von Verzögerungen bei Abschiebungen durch Präzisierung und Klarstellung gesetzlicher Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich hier und heute vor den Abgeordneten persönlich erklären. Sie haben die Richtlinienkompetenz. Deshalb wäre es mehr als peinlich, wenn Sie jetzt wieder den Innenminister oder die Sozialministerin vorschickten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Jahns, Herr Kollege Onay möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie sie zu?

Okay. Dann setzen Sie fort.

Ziehen Sie sich nicht wieder aus der Verantwortung! Seien Sie ein verlässlicher Partner - nicht nur für Ihre Kollegen auf Bundesebene, sondern auch

für die Bürgerinnen und Bürger hier in Niedersachsen!

Unterstützen Sie die vielen Ehrenamtlichen, die auf die Umsetzung der neuen Regelungen der Asylpakete I und II und damit auf Entlastung hoffen, die langsam an psychische und physische Grenzen gelangen!

Unterstützen Sie das Asylpaket im Bundesrat! Zeigen Sie nicht immer mit dem Finger auf den Bund! Oft zeigen dann drei Finger zurück. Lassen Sie nicht noch einmal zu, dass Baden-Württemberg zum Retter der Beschlussfassung in Berlin wird und Niedersachsen nur am Rande des Spielfelds auf Auswechselung wartet!

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Jahns. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Filiz Polat das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Jahns, die Scheindebatten werden auf Bundesebene geführt. Verabschiedungskultur, nationale Abschiebepläne, Obergrenzen und Transitzonen: Das sind die Antworten Ihrer Kollegen von der Union im Bund und vor allem der CSU, die einen neuen Koalitionspartner eher in Form von Herrn Orbán oder in Form von Herrn Putin sucht, meine Damen und Herren. Das ist die Realität, die wir im Moment erleben. Das ist der Wahnsinn der Bundesregierung vor allem auf der rechten Seite in diesem Haus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im November 2015 gab es einen Beschluss der Parteivorsitzenden von CSU, CDU und SPD. Danach ging das Hickhack auf Bundesebene los. Man wollte nichts mehr von Transitzonen wissen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Sie wollten nichts davon wissen!)

Man wollte nichts mehr vom Familiennachzug wissen. Es begann ein Showkampf zwischen den Parteivorsitzenden. Letztendlich liegt ein unveränderter Gesetzentwurf vor, der - das müssen Sie auch noch einmal deutlich begründen, Frau Jahns - den Familiennachzug einschränkt und

damit auch Artikel 6 des Grundgesetzes wirklich infrage stellt, meine Damen und Herren.

Das Asylpaket II enthält verschiedene Punkte, auf die Sie nur ganz kurz eingegangen sind. Beispielsweise wird - ich sprach es an - der Familiennachzug für subsidiär Geschützte für zwei Jahre ausgesetzt. Alle wissen, dass der Familiennachzug damit faktisch nicht für zwei Jahre, sondern für vier oder fünf Jahre ausgesetzt wird; denn allein das Verfahren in den Botschaften dauert mindestens ein Jahr, und dann dauert es noch einmal ein Jahr, bis die Menschen einreisen können, meine Damen und Herren. Diese Regelung ist im Übrigen nicht nur rechtswidrig, sondern auch zutiefst unmoralisch.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Hill- mer [CDU]: Ihr Koalitionspartner sieht das anders!)

Eine Härtefallregelung für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die, wie man gehört hat, da mit reingerutscht sind, findet sich im aktuellen Gesetzentwurf nicht wieder. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Jedes Kind hat doch das Recht auf seine Eltern. Jedes Kind ist ein Härtefall.

(Beifall bei den GRÜNEN - Editha Lorberg [CDU]: Dann dürfen die Eltern ihre Kinder nicht alleine losschicken! Was ist das denn für eine Argumenta- tion?)

Das scheint der Schutz der Familie nach der christdemokratischen Lehre zu sein. Das ist zynisch. Das sollten Sie auch noch einmal infrage stellen, meine Damen und Herren.

(Editha Lorberg [CDU]: Das ist gar nicht wahr, Frau Polat!)

- Frau Lorberg, Sie sollten mich nicht hier die ganze Zeit mit Zwischenrufen belästigen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Belästigen?)

Ich möchte Sie nur einmal daran erinnern, Frau Ross-Luttmann: Wir sind mit unserer Kritik nicht allein. Wenn Sie sich die Mühe gemacht haben, trotz des beschleunigten Eilverfahrens - - -

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Liebe Frau Kollegin, Zwischenrufe sind die Würze hier im Parlament!)

Im Bundestag gibt es eine Vielzahl von Stellungnahmen der Verbände, die sich zum Gesetzentwurf geäußert haben, und zwar unisono in allen

Punkten kritisch. Ich möchte einmal einige nennen, nämlich Diakonie Deutschland, Deutscher Caritasverband, Jesuiten-Flüchtlingsdienst, Amnesty International, Deutsches Institut für Menschenrechte, AWO Bundesverband, der Paritätische Gesamtverband, Deutscher Anwaltverein - hinzu kommen noch 218 Rechtsanwälte, die sich sehr kritisch aus rechtsstaatlicher Sicht mit den Vorschlägen auseinandersetzen -, Neue Richtervereinigung, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Bundespsychotherapeutenkammer, Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, PRO ASYL, medico international und Ärzte der Welt. Hier schließe ich einmal.

Lesen Sie mir eine einzige Stellungnahme vor, die diesen Gesetzentwurf positiv sieht!

(Jörg Hillmer [CDU]: Fragen Sie doch einmal bei der SPD!)

Und dann möchte ich wissen, wie Sie sich mit den Punkten im Detail auseinandersetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Jahns, Sie wischen das so einfach weg. Wir haben gemeinsam für die Aufweichung der Residenzpflicht gekämpft. Jetzt soll eine Residenzpflicht eingeführt werden. Ein Verstoß gilt bisher als Ordnungswidrigkeit. Jetzt wird mit einem zweimaligen Verstoß gegen die Residenzpflicht das Grundrecht auf Asyl verwirkt - ein Grundrecht, das in der Verfassung verankert ist. Das ist doch zutiefst fragwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Polat, wenn Sie kurz innehalten: Herr Kollege Dürr möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Nein, danke.

Dann setzen Sie fort!

(Jens Nacke [CDU]: Machen Sie doch einmal eigene Vorschläge, Frau Polat!)

Herr Nacke, das Einzige, was zur Beschleunigung von Asylverfahren wirklich hilft - das habe ich mehrfach betont -, ist nicht die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten - Herr Minister Jäger hat heute Morgen im Bundestag auf die Nachfrage von Volker Beck noch einmal zustimmend betont, dass die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten nicht zur Beschleunigung der Asylverfahren führt -, sondern einfach mehr Asylentscheider, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jörg Hill- mer [CDU]: Sie ziehen hier doch keine Konsequenzen daraus! - Jens Nacke [CDU]: Ihrem Innenminister wird ge- rade schlecht! Sehen Sie das?)