Je mehr aber die SPD in Umfragen schwächelte, und je kritischer der Kurs der Kanzlerin in der Öffentlichkeit debattiert wurde, umso deutlicher formulierten auch Sie Ihre öffentliche Kritik. Im November und Dezember forderten Sie von der Bundeskanzlerin die Vorlage eines „Plan B“ in der Flüchtlingskrise.
Von Journalisten auf konkrete Vorschläge angesprochen, nannten Sie genau jene Maßnahmen, die die Bundesregierung längst in praktische Politik
umsetzt: Sicherung der EU-Außengrenze, Einrichtung von Hotspots, Bekämpfung der Fluchtursachen. - Dieses Plagiieren, Herr Weil, war wenig kreativ.
In einem Interview der Welt vom 15. Januar 2016 forderten Sie Angela Merkel zum Kurswechsel auf, als Sie sagten: „Die Bundeskanzlerin wird sich im Laufe des Jahres korrigieren müssen.“ Sie selbst erklärten für sich und die Politik in Niedersachsen jedoch, dass Sie es nicht mehr schaffen könnten. Das kam schon einer Kapitulationserklärung gleich.
Meine Damen und Herren, so viel Kleinmut von einem regierenden Sozialdemokraten und einem grünen Koalitionspartner, der dazu beharrlich schweigt - das war schon bemerkenswert peinlich. Inzwischen schwenken Sie wieder auf den Kurs der Kanzlerin ein, wie am Wochenende auf dpa zu lesen war.
Herr Weil, Ihre Haltung in der gesamten Flüchtlings- und Asyldebatte war und ist blanker Opportunismus. Und so reihte sich auch die heutige Regierungserklärung nahtlos in eine Reihe von früheren Regierungserklärungen ein: keine klaren Aussagen, nur schwammige Formulierungen!
Das, Herr Weil, wurde auch in Ihren Worten zu den Verträgen mit den Muslimverbänden deutlich. Sie haben gesagt, es gebe einen endverhandelten Vertrag. Aber den gibt es nicht. Es gibt keinen endverhandelten Vertrag, sondern es gibt einen Entwurf, den Ihre Landesregierung diesem Parlament jetzt irgendwie überstellt hat. Und dieses Parlament nimmt sich jetzt die Freiheit, diesen Vertrag erst einmal auf eine vernünftige rechtliche Grundlage zu stellen. Weil die Landesregierung genau dazu nicht in der Lage war, liefern wir gerne zu und hoffen, dass wir uns dann darüber angeregt unterhalten können.
Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen ernst damit ist, dass Sie eine breite Mehrheit für diesen Vertrag wollen, sollten Sie von Ihrem hohen Ross heruntersteigen. Ansonsten wird es nämlich schwierig; das kann ich Ihnen jetzt schon ankündigen. Ihnen geht es im Kern darum, politisches Kapital daraus zu schlagen - uns hingegen geht es darum, die Muslime tatsächlich in diese Gesellschaft zu integrieren. Das, meine Damen und Herren, ist ein kleiner Unterschied.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Wir nehmen Sie beim Wort! Wir haben ein gutes Ge- dächtnis, da bin ich gespannt!)
Meine Damen und Herren, wir als CDULandtagsfraktion werden weiterhin mit parlamentarischen Initiativen unsere Vorstellungen und Konzepte einer gelingenden Integrationspolitik in diesem Parlament darlegen. Und da wird es auf Dauer auch nicht ausreichen, wenn Sie mit Ihren Einstimmenmehrheiten in den Ausschüssen und hier im Parlament versuchen, eine Debatte darüber abzuwürgen.
Ich sage es zum vierten Mal und damit endgültig zum letzten Mal: Wenn Sie bereit sind, mit uns darüber zu reden, sind wir es auch. Allerdings kann ich Ihnen dazu sagen: Wir müssen schon gemeinsam einen vernünftigen Weg finden. Wir sind dazu bereit. Wenn Sie es wollen, tun wir es gerne, aber Ihre Bereitschaft war bisher nicht zu erkennen. Dementsprechend habe ich das Angebot noch einmal wiederholt.
Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Für die SPDFraktion hat nun Frau Fraktionsvorsitzende Modder das Wort. Bitte!
Herr Thümler, Sie haben ganz am Schluss gesagt, Sie seien zur Zusammenarbeit bereit. Ich nehme das gerne auf. Aber mit Ihrer Rede haben Sie genau den gegenteiligen Eindruck vermittelt.
Meine Damen und Herren, ich will mich zunächst einmal bei unserem Ministerpräsidenten ganz herzlich für die Regierungserklärung bedanken. Sie hat sehr deutlich unterstrichen, dass jetzt die Zeit gekommen ist, die Integration der Flüchtlinge in den Mittelpunkt unserer Politik zu rücken und miteinander darüber zu reden, wie die Integration gelingt. Ich würde fast sogar so weit gehen zu sagen: Lassen Sie uns das Jahr 2016 zum Jahr der Integration machen!
Die vielen Flüchtlinge, die sich auf ihren langen, beschwerlichen und oftmals auch gefährlichen Weg gemacht haben, werden in der großen Mehrzahl entweder längere Zeit bei uns bleiben oder sogar für immer hier eine zweite Heimat suchen - und ich sage ausdrücklich: und hoffentlich auch finden.
Bislang hat unser Land richtigerweise sehr viel Kraft und Energie dafür aufgewendet, dem Zustrom der Flüchtlinge zunächst dadurch gerecht zu werden, dass alle menschenwürdig untergebracht und versorgt werden. Dass dies im Großen und Ganzen auch gelingen konnte, haben wir einem gut funktionierenden Verwaltungsapparat, vor allem aber auch den vielen Hilfsorganisationen und Verbänden und, nicht zu vergessen, den vielen, vielen Ehrenamtlichen in unserem Land zu verdanken.
Ich stelle deshalb fest: Wir haben einen starken Staat, und wir haben eine starke funktionierende Zivilgesellschaft. Unser Dank gilt all denen, die sich Tag für Tag für unser Zusammenleben, für unsere Gesellschaft und damit für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft einbringen. Wir können sehr dankbar und stolz darauf sein, in einem Land leben zu dürfen, in dem das so ist, meine Damen und Herren.
Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, welche Rolle Europa in dieser Frage zukommt. Der gestrige EU-Gipfel hat aus meiner Sicht aber nichts entschieden, sondern auf die nächste Woche vertagt. Wir wünschen viel Erfolg, keine Frage. Die angeblich überraschenden Vorschläge und Forderungen des türkischen Ministerpräsidenten haben wohl die gesamte Gipfelplanung durcheinandergebracht. Aber war es wirklich so überraschend, dass die Türkei, nachdem sie einen ganz entscheidenden Part in der Flüchtlingspolitik übernommen hat, dann auch Forderungen stellt?
Herr Thümler, ich möchte auf Ihre Rede zurückkommen und Ihnen empfehlen, die Schlagzeilen zu diesem Gipfel zu lesen: Merkel gescheitert - Merkel ohne Zuspruch - Merkel ganz allein.
(Björn Thümler [CDU]: Sie müssen den ganzen Text lesen! - Christian Grascha [FDP]: Wenn Merkel schei- tert, scheitert auch die SPD!)
Ich kann meine persönliche Enttäuschung gar nicht in Worte fassen, und ich denke, vielen von Ihnen geht es ähnlich.
Einen Moment, bitte, Frau Modder! - Herr Kollege Hilbers! Ich möchte noch einmal um Aufmerksamkeit bitten.
Ich kann meine persönliche Enttäuschung gar nicht in Worte fassen, und ich denke, vielen von Ihnen geht es ähnlich, wenn Sie ehrlich sind. Wir sind überzeugte Europäer und stehen für Weltoffenheit und Vielfalt, für ein starkes Europa, aber vor allen Dingen für ein soziales Europa. Und was müssen wir erleben? - Das gemeinsame Ziel „Europa“ scheint nicht mehr das Ziel aller zu sein.
Ich kann nur dringend an Sie, an die Union, appellieren, endlich einmal Ihren Kurs festzulegen. Stehen Sie jetzt hinter Merkel, oder nicht?
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Wo steht denn eigentlich die SPD?)
Wie lange wollen Sie es sich noch gefallen lassen, dass aus München immer wieder Störfeuer kommen? Dazu haben Sie, Herr Thümler, leider kein Wort gesagt.
Gipfel wie der gestrige kommen mir manchmal so vor wie ein Basar. Man verhandelt nach dem Motto „keine Leistung ohne Gegenleistung.“ Aber dabei wird völlig vergessen, dass es um Menschen und ihre Schicksale geht, um Männer, Frauen und Kinder. Sie alle kennen diese Bilder.
Ich kann mich noch sehr genau an die letzte Rede unseres Altkanzlers Helmut Schmidt auf unserem Parteitag 2011 in Berlin erinnern. Er hat begeistert von Europa und von der Rolle Deutschlands gesprochen. Er hat uns gemahnt, dieser Rolle gerecht zu werden, für ein starkes Europa zu kämpfen und einzustehen, aber als Deutsche auch nicht überheblich aufzutreten. - Aber genau das ist passiert, besonders in der Griechenland-Krise.
Das wird nicht einfach, auch nicht für Frau Merkel. Es ist richtig, an Europa festzuhalten, an der europäischen Idee, an dem starken europäischen Markt, aber vor allem an dem, was wir erreicht haben: an Frieden und Wohlstand; denn das ist keine Selbstverständlichkeit.
Das wird nur gehen, wenn wir gemeinsam für ein starkes vereintes Europa eintreten. Europa ist mehr und sollte mehr sein als Handels- und Finanzbeziehungen. Jetzt, in der Flüchtlingsfrage, muss Europa sich bewähren. Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und mit den Grenzschließungen Länder wie Griechenland oder Italien alleine lassen. Und dafür brauchen wir auch die Türkei, auch wenn es manchem schwerfällt. Wir alle kennen die Bilder von der Grenze zu Mazedonien. Auch da wird Unglaubliches seitens der Türkei geleistet.