Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

(Heiterkeit - Jörg Bode [FDP]: Dafür ist der Präsident zuständig!)

Aber da ich jetzt das Wort habe, kann Sie gleich fragen, Herr Watermann, ob Sie eine Zwischenfrage von Frau Jahns zulassen wollen.

Nein, heute lasse ich bei diesem Thema keine Zwischenfragen zu.

Dann setzen Sie fort. Bitte!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich mit dem Antrag auseinandersetzt, kann man die Zielrichtung deutlich erkennen. Der Antrag hat drei Teile.

Der erste Teil setzt sich mit dem sogenannten Asylpaket I auseinander. Das haben wir hier auch schon einmal beraten und festgestellt, dass wir nicht in jeder Hinsicht einer Meinung sind. Da gibt es auch eine unterschiedliche Bewertung zwischen den Koalitionspartnern, wie man das am Ende gewichtet. Das haben wir ausdiskutiert, und wir haben im Landtag erklärt - sogar in einer Sondersitzung des Innenausschusses -, wo wir dort stehen.

Solche Pakete, die auf Bundesebene in einer Koalition geschnürt worden sind, sind nun einmal ein Kompromiss. Dabei bewegt man sich aufeinander zu. In den Ländern sind die Konstellationen andere. Deshalb ist hier eine unterschiedliche Bewertung auch angebracht.

Beim Asylpaket II ist es relativ einfach. Da wird etwas in ein Paket gepackt, was in der Bundestagsfraktion noch nicht zu Ende diskutiert worden ist. Es geht um die Situation in den sicheren Herkunftsländer Marokko, Algerien und Tunesien. Das ist in der Bundestagsfraktion noch sehr umstritten.

Dem Asylpaket II hat Niedersachsen nicht widersprochen. Wir haben nicht den Vermittlungsausschuss angerufen, und damit ist klar, dass wir dort keinen Einspruch eingelegt haben.

Zum Asylpaket II möchte ich aber wenigstens darauf hinweisen, dass ihm nicht nur einzelne Abgeordnete der SPD nicht zugestimmt haben, sondern das auch zumindest ein niedersächsischer Abgeordneter der CDU nicht zugestimmt hat. Das muss man auch erwähnen, wenn man es schon so genau nimmt.

Der dritte Teil dieses Entschließungsantrags - der gar nicht die Wertigkeit hat, dass er im Ausschuss beraten worden wäre - setzt sich aus Teilen beider Pakete zusammen und befasst sich auch noch mit anderen Punkten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Antrag ist ein schnell zusammengeschriebenes Sammelsurium und ist eigentlich nur dazu gedacht, die hiesige Koalition zu spalten. Und so etwas hat die Union im Ausschuss zur Abstimmung gestellt!

Ich will deutlich sagen: In diesem Antrag findet sich nichts Substanzielles. Dieser Antrag ist in keinster Weise darauf angelegt, die Zukunft zu gestalten. Das, was der Antragsteller wollte, nämlich eine Diskussion anzustoßen, ist passiert. Aber eine ernsthafte Auseinandersetzung muss man darüber nicht führen. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kohlenberg weist mich gerade darauf hin, dass Frau Jahns die K-Karte gezeigt hat. Frau Jahns, Sie haben das Wort für eine Kurzintervention. 90 Sekunden. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Watermann, ich möchte die Gelegenheit nutzen, Licht in das Dunkle des Verfahrens zu bringen, also zu erklären, warum wir im Ausschuss die sofortige Abstimmung gefordert haben, ohne noch weitere Beratungstage einzulegen.

Der Kollege Oetjen hat gerade daran erinnert, dass man anderthalb Jahre gebraucht hatte, um den Antrag zur Gesundheitskarte zu verabschieden. So etwas wollten wir bei unserem Antrag nicht auch erleben. Deswegen haben wir gesagt: „Die Entscheidungen auf Bundesebene sind gefallen, es gibt vieles, was man umsetzen kann. SPD und Grüne in Niedersachsen haben den klaren Auftrag, die Dinge umzusetzen.“

Im Plenum haben wir nicht die sofortige Abstimmung beantragt, aber anschließend im Innenausschuss. Ich denke, das war gut so. Heute können wir darüber sprechen. Sie haben von der Bundesebene einen klaren Auftrag mitbekommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Watermann möchte erwidern, ebenfalls im Rahmen von bis zu 90 Sekunden. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, Ihr Antrag enthält aber zumindest einen Punkt, bei dem ich gedacht hätte, dass Sie die Landesregierung bitten, ihre Konzeption vorzustellen. Dazu hatten Sie nämlich auch schon einmal einen eigenen Antrag vorgelegt - den Sie auch zurückgezogen haben. Es geht um das Thema Residenzpflicht und Wohnsitzauflage. Selbst das war Ihnen nicht wichtig genug, um sich das einmal genauer anzugucken.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

Deswegen sage ich Ihnen: Sie entlarven sich mit der der Art und Weise, wie Sie dieses Thema bearbeiten, selbst.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat jetzt Herr Innenminister Pistorius. Bitte schön!

(Jens Nacke [CDU]: Herr Watermann, Ihre Reden sind immer weniger zu gebrauchen! Ich muss das einmal sa- gen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Jens Nacke [CDU]: Das ist inhaltlich überhaupt nichts! Da ist nichts mehr drin! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Auf Ihre Reden können wir auch verzichten!)

Herr Kollege Nacke, bitte! Nun ist es gut. Sie haben Ihren Zwischenruf gemacht, aber jetzt hören Sie bitte auf! Beleidigend sollten Sie nicht werden. Das war eben hart an der Grenze.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Was war denn daran beleidigend?)

- Na ja, wenn man Kollegen vorwirft, „da ist nichts mehr“, und „es wird immer schlimmer“ - - -

(Jens Nacke [CDU]: Doch! Da ist nichts drin gewesen! - Minister Boris Pistorius: Soll ich mich wieder hinset- zen?)

- Sie sind gleich dran, Herr Minister. Ich wollte nur den Kollegen Nacke bitten, diesen Disput einzustellen. Jetzt hat der Minister das Wort, und es bedarf keiner langen Kommentierung des Vorredners durch den Kollegen Nacke. Das wollte ich unterbinden, damit Sie, Herr Minister, jetzt das Wort allein haben. Bitte!

Das ist sehr freundlich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Asylpaket II wurde, wie Sie wissen, bereits vom Bundesrat beschlossen. Das Asylpaket I liegt schon länger zurück. Damit ist der vorliegende Antrag in seinem Kern eigentlich überholt. Man beschäftigt sich mit Anträgen offenbar nur deshalb, weil sie noch da sind.

(Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Man kann darüber natürlich diskutieren. Wirklich zielführend ist das nicht. Aber es soll ja offenbar auch nur die Plattform bieten, um sattsam Bekanntes ausgiebig wiederholen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, über eines besteht Konsens: Es ist und bleibt ein wichtiges Anliegen, die Zugangszahlen zu reduzieren, gerade im Hinblick auf die Situation der Kommunen und der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in unserem Land. Aber was bedeutet das nun für uns?

Mir ist bewusst, meine Damen und Herren, dass ich mich in diesem Punkt wiederhole. Aber es ist mit nationalen Alleingängen nach wie vor nicht getan. Wenn wir die vielen Menschen an den Grenzen von Mazedonien, Griechenland oder der Türkei sehen, dann müssen wir uns ernsthaft die Frage stellen, welche tatsächliche Wirksamkeit unsere nationalen Beschlüsse eigentlich haben, um Zugangszahlen zu reduzieren.

Ich war kürzlich selbst auf Lesbos und habe mir ein Bild von der Lage vor Ort gemacht. Dort ist mir wieder einmal sehr deutlich geworden, meine Damen und Herren: Der Weg kann noch so gefährlich sein, die Hürden noch so hoch und die Chancen durchzukommen noch so gering - das wird Menschen in großer Not nicht von der Flucht abhalten. Das gelingt zumindest so lange nicht, wie es nicht gelingt, die Fluchtursachen effektiv zu bekämpfen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Auch deshalb, meine Damen und Herren, spitzt sich die Lage vor Ort zunehmend zu. Ich gehe davon aus, dass auch Sie alle die Bilder von dem, was an den Grenzzäunen geschieht, gesehen haben bzw. jeden Tag sehen. Das ist menschenunwürdig und nicht vertretbar. Deshalb brauchen wir schnell eine europäische Lösung. Alle europäischen Staaten sind gefordert, ihren Teil zum Zusammenhalt und zur Integration beizutragen. Europa funktioniert eben nicht, wenn einige nur nehmen, aber zugleich nichts für die Gemeinschaft leisten wollen.

Lassen Sie mich einige Anmerkungen zu den vorhandenen nationalen Instrumenten und Argumenten machen. Immer wieder wird neuerdings in die Debatte eingeführt, es werde behauptet, die Flüchtlinge lösten unser demografisches Problem. Wenn Sie mir in den letzten Jahren aufmerksam zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich immer sehr sorgfältig zwischen Arbeitsmigration und Flüchtlingsströmen getrennt habe.

(Angelika Jahns [CDU]: Das haben wir auch!)

Diese Themen zu vermischen, ist grundverkehrt. Aber es ist nur dann möglich, sie nicht zu vermischen, wenn man auch für eine Einwanderungsregelung sorgt, liebe Frau Jahns. Das ist das Kernproblem, das wir haben: Wir vermischen das faktisch, weil wir die unterschiedlichen Wege nicht öffnen. Das ist und bleibt eines der Kernprobleme.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP - Jan- Christoph Oetjen [FDP]: Genau!)

Niemand behauptet, dass nur Ingenieure und Ärzte aus Syrien kämen. Natürlich kommen auch Menschen mit schlechtem oder gar keinem Bildungsstand und Analphabeten. Aber danach suchen wir Flüchtlinge auch nicht aus, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD)

Flüchtlinge kommen zu uns, weil sie unsere Hilfe brauchen. Das erhöht natürlich den Anspruch an unsere Anstrengungen zur Integration derselben.

Und was die Zusammensetzung der Asylbewerber angeht: Hier wird immer der Eindruck erweckt, als seien die Nordafrikaner schon zahlenmäßig unser Hauptproblem. Nein, das sind sie nicht! Unser Hauptproblem bzw. unsere Hauptherausforderung sind die Menschen aus Syrien, aus dem Irak und

aus Afghanistan, die alleine zusammengenommen über 65 % derjenigen ausmachen, die zu uns kommen.