Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Herr Grascha, Sie hätten der Freien Wohlfahrtspflege mehr Wertschätzung entgegenbringen können, wie Sie das hier verbal verkündet haben, indem Sie sich inhaltlich intensiver damit auseinandergesetzt hätten.

(Christian Dürr [FDP]: Das können Sie gar nicht beurteilen, Frau Ministerin!)

Zum einen, Herr Hilbers, war es überhaupt kein Problem, an die Unterlagen der EU zu kommen; denn die sind im Ausschuss sofort zur Verfügung gestellt worden.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist falsch! Sie waren doch gar nicht mit dabei! Das ist falsch!)

Zum anderen, Herr Grascha, handelt es sich entgegen Ihren Behauptungen nicht um ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Auch das ist falsch.

(Christian Grascha [FDP]: Das habe ich auch gar nicht gesagt! Ich habe gesagt: Es droht ein Vertragsverlet- zungsverfahren! - Weitere Zurufe)

Vielmehr handelt es sich hier - - -

Einen Moment bitte, Frau Ministerin!

(Unruhe)

Jetzt redet Frau Ministerin Rundt und sonst niemand. Herr Grascha, Sie haben darum gebeten, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen. Bei der Gelegenheit - Frau Ministerin, ich musste Sie eh unterbrechen -, frage ich Sie, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen wollen.

Nein.

Nein. - Dann hat jetzt nur Frau Ministerin Rundt das Wort und sonst niemand. Ich bitte Sie um Ruhe. - Herr Kollege Grascha! - Bitte, Frau Ministerin!

Noch einmal zur Klarstellung für Herrn Grascha: Es ist kein EU-Vertragsverletzungsverfahren.

(Christian Grascha [FDP]: Das hat er nie behauptet! Lesen Sie einmal nach im Protokoll!)

Es liegen zwei Beschwerden vor.

Zum anderen kann es sich nie um eine Rückzahlung von EU-Mitteln handeln, weil überhaupt keine EU-Mittel eingesetzt werden. Der einzige, der von einer Rückzahlung profitieren könnte, wäre unser eigener Finanzminister.

Außerdem handelt es sich nicht, anders als von Ihnen behauptet, um Steuergelder, sondern es handelt sich um Konzessionsabgabemittel.

Die EU hat nunmehr das Land mit Schreiben vom 30. Juli 2015 zu einer Stellungnahme aufgefordert, die fristgerecht am 9. September 2015 abgegeben worden ist.

Dazu gab es Nachfragen von der EU mit Schreiben vom 8. Februar 2016, das Ihnen vorliegt, die wir auch fristgerecht bis zum 6. April 2016 beantworten möchten.

(Zuruf von der FDP: Kriegen auch wir die Antworten?)

- Natürlich kriegen Sie die Antworten, wenn Sie diese im Ausschuss verlangen.

Nach meiner Überzeugung hat sich in Niedersachsen die historisch gewachsene Finanzhilfepraxis bewährt. Sie gibt den Wohlfahrtsverbänden Handlungsspielräume und die Selbstständigkeit, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen, insbeson

dere dann, wenn kurzfristig Aufgaben übernommen werden müssen.

Wir alle haben davon profitiert, dass die Wohlfahrtsverbände die Kapazitäten hatten, im Bereich der Aufnahme und Unterstützung von Flüchtlingen tätig zu werden.

Darüber hinaus gibt es viele Dinge, für die insgesamt wohlfahrtspflegerische Angebote vorliegen, die im Sozialleistungssystem nicht vorgesehen sind.

Ich bin sehr froh darüber, dass es der Wohlfahrtspflege immer wieder gelingt, Ehrenamtliche zu gewinnen, um zu unser aller Wohl tätig zu werden. Das gelingt mit professionellem Überbau. Finanzhilfe ist also sehr gut in unser Sozialwesen investiertes Geld.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Ich schließe die Besprechung des Antrages der FDP zur Aktuellen Stunde und eröffne die Besprechung zur Aktuellen Stunde der CDU.

c) Salafismus in Niedersachsen kennt keine Altersgrenze: rächt sich das rot-grüne Wegsehen? - Antrag Fraktion der CDU - Drs. 17/5317

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Nacke. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Mit großer Bestürzung haben wir alle am 26. Februar zur Kenntnis nehmen müssen, dass es hier in unserer Landeshauptstadt Hannover auf dem Hauptbahnhof eine Messerattacke auf einen Bundespolizisten gegeben hat, bei der dieser Polizist lebensgefährlich verletzt wurde. Später stellte sich dann heraus, dass aller Voraussicht nach dieser Anschlag, der von einem 15-jährigen Mädchen begangen wurde, einen islamistischen Hintergrund haben kann.

Da müssen wir uns natürlich die Frage stellen: Wie ist es möglich, dass so etwas in Niedersachsen passiert, dass ein 15-jähriges Mädchen mit ihrer Familie eine Moschee besucht, die als salafistisch eingestuft wird, und in der Schule ist, aber niemand zur Kenntnis nimmt, was dort passiert ist?

In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 4. März heißt es dazu: Von den zahlreichen Videos mit religiösen Inhalten, die mit dem Kind gedreht worden waren, wusste man an dem Gymnasium, auf das die Schülerin bis vor kurzer Zeit ging. Wenn man sie danach fragte, erzählte sie, sie sei von ihrer Moschee dazu angehalten worden.

Dieses Mädchen ist bereits mit sieben Jahren in Videos neben einem der bekanntesten Hassprediger in Deutschland, Pierre Vogel, aufgetreten und zu Propagandazwecken missbraucht worden. Sie hat in der Folge auf ihren Facebook-Auftritten beispielsweise die Internetseite „Allah ist groß!“ mit „Gefällt mir!“ markiert. Niemand hat das gemerkt. Niemand hat hier eingegriffen und etwas getan. Es ist bezeichnend, dass die Kultusministerin glaubt, dieser Tagesordnungspunkt habe mit ihr nichts zu tun, und nicht im Saal anwesend ist.

Dirk Altwig hat in einem Kommentar in der Neuen Presse gefragt: Kinder sind kein Fall für Geheimdienste - das ist richtig so -, aber ist keine Behörde dafür zuständig, diese religiöse Form des Kindesmissbrauchs zu verhindern? Irgendwo müssen doch Alarmglocken klingeln, wenn ein kleines Kind mit Hasspredigern zu sehen ist. - Damit hat er völlig recht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Am 5. März führt Gunars Reichenbachs in der Nordwest-Zeitung aus: Wieso sind in den folgenden Schuljahren bei keinem Lehrer die Alarmsignale wegen der sicher beobachtbaren Radikalisierung angegangen? Wer ist für die jahrelange Gehirnwäsche verantwortlich? Hat niemand in ihrem Gymnasium etwas gemerkt?

Diese Schülerin hat sogar die Schule gewechselt. Auch das konnte man der HAZ entnehmen. In der Familie ist sie übrigens nicht allein. Das Mädchen hat einen 19-jährigen Bruder, der das Land in Richtung Syrien verlassen hat.

Die Antwort auf die Fragen von Herrn Altwig und von Herrn Reichenbachs hat das Kultusministerium uns bereits gegeben, und zwar in einem Schreiben vom 16. Februar 2016, als es nämlich um einen anderen Fall islamistischer Radikalisierung an einer Schule in Niedersachsen gegangen ist. Dabei ging es um einen 19-jährigen Schüler. Das Ministerium antwortet mit Schreiben vom 16. Februar 2016 auf die in der Sitzung des Kultusausschusses am 8. Januar 2016 beantragte Unterrichtung: Eine Beobachtung von Schulen gehört nicht zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes.

Deshalb kann eine Einschätzung der jetzigen Situation an der Schule nicht abgegeben werden.

Das Kultusministerium räumt an der Stelle ein: Wir wissen überhaupt nicht, was los ist. Es gibt keine Konzepte. Es gibt keine Ideen. Es gibt keine Hilfe für Menschen, die hier offenkundig der Radikalisierung ausgesetzt sind. Diese Kultusministerin interessiert dieser Tagesordnungspunkt nicht. Das ist ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Nacke, lassen Sie eine Frage Ihres Kollegen Thümler zu?

Selbstverständlich.

Bitte!

(Zurufe von den GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Herr Kollege Nacke, halten Sie es für angemessen

(Unruhe)

- bleiben Sie doch ganz friedlich; es ist doch alles gut; bleiben Sie doch ganz ruhig -, dass sich die Kultusministerin - Sie haben gerade darauf hingewiesen - durch Nichtanwesenheit der Debatte entziehen will?

(Ministerin Frauke Heiligenstadt betritt den Plenarsaal)

Sie kommt zwar jetzt gerade, hat aber den wesentlichen Teil der Debatte nicht mitbekommen. Halten Sie das für richtig, oder wäre es angemessen, dass die Kultusministerin unverzüglich auch das Parlament unterrichtet?