Protokoll der Sitzung vom 13.04.2016

Und wenn man den Verlauf nicht nur dieser, sondern auch anderer aktueller Debatten rund um VW verfolgt, dann drängt sich der Eindruck auf, dass die Mitglieder der Landesregierung im Aufsichtsrat von VW nicht Teil der Lösung, sondern möglicherweise Teil des Problems sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wo ist denn Ihre Strategie, um aus dieser unschönen Spirale, die den VW-Konzern ins Trudeln gebracht hat, wieder herauszukommen? - Darauf gab es heute keine Antwort.

Es kann jedenfalls nicht sein, dass der neue VWPersonalvorstand, Karlheinz Blessing, den ich persönlich übrigens sehr schätze und auch für sehr integer halte, zwischen dem Betriebsrat und dem VW-Markenvorstand vermitteln muss. Das wäre nach meinem Verständnis Aufgabe des Aufsichtsrates gewesen.

Jetzt verlassen Sie doch mal den bequemen Platz auf der Ersatzbank, Herr Lies und Herr Weil! Greifen Sie endlich aktiv ins Spielgeschehen ein! Nehmen Sie sich ein Vorbild an Christian Wulff!

(Zurufe von der SPD: Oh! - Wiard Siebels [SPD]: In welcher Hinsicht denn? - Petra Tiemann [SPD]: Schlechtes Beispiel! - Weitere Zurufe von der SPD)

Er war sich nämlich nicht nur in besonderer Weise seiner Verantwortung für VW und den Anteil Niedersachsens an diesem Unternehmen bewusst, sondern er hat auch in der Übernahmeschlacht mit Porsche jederzeit entsprechend mutig und strategisch klug gehandelt, um die Position Niedersachsens zu stärken, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Zusammenhang: Christian Wulff hatte eine Strategie, er hatte einen Plan, und er hat diese Vorstellungen umgesetzt, meine Damen und

Herren. Das unterscheidet Ihr Handeln von dem des ehemaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Angesichts der Lage, in der sich VW derzeit befindet, haben Sie, Herr Weil, im vergangenen Herbst Ihre Teilnahme an einer Delegationsreise nach Südafrika abgesagt. Das war auf der einen Seite bedauerlich, auf der anderen Seite war es richtig, das zu tun. Ich will Ihnen hier keine Empfehlungen geben, aber: Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob es nicht angesichts der vielen ungeklärten Fragen und der am 22. April stattfindenden Aufsichtsratssitzung, der am 28. April stattfindenden Hauptversammlung und aller Nebenfragen, die noch zu klären sind, sinnvoll wäre, auch auf die Teilnahme an der Iranreise zu verzichten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, VW steht vor einer entscheidenden Weichenstellung, die nicht ohne Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Niedersachsen, nicht ohne Folgen für den Wirtschafts- und Industriestandort Niedersachsen bleiben wird und im Übrigen auch nicht ohne Folgen für den Landeshaushalt.

Wer in einer solchen Lage zulässt, dass der Umweltminister, der gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident des Landes ist, mit Plänen einer stärkeren Dieselbesteuerung öffentlichkeitswirksam um die Ecke biegt, der hat den Ernst der Lage wahrscheinlich immer noch nicht richtig begriffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Fakt ist: Die Arbeitsagentur verzeichnet schon jetzt mehr Kurzarbeit bei VW-Zulieferern; und das nicht nur in der Region Braunschweig-Wolfsburg-Lüneburg-Helmstedt, sondern auch darüber hinaus. Die Gewerbesteuerausfälle treffen VW-Standortkommunen jetzt schon mit voller Wucht.

Im März ist bekannt geworden, dass VW in Emden die ersten 250 Leiharbeitsverträge nicht verlängern wird. Zudem halten sich hartnäckige Gerüchte im VW-Werk Emden und anderswo über weitere Kündigungen von Leiharbeitern.

Die absehbare Folge des Totalausfalls der Dividende belastet über die HanBG auch den Landeshaushalt. Einbußen drohen bei der Forschungsförderung der VW-Stiftung. Zusätzliches Störfeuer kommt aus Brüssel, wo ein Untersuchungsausschuss maßgeblich unter Beteiligung des SPD

Europaabgeordneten aus Ostfriesland eingerichtet worden ist, um aufzuklären, wie der Dieselskandal auch in Europa wirkt. All das untermauert nicht gerade einen festen Standpunkt für VW, sondern diskreditiert diesen Standpunkt für VW, und das, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anja Piel [GRÜNE]: Quatsch!)

Aus meiner Sicht gilt mehr denn je, was Volker Müller, der Geschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, bereits im letzten Herbst angemahnt hat. Am 2. Oktober 2015 wird er in der HAZ folgendermaßen zitiert:

„Bei aller notwendigen und richtigen Aufklärung des Skandals: Das Unternehmen muss als wichtiger Faktor unserer Wirtschaft unterstützt werden.“

Die Landesregierung dürfe sich in diesen Tagen nicht nur in die Ecke der Kritiker stellen, sondern müsse sich ihrer Verantwortung als Eigentümer bewusst sein. - Genau das, meine Damen und Herren, ist es. Genau dieses Bewusstsein mit der strategischen Untermauerung einer klaren Ausformung eines Konzepts, wie man VW aus der Krise führen will, wäre das, was wir heute hier von Ihnen, Herr Ministerpräsident, hätten hören wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen kann ich hier feststellen: Sie sind im Laufe der VW-Abgasaffäre vom selbsternannten Chefaufklärer zum selbsternannten Chefschönredner mutiert - das ist etwas, was deutlich festgestellt werden muss -, weil Sie mit Ausreden und Ausflüchten in Sachen VW nicht mehr weiterkommen. Es ist an der Zeit, klar Position zu beziehen und endlich Verantwortung für VW und Niedersachsen zu übernehmen.

Und: Es waren die CDU-geführten Landesregierungen unter Christian Wulff und David McAllister, die gemeinsam mit unserer Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die unfairen Angriffe auf das VW-Gesetz abgewehrt haben. Die jetzige Situation erfordert einen ähnlichen Kraftakt wie zur damaligen Zeit, meine Damen und Herren. Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP- Zuruf von Johanne Modder [SPD])

Auf die CDU-Landtagsfraktion können sich die Beschäftigten bei VW auch künftig hundertprozentig verlassen. Das ergibt sich auch aus den Gesprä

chen, die wir mit den Betriebsräten dazu geführt haben. Wir ziehen bei VW an einem Strang: für Niedersachsen, für die Menschen in Niedersachsen und auch für unsere Wirtschaftsbelange.

Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thümler. - Es folgt für die Fraktion der SPD deren Vorsitzende Frau Modder. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Ihre Rede, Herr Thümler, hat sehr deutlich gemacht - Sie haben sich eben nicht mit der aktuellen Berichterstattung zu VW auseinandergesetzt -, dass Sie vielleicht - das kann ich auch nachvollziehen - andere Probleme in Ihrer Fraktion haben,

(Zuruf von der CDU: Was? Auf wel- cher Party sind Sie denn?)

nämlich die Führungsfrage zu klären. Man horcht schon auf, wenn Sie hier dreimal Christian Wulff nennen. Vielleicht spielt er auch noch einmal eine Rolle.

(Lachen bei der CDU - Zuruf: Er hat bei VW eine bessere Rolle gespielt als Sie! - Jörg Hillmer [CDU]: Machen Sie nur so weiter!)

Ich will Ihnen eines sagen: Wenn jemand in dieser schweren Krise bei VW für Aufklärung und eine andere Unternehmenskultur steht, dann sind das dieser Ministerpräsident und dieser Wirtschaftsminister und niemand anders!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Nehmt doch Herrn Meyer mit in den Aufsichtsrat! Der macht besonders gute Personalpolitik!)

Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, erst einmal vielen Dank für die Unterrichtung. Ihre Ausführungen haben sehr deutlich gemacht, wie komplex und vielschichtig das ganze Thema rund um VW ist

(Jörg Hillmer [CDU]: Wie kann man so mit dem Thema umgehen!)

- das müssen Sie ertragen -, und zum anderen, wie begrenzt die Möglichkeiten einer Unterrichtung

hier im Niedersächsischen Landtag aufgrund des Aktienrechts und natürlich auch der schutzwürdigen Interessen des Volkswagen-Konzerns sind.

Die letzten Wochen und Monate haben aber auch deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, dass das Land, vertreten durch unseren Ministerpräsidenten Stephan Weil und unseren Wirtschaftsminister Olaf Lies, sich dieser Verantwortung stellt: mit viel Zeit- und Kraftaufwand und durch das Einwirken auf dieses für das Land bedeutende Unternehmen.

Meine Damen und Herren, das größte Unternehmen unseres Landes steckt in einer tiefen und vielschichtigen Krise, vielleicht in der größten Krise in der Unternehmensgeschichte. Für Volkswagen werden die nächsten Wochen entscheiden, ob das Unternehmen wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangen kann. Sogar von Schicksalswochen ist die Rede. Der Ministerpräsident hat die entscheidenden Termine genannt. Inzwischen ist es aber nicht mehr nur der Skandal um die manipulierten Abgaswerte bei Dieselmotoren, der Volkswagen Schwierigkeiten bereitet. Ausgelöst durch dieses betrügerische Vorgehen einiger weniger Mitarbeiter wird zurzeit der gesamte Konzern erschüttert.

Mit Spannung wird der Bericht der amerikanischen Anwaltskanzlei Jones Day erwartet. Die Frage nach den Verantwortlichen, aber natürlich auch die Fragen der finanziellen Konsequenzen und des Risikos milliardenschwerer Strafen und Entschädigungen in Amerika stehen im Raum.

Meine Damen und Herren, gleichzeitig tauchen Fragen nach der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, der Art der Unternehmensführung sowie der Produkte des Unternehmens auf. Und als ob all das noch nicht genug sei, kommt es zum offenen Konflikt zwischen dem VW-Markenchef Diess und dem Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh. Laut Medienberichten konnte dieser Konflikt beigelegt werden, weil sich wohl auch Konzernchef Müller selbst stärker in die Entwicklung der „Strategie 2025“ einbringen will.

Und dann der Streit über die Boni-Zahlungen. Ich muss schon sagen, dass es bemerkenswert ist, wie man in einer solchen Krisensituation mit einem solch sensiblen Thema in der Vorstandsetage umgeht. Allein dieser Sachverhalt sagt viel über die Unternehmenskultur aus. Ich bin deshalb Stephan Weil sehr dankbar, dass er gleich von Anfang an hier eine klare Linie gezogen und klar Stellung bezogen hat.

(Jörg Hillmer [CDU]: Aber heute noch nicht! Nur letzte Woche!)

Es ist nicht hinnehmbar und überhaupt nicht vermittelbar, dass sich in einer Zeit, in der viele Beschäftigte um ihre Zukunft bangen, in der Standortkommunen mit starken Steuereinbrüchen rechnen müssen, die Führungsetage über Boni-Zahlungen streitet.

Nun haben wir gestern Abend über dpa erfahren dürfen, dass man gewillt ist, sich zu einigen - zwar eine späte Einsicht, meine Damen und Herren, aber immerhin. Das zeigt: Der Druck seitens der Landesregierung zeigt Wirkung. - Gut so.