Protokoll der Sitzung vom 13.04.2016

Vor diesem Hintergrund ist der Aufhebungsvertrag zu bewerten, den der damalige Aufsichtsratsvorsit

zende auf Basis einer Ermächtigung des Aufsichtsrats mit Herrn Pötsch geschlossen hat. Bei alledem hatte das Unternehmenswohl für die Vertreter des Landes absolute Priorität.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dies alles sind notwendige Schritte zur Abarbeitung und Bewältigung von Dieselgate und werden das gesamte erste Halbjahr bis zur Hauptversammlung am 22. Juni dieses Jahres prägen.

Darüber hinaus hat Volkswagen aber ebenso wie die gesamte Branche weitere strukturelle Herausforderungen zu bewältigen. Die gesamte Automobilindustrie steht inmitten eines tiefgreifenden Veränderungsprozesses, der durch alternative Antriebe und Werkstoffe und eine umfassende Digitalisierung der Kraftfahrzeuge bis hin zu einem autonomen Fahren gekennzeichnet ist.

Grundlage einer erfolgreichen Bewältigung dieser Aufgabe ist unstreitig die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswagen. Hierüber gibt es keinerlei Meinungsverschiedenheiten. Auch die Niedersächsische Landesregierung teilt diese Einschätzung ausdrücklich.

Auf dieser Grundlage, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden derzeit intensive Beratungen innerhalb des Unternehmens geführt.

In den vergangenen Wochen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Volkswagen durch eine ganze Reihe von Meldungen verunsichert worden. Ein massiver Arbeitsplatzabbau sei geplant. Demgegenüber hat der Vorsitzende des Vorstandes, Matthias Müller, wiederholt erklärt, die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft seien gesichert. Das deckt sich mit der Einschätzung der Landesregierung.

Vorstand und Betriebsrat haben sich aktuell - in dieser Woche - darauf verständigt, die weiteren Schritte nunmehr systematisch und ergebnisorientiert miteinander abzustimmen. Die Landesregierung begrüßt diese Vorgehensweise. Volkswagen hat in der Vergangenheit mit einem solchen gemeinsamen Weg gute Erfahrungen gemacht, und an diese Erfahrungen kann das Unternehmen anknüpfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auf dieser Grundlage wird dann auch der Umfang künftig notwendiger Leiharbeitsverhältnisse zu klären sein. Soweit derzeit solche Arbeitsplätze z. B. in Hannover und in Emden beendet worden sind, steht dies primär im Zusammenhang mit konkreten Modellentscheidungen. Da z. B. eine weitere Produktion des Phaeton in Dresden in der bisherigen Form nicht vorgesehen ist und die Stammbelegschaft von allem in Sachsen davon betroffen ist, waren im Rahmen einer sogenannten Beschäftigungsdrehscheibe bedauerlicherweise auch an anderen Standorten personalwirtschaftliche Maßnahmen notwendig.

Die Landesregierung ist hierüber im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit unterrichtet und betrachtet diese Entscheidung zu ihrem Bedauern im Hinblick auf die Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insgesamt im Rahmen einer langfristigen Beschäftigungsstrategie als vertretbar. Sie verbindet damit zugleich die Erwartung an die entsprechende Tochtergesellschaft von Volkswagen, die Autovision, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Beschäftigung an anderer Stelle zu vermitteln. Das ist eine sehr klare Erwartung!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Darüber hinaus legt die Landesregierung größten Wert darauf, dass eine weitere Verunsicherung von Beschäftigten unterbleibt und innerhalb des Unternehmens eine gute Abstimmung zwischen dem Vorstand und dem Betriebsrat gewährleistet ist. Die Landesregierung wird diese Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen. Uns geht es um die Zukunftsfähigkeit der Arbeitsplätze bei Volkswagen in Niedersachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lassen Sie mich eine abschließende Bemerkung machen. Niedersachsen ist ein wichtiger Anteilseigner bei Volkswagen - nicht mehr und nicht weniger. Die Vertreter des Landes in den Gremien von Volkswagen, Wirtschaftsminister Olaf Lies und ich, stehen in der Verantwortung - und wir stellen uns dieser Verantwortung -, zu der erfolgreichen Bewältigung der Krise bei Volkswagen beizutragen.

Ohne Frage: Es sind schwierige und anstrengende Tage und Wochen, die wir derzeit erleben. Das ist die unvermeidliche Folge eines jahrelangen Fehlverhaltens, das einen sehr, sehr schweren Schaden ausgelöst hat. Wir brauchen jetzt ein klares Ziel, und wir brauchen einen klaren Kopf. Unser Ziel ist eindeutig: Wir wollen die Folgen von Dieselgate konsequent abarbeiten, und wir wollen die Grundlagen dafür legen, dass Volkswagen wieder durchstarten kann. Dafür sind - gerade in den nächsten Wochen - eine nüchterne Diskussion und ein konsequentes Handeln geboten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wirtschaftsminister Olaf Lies und ich werden uns mit allen uns zu Gebote stehenden Möglichkeiten dafür einsetzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir alle haben eine Mitverantwortung für das wichtigste Unternehmen in Niedersachsen. Für uns alle kann es um nichts anderes gehen als um das Wohl des Unternehmens, um die Grundlage dafür, dass viele Tausend Menschen auch in Zukunft bei und durch Volkswagen Arbeit und Auskommen finden. Die Vertreter der Landesregierung werden dafür auch weiterhin in aller Entschiedenheit ihre Beiträge leisten. Ich bitte Sie dafür herzlich um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, dass die Unterrichtung - aufgerundet - 15 Minuten gedauert hat. Nach unseren Gepflogenheiten erhalten für die nun folgende Aussprache die beiden großen Fraktionen die gleiche Zeit und die beiden kleinen Fraktionen die Hälfte dieser Zeit. Es ergeben sich also folgende Redezeiten: für die Fraktion der CDU und für die Fraktion der SPD jeweils 15 Minuten, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und für die Fraktion der FDP jeweils 7:30 Minuten.

Es liegen bereits Wortmeldungen vor. Die Aussprache beginnt der Fraktionsvorsitzende der CDU. Herr Thümler, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Herausforderungen, vor

denen Volkswagen steht, ist das Bild, das die Konzernführung und der Aufsichtsrat derzeit abgeben, desaströs.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, man hat inzwischen große Mühe, die bestehenden Konfliktherde in ihrer Vielfältigkeit überhaupt noch zu überblicken. Es geht dabei beileibe nicht nur um die Folgen der Abgasaffäre, sondern auch um viele andere Fragen, die sich in diesem Zusammenhang und auch darüber hinaus ergeben haben und die den Volkswagenkonzern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Volkswagenhändler vor Ort und am Ende auch die Kundschaft von VW belasten.

Als jemand, dem das Wohlergehen von Volkswagen und seiner engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Herzen liegt, frage ich mich: Muss man das alles einfach so hinnehmen? - So gut und notwendig es ist, dass sich Arbeitnehmervertreter aktiv in die Veränderungsprozesse einbringen, so wenig Verständnis habe ich für die Tonlage, in der der Streit zwischen Betriebsrat und Markenvorstand in den letzten Tagen öffentlich ausgetragen worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich frage mich auch: Wo ist in diesem Konzern die ordnende Hand? - Nach dem Ausscheiden von Ferdinand Piëch ist keine Spur davon zu erkennen.

(Zuruf von der CDU: Ganz genau!)

Wer verfügt in den verschiedenen Gremien von Volkswagen über das notwendige Maß an persönlicher Autorität und Integrität, um die unterschiedlichen Streithähne dezent, diskret und frühzeitig zur Ordnung zu rufen? Und, meine Damen und Herren: Was tut eigentlich der Großaktionär Niedersachsen, um Schaden von Volkswagen abzuwenden? - Der Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister wissen ansonsten immer ganz genau, was konkret zu unternehmen ist. Aktuelles Beispiel: Wiesenhof in Lohne. Ungefragt wird dem Konzern mitgeteilt, wie man mit der Krise umzugehen hat.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Gleich wird noch hinterhergeschoben, wie künftig bei Einstellungen das Verhältnis von Stammbelegschaft gegenüber Leiharbeitern sein muss.

Bei Volkswagen dagegen: kein Bild, kein Ton und überhaupt keine Ahnung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Wollen Sie das wirklich mit dem Weltkonzern VW vergleichen?)

Es reicht eben nicht, auf der einen Seite zu wissen, was unternehmerisch klug ist, wenn man auf der anderen Seite da, wo man unternehmerische Verantwortung trägt - und das ist bei Volkswagen wohl der Fall -, abtaucht, keine Konzepte entwickelt, keine Strategie hat und nicht weiß, was eigentlich passieren soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch gerade eben, meine Damen und Herren, haben wir es wieder gehört. Die Informationen in der Unterrichtung sind über das allgemeine Wissen, das man in den letzten Tagen und Wochen durch Zeitungslektüre erwerben konnte, nicht hinausgegangen. Nicht einen Millimeter über das hinaus, was wir heute in den aktuellen Tickermeldungen lesen konnten, ist der Landtag unterrichtet worden.

(Zuruf von der CDU: So wie immer!)

Ich will ja gar nicht in Abrede stellen, Herr Ministerpräsident und Herr Minister Lies, dass Sie einen schwierigen Spagat zu bewältigen haben.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Sie haben einerseits Informationspflicht und andererseits Verschwiegenheitspflicht mit dem Blick auf die im Rahmen Ihrer Aufsichtsratstätigkeit gewonnenen Informationen. Davon unberührt bleiben jedoch Ihr Agieren im Aufsichtsrat und die Einbindung in die internen Abläufe von Aufsichtsrat und Vorstand. Sie können sich in der Boni-Debatte nicht einfach einen schlanken Fuß machen.

(Johanne Modder [SPD] lacht - Anja Piel [GRÜNE]: Welche Zeitung lesen Sie denn?)

Auch der Aufsichtsrat trägt in dieser Frage Verantwortung, meine Damen und Herren. Wer hat denn die Verträge mit dem Vorstand geschlossen?

(Heiner Schönecke [CDU]: Sehr rich- tig!)

Das ist doch der Aufsichtsrat, das ist doch das Präsidium des Aufsichtsrates, und niemand anders! Der Vorstand genehmigt sich das doch nicht

selber! Da sollten wir doch, bitte schön, die Kirche im Dorf lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Petra Tiemann [SPD]: Sie sollten sich doch mal ein bisschen mehr fortbil- den!)

Das heißt, Sie als Aufsichtsräte tragen unmittelbar Verantwortung für die Dinge, die in diesem Konzern laufen.

Und wenn man den Verlauf nicht nur dieser, sondern auch anderer aktueller Debatten rund um VW verfolgt, dann drängt sich der Eindruck auf, dass die Mitglieder der Landesregierung im Aufsichtsrat von VW nicht Teil der Lösung, sondern möglicherweise Teil des Problems sind.