Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Landeszentrale soll sich in vielen Themen bewegen, in Themen, die vielfältig sind. Sie soll sich mit Geflüchteten auseinandersetzen, mit Fluchtursachen, Rechtsextremismus, Populismus, Salafismus, Antisemitismus. Sie soll für Kommunalpolitik genauso werben wie für die Beteiligung. Sie soll sich mit dem Thema sexuelle Vielfalt genauso auseinandersetzen wie mit der Frage Wirtschaft.

Wir wollen ihr - und ich glaube, auch das ist wichtig - die Luft lassen, sich zu entwickeln, Themen zu finden, die in Niedersachsen auf Interesse treffen, Veranstaltungsformate zu entwickeln, die auf Interesse treffen. Wir wollen ihr das Vertrauen entgegenbringen, dass diese Landeszentrale ihren Weg gehen wird, begleitet durch das Parlament, durch das Kuratorium, dass wir sie aber auch in Teilen loslassen können.

Wir haben in den letzten Wochen viel Resonanz erfahren. Es haben sich viele Institutionen, viele Träger der Erwachsenenbildung, viele Bürgerinnen und Bürger an uns gewandt und sich sehr zustimmend geäußert. Sie haben geäußert: Lasst uns mitarbeiten! Wir wollen ein Teil dieser Landeszentrale sein. Wir wollen mitdenken. Wir wollen uns mit unseren Kompetenzen einbringen. - Ich finde das hervorragend. Das zeigt, dass wir in Niedersachsen einen großen Schatz haben, den wir für diese Landeszentrale nutzbar machen wollen und den wir durch diese Landeszentrale stärker in den Vordergrund rücken können.

Wir haben viel positive Rückmeldung aus den anderen Ländern erfahren. Man freut sich darauf, dass Niedersachsen in den Kreis der Landeszentralen zurückkommt und dass der Platz, der viel zu lange leer war, endlich wieder aus Niedersachsen gefüllt wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns, dass Niedersachsen eine neue Landeszentrale für politische Bildung bekommen wird und eine Werbeagentur für unsere Demokratie sein wird. Wir freuen uns umso mehr, dass dies heute mit einem Beschluss aller Fraktionen im Niedersächsischen Landtag möglich wird.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Brunotte. - Bevor ich den nächsten Debattenredner aufrufe, darf ich Ihnen zum einen mitteilen, wie die Tagesordnung fortgesetzt wird. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass unmittelbar im Anschluss an diesen Tagesordnungspunkt der Tagesordnungspunkt 19 behandelt wird. Das ist der erste Tagesordnungspunkt aus der Nachmittagssitzung nach den Eingaben, und zwar die Große Anfrage mit dem Titel „Wachsende salafistische Gefahr in Niedersachsen“.

Zum Zweiten darf ich, wenn uns ein ehemaliger Landtagspräsident die Ehre gibt, uns zu besuchen, ihn herzlich begrüßen. Ich begrüße Herrn Professor Wernstedt.

(Beifall)

Dann geht es in der Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion weiter. Das Wort hat Herr Abgeordneter Jörg Hillmer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die politische Bildung und der Schutz der Demokratie müssen aus der Mitte der Gesellschaft und auch aus der Mitte dieses Landtages heraus gestaltet und getragen werden. Das ist unsere feste Überzeugung. Davon haben wir uns leiten lassen.

Dass es heute zu einer gemeinsamen Entschließung kommt - Herr Brunotte hat das eben schon angedeutet -, war anfangs, bei der Einbringung, nicht zu erwarten; denn SPD und Grünen hatten einen betont ideologisch linken Antrag eingebracht.

(Dr. Christos Pantazis [SPD]: Die alte Leier! - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In der Anhörung, die wir dann im Wissenschaftsausschuss durchgeführt haben, haben Ihnen alle Beteiligten beinahe unisono ins Stammbuch geschrieben, sich zur Mitte zu bewegen und CDU und FDP einzubinden. Meine Damen und Herren, ich möchte anerkennen: Sie haben sich bewegt. Vom Ursprungsantrag ist relativ wenig übrig geblieben.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der CDU-Antrag wurde in 14 von 15 Punkten übernommen. Erst durch unseren Antrag sind der Antisemitismus und auch der Salafismus als Themenfeld für die politische Bildung aufgenommen worden.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch die Befassung mit den Gefahren durch politische und religiöse Radikalisierung von allen Seiten wird als Auftrag an die Landeszentrale berücksichtigt. Das Gewaltmonopol des demokratisch kontrollierten Rechtsstaats ist dafür die gemeinsame Grundlage. Die Vielfalt und die Unabhängigkeit der Träger der politischen Bildung, die uns in unserem Antrag besonders wichtig waren, konnten gesichert werden. Diese Träger müssen nicht mehr befürchten, dass ihnen zugunsten der Landeszentrale Mittel abgezogen werden. Die Landeszentrale wird auch keinen bestimmenden Einfluss auf die Arbeit der Träger bekommen. Sie wird sich als Dienstleis

ter verstehen, der in enger Abstimmung mit der Wissenschaft Angebote für die Träger erarbeitet.

Die neue Landeszentrale für politische Bildung wird eigenständig und unabhängig aufgestellt. Dies wird durch ein Kuratorium dauerhaft sichergestellt, das nur im Einvernehmen mit allen Fraktionen dieses Landtages besetzt werden kann. Die Leitung der Landeszentrale wiederum ist nur im Einvernehmen mit dem Kuratorium zu besetzen. Schließlich haben wir durchgesetzt, dass die Landeszentrale für politische Bildung innerhalb von fünf Jahren evaluiert wird, um gegebenenfalls nachsteuern zu können.

Meine Damen und Herren, mit der SPD war alles verhandelbar, mit den Grünen fast alles. Der eine von den fünfzehn Punkten, der mit den Grünen nicht verhandelbar war, lautet:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, … die Aufklärung über die Gefahren von Links- wie Rechtsextremismus zu fördern“.

Schon das Wort „Extremismus“ ohne das Attribut „links“ oder „rechts“ ist mit den Grünen nicht möglich. Ausweichend umschreiben wir das jetzt mit Begriffen wie „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ oder „politische Radikalisierung“.

(Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE] - Jens Nacke [CDU]: Die Sprachpolizei ist wieder unterwegs!)

Wir sind fest davon überzeugt, meine Damen und Herren, dass man aus der demokratischen Mitte heraus sehr deutlich und ohne Umschweife die aktiven Gefährder der Demokratie benennen muss. Das sind der Links- wie der Rechtsextremismus genauso wie der Salafismus, Islamismus und Antisemitismus. Konsequenterweise gehört die Aufklärung über diese Gefahren in das Pflichtenheft einer Landeszentrale für politische Bildung.

„Antisemitismus“ und „Salafismus“ haben SPD und Grüne in der Diskussion zugestanden. Weder „Linksextremismus“ noch „politischer Extremismus“ waren mit den Grünen verhandelbar, weil die Grünen offenbar ein Abgrenzungsproblem nach Links haben. Die Grünen in Niedersachsen müssen dringend ihre Abgrenzung zum Linksextremismus bestimmen.

(Zustimmung bei der CDU - Wider- spruch bei den GRÜNEN)

Damit aber, meine Damen und Herren, wollten wir die Gründung einer Landeszentrale nicht belasten.

Uns ist wichtig, dass die Landeszentrale für politische Bildung unabhängig und inhaltlich wie personell frei von parteipolitischem Kalkül arbeiten kann. Die bestehenden Einrichtungen werden ihre gute Arbeit in der politischen Bildung fortsetzen können.

Ich freue mich über einen guten gemeinsamen Antrag, der beste Gewähr für eine langfristig erfolgreiche Landeszentrale für politische Bildung liefert, wenn sich die Landesregierung - davon gehen wir allerdings aus - 1 : 1 an diese gemeinsame Entschließung hält.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Auf Ihre Rede gibt es eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Kollegin Julia Willie Hamburg das Wort für 90 Sekunden. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu dieser Kurzintervention gemeldet, weil ich in der Rede, die ich gleich halten werde, keine Zeit für politische Nickeligkeiten vorgesehen habe. Vielmehr möchte ich mich dann auf das Thema, was uns hier eigentlich beschäftigt, fokussieren.

Deswegen möchte ich die Zeit jetzt nutzen, um deutlich zu machen, dass ich lediglich darauf hingewiesen habe, dass der Extremismusbegriff und die Hufeisentheorie, die diesem zugrunde liegt, eine mittlerweile durchaus sozialwissenschaftlich umstrittene These ist. Wir haben hier ein vom Verfassungsschutz veranstaltetes sehr interessantes Symposium - ich weiß nicht, ob Sie diesem beigewohnt haben; offensichtlich nicht - erlebt, bei dem die Schwierigkeiten mit diesem Begriff genau herausgearbeitet wurden.

(Zuruf von der CDU: Was ist daran schwierig? - Gegenrufe von den GRÜNEN: Machen Sie mal eine Fort- bildung! Fachliteratur lesen! Politische Bildung halt! - Jens Nacke [CDU]: Die Sprachpolizei!)

Es gibt diverse Veröffentlichungen exakt zu diesem Thema, dass gerade „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ und „Demokratie- und Verfassungsfeindlichkeit“ deutlich präzisere Begriffe sind, um zu umschreiben, was „Extremismus“ ist.

Um Ihnen von der CDU zu entgegnen: Das hat nichts mit der Sprachpolizei zu tun. Bei der Frage des Genderns und bei der Frage nach dem Rassismus und nach rassistischen Formulierungen haben wir immer wieder erlebt, dass wir da mit Ihnen leider nicht zusammenkommen, dass Sprache auch in solchen Fragen ein scharfes Schwert ist. Das ist bedauerlich.

Mit Herrn Hillmer habe ich verabredet, dass ich beizeiten mit ihm genau über diese Theorien rede. Ich lade alle anderen von der CDU, die eben dazwischen geschrien haben: „Warum eigentlich?“, herzlich ein, dem beizuwohnen. Ich freue mich auf diesen Austausch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Hillmer möchte Ihnen antworten. Auch er hat für 90 Sekunden die Möglichkeit dazu.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Hamburg, ich habe die Irritationen, die mich in den gemeinsamen Gesprächen tatsächlich getroffen haben, eben zum Ausdruck gebracht und hatte gehofft, Sie würden sie ausräumen und für Ihre Partei eine klare Abgrenzung nach Links vornehmen. Schade, dass Sie es nicht getan haben!

(Zustimmung bei der CDU - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ist das Ein- zige, um das es Ihnen geht!)

So, das waren Kurzintervention und Antwort. - Nun geht es auf der Redeliste weiter. Das Wort hat jetzt die Kollegin Hamburg für ihre Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte!

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein gutes Zeichen für die politische Kultur, dass heute alle im Landtag vertretenen Fraktionen die Neugründung der Landeszentrale für politische Bildung beschließen. Wir zeigen hiermit die unglaubliche Relevanz der politischen Bildung in diesem Land auf, und wir leisten ein Bekenntnis, die Landeszentrale für politische Bildung bei ihrer Neugründung und in ihrer Entwick

lung als wichtigen Akteur in der Bildungslandschaft in Niedersachsen zu unterstützen.

Ich möchte mich insbesondere bei meinen Kollegen Christian Grascha, Herrn Hillmer und auch Herrn Brunotte für diese wirklich konstruktiven und guten Gespräche und diesen intensiven Austausch, das Ringen um eine gemeinsam getragene Lösung, bedanken. Wir hoffen sehr, dass wir mit dieser gemeinsamen Entschließung dazu beitragen können, die neue Landeszentrale für die Zukunft abzusichern und vor einer erneuten Zerschlagung zu schützen; denn dieser Schritt war ein schwerer Fehler.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)