Protokoll der Sitzung vom 04.05.2016

Eingebracht wird der Antrag für die CDU-Fraktion vom Abgeordneten Dirk Toepffer. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Antrag kann man in vielen Punkten unterschiedlicher Meinung sein. In einem Punkt sind wir uns sicherlich einig: Dieser Antrag ist nicht populistisch. Sein Anliegen ist auch nicht populär.

Bei Umfragen spricht sich seit Monaten eine deutliche Mehrheit der Befragten tatsächlich gegen TTIP aus. Auch unter den Anhängern der CDU gibt es viele, die TTIP für gefährlich halten. Und ich bin da ganz offen: Selbst innerhalb meiner Fraktion gab es Bedenken, ob man das Thema offensiv angehen soll. Ich selbst war mir da zeitweise nicht mehr ganz sicher.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Leider ha- ben Sie falsch entschieden!)

Wir tun es dennoch. Es wäre aber auch traurig, wenn ausgerechnet wir bei einem so wichtigen Wirtschaftsthema schweigen würden, wenn ausgerechnet wir hinter Olaf Lies und Sigmar Gabriel zurückfallen würden, wohlwissend, dass der Einsatz des Bundeswirtschaftsministers für TTIP kaum dazu beigetragen hat, die Umfragewerte der SPD zu beflügeln.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der SPD: Hahaha!)

- Das ist so.

Was treibt uns also heute an, erneut für die TTIPVerhandlungen zu werben? - Es sind aus meiner Sicht vor allem zwei Gründe:

Der erste ist naheliegend und bekannt: Richtig umgesetzt, kann TTIP den Wohlstand in diesem Land mehren. Und anders als für viele andere, ist der Wunsch nach einem Mehr an Wohlstand für uns ein durchaus positives Anliegen. Wir wollen den Abbau tarifärer Handelshemmnisse - insbesondere von Zöllen -, den Fortfall doppelter Produktzulassungen und Testverfahren, eine Angleichung von Regeln und Standards, und zwar auf höchstmöglichem und in der EU gewohntem Niveau. Und dies alles, ohne dass Verbraucherschutz und Arbeitsplatzsicherheit sowie soziale Standards in der EU gefährdet werden.

Ob das gelingen wird, ist durchaus fraglich. Ein wenig mehr Bewegung bei den amerikanischen Partnern würden wir uns durchaus wünschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Denn ohne diese Bewegung wird es kein TTIP geben - wohl aber andere Handelsabkommen, beispielsweise zwischen den Vereinigten Staaten und asiatischen Partnern. Keine gute Aussicht! Deshalb lohnt es sich, um TTIP zu kämpfen.

Es gibt einen weiteren Grund, TTIP hier und heute zu thematisieren - der liegt mir im Moment fast noch näher am Herzen -: Wir sind es unserem Selbstverständnis als Demokraten und Parlamentarier schuldig. Wir sind verpflichtet, für demokratische Entscheidungsprozesse in unserer Gesellschaft und in der EU zu werben.

(Beifall bei CDU und bei der FDP)

Wir sind verpflichtet, diese Entscheidungsprozesse und -instrumente zu verteidigen. Wir sind verpflichtet, die Aushöhlung der Demokratie zu verhindern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Und da ist es eben geradezu tragisch, dass die Verhandlungen gerade mit dem Hinweis auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekämpft werden.

Wie hat es der Landesvorsitzende der niedersächsischen Grünen formuliert? - Er sprach davon, dass die Verhandlungen über TTIP und CETA Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefährden würden. Und dann fordert er allen Ernstes, die Verhandlungen über TTIP zu stoppen und auf Basis eines transparenten Verfahrens neu zu verhandeln.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Wie sagt es der Ministerpräsident ab und an in schwierigen Debatten? - Sine ira et studio, also ohne Zorn und Eifer.

Diskutieren wir einmal ganz ohne Zorn und Eifer, was an diesen Verhandlungen nicht transparent ist!

Uns allen ist bekannt, was da verhandelt wird. Wir kennen die Zielvorstellungen und auch die abweichenden Meinungen, und dies nicht erst seit letztem Montag. Wer die Website der EU-Kommission aufruft, kann sich über die Verhandlungsziele der Europäer bis in die allerletzten Einzelheiten informieren.

(Gudrun Pieper [CDU]: Ganz genau!)

Was dort nicht zu finden ist, sind Unterlagen, aus denen im Sinne eines Wortprotokolls detailliert hervorgeht, in welcher Weise unterschiedliche Standpunkte diskutiert werden. Wir finden keine Aufzeichnung des Für und Wider. Taktik und Strategie der Beteiligten bleiben so weitgehend im Dunkeln.

Aber jetzt einmal die Frage: Wollen wir tatsächlich einen anderen Standard fordern? Hat es so etwas jemals gegeben? Wollen wir künftig internationale Abkommen zur Lösung der Eurokrise, zu Abrüstungsfragen oder zur Bewältigung der weltweiten Flüchtlingsströme in allen Einzelheiten von Anfang an öffentlich verhandeln? Soll da tatsächlich aus jeder Gesprächsrunde live berichtet werden - mit Kamera und Mikro am Verhandlungstisch? Glaubt jemand ernsthaft bei ihnen, dass solche wichtigen, aber schwierigen Verhandlungen dann einfacher werden?

Wenn man diesen Standard nun bei TTIP ausnahmsweise und einmalig fordert: Was gibt es, das dieses neue einmalige Verfahren rechtfertigen soll? - Ist das tatsächlich Ihre Sorge um soziale Standards und Verbraucherschutz, oder ist das

vielleicht doch das ideologisch motivierte Misstrauen gegenüber Wirtschaft und Amerikanern?

Ich halte jedenfalls fest, dass der Transparenzstandard, den viele TTIP-Gegner fordern, so noch nie erreicht worden ist. Und ich frage, ob es aufrichtig ist, eine Transparenz zu fordern, die man in eigenen Angelegenheiten gern vermeidet. Ein transparenter Ablauf der Koalitionsverhandlungen ist mir beispielsweise weder aus dem Landtag in Baden-Württemberg noch aus Rheinland-Pfalz, noch aus Sachsen-Anhalt bekannt, und auch die Piraten haben zwischenzeitlich erkannt, dass man manches doch erst einmal vertraulich behandelt, bevor man die Ergebnisse in die Öffentlichkeit trägt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das darf zumindest dann gelten, wenn das, was da verhandelt wird, noch durch demokratisch legitimierte Vertreter beschlossen werden muss. Und genau das ist bei TTIP und CETA der Fall.

Wenn es den Beteiligten tatsächlich gelingen sollte, sich auf einen Vertragsentwurf zu einigen, muss dieser durch das EU-Parlament, durch alle Mitgliedstaaten, aber auch durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden. In der Hälfte aller EUMitgliedstaaten wären sogar Volksabstimmungen möglich.

Und dann liest man im Internet bei Greenpeace, den aufrechten Enthüllern, Folgendes:

„Die Zivilgesellschaft aus rund 500 Millionen EU- und 300 Millionen US-Bürgern hat keinerlei demokratisches Mitspracherecht an einem Abkommen, das in alle Lebensbereiche eingreift.“

Meine Damen und Herren, keinerlei demokratisches Mitspracherecht trotz Parlamentsbeteiligung? - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer sich einer solchen Haltung anschließt, der hat ein Problem mit dem Parlamentarismus. Wer diese Haltung vertritt, der will eine andere Form von Demokratie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer das behauptet, der wendet sich gegen die Ausübung demokratischer Rechte durch gewählte Parlamentarier. Deswegen ist es unabhängig von allen anderen Fragen so wichtig, dass gerade wir als Parlamentarier Ja sagen zu dem Verfahren, in dem dieses Abkommen ausgehandelt wird.

Wer wie der Landesvorsitzende der Grünen fordert, die Verhandlungen zu stoppen, der bringt doch nur eines zum Ausdruck: Der zeigt ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber der Europäischen Union, gegenüber den EU-Parlamentariern, aber auch gegenüber allen anderen, die in diesem System Verantwortung tragen.

(Beifall bei der CDU und von der FDP)

Und, meine Damen und Herren: Zu denjenigen, die in diesem System Verantwortung tragen, gehören eben auch wir, die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags. Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns hier und heute klar zu diesen Verhandlungen bekennen. Wir sind Teil des Systems. Wir können uns doch nicht selbst misstrauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menge zu?

Selbstverständlich.

Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Toepffer, ich erinnere mich gerade an eine Aufgabe für Oberstufenschülerinnen und -schüler im Politik- und Wirtschaftsunterricht. Die Schüler und Schülerinnen mussten sich mit der Frage auseinandersetzen, wie Konzerne in der globalisierten Wirtschaftswelt in die Lage versetzt werden sollten, sich an den von Regierungen gesetzten Maßstäben und Rahmenbedingungen zu orientieren. Das heißt, von Politikwissenschaftlern wird offenbar konstatiert, dass es dort ein Problem gibt. Sehen Sie das auch so, oder negieren Sie das völlig?

Zunächst einmal, liebe Frau Kollegin Menge, habe ich ein gewisses Problem damit, mich von einer Kollegin mit Oberstufenaufgaben konfrontieren zu lassen. Gleichwohl will ich Ihre Frage aus meiner Sicht beantworten.

Selbstverständlich bin ich für eine Form von Marktregulierung; gar keine Frage. Aber wie dieser Markt reguliert wird - und das unterscheidet uns

vielleicht -, bestimmt eben nicht die Straße, sondern das bestimmt das demokratische System: Das bestimmen Parlamentarier, das bestimmen gewählte Abgeordnete, das bestimmen Repräsentanten des Staates. So haben wir das viele, viele Jahre lang in Deutschland gemacht. So ist die EU aufgebaut worden. So ist der Schuman-Vertrag verhandelt und beschlossen worden.

Ich glaube an dieses System, und ich glaube auch an seine erfolgreiche Fortsetzung. Ich traue den Kolleginnen im Europäischen Parlament, im Deutschen Bundestag und anderswo zu, dass sie vernünftige Entscheidungen treffen. Denn das ist ihre Aufgabe.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, auch Herr Bode möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Gerne. - Kommt jetzt die Mittelstufe?