Protokoll der Sitzung vom 04.05.2016

- Das ist sogar die Unwahrheit. Danke, Herr Kollege.

Es geht an der Stelle um niedrigere Zölle. Auch das steht in den Papieren. Darin steht nämlich, dass wir niedrigere Zölle auf Autoexporte, also Importe in die USA, wollen. Umgekehrt wollen die Amerikaner niedrigere Zölle auf Agrarprodukte. Es geht um Produkte, die längst in deutschen Supermärkten stehen. In den Papieren ist von gentechnisch veränderten Lebensmitteln nicht mit einem einzigen Wort die Rede.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Hier wird mittlerweile bewusst mit Ressentiments gespielt, meine Damen und Herren. Ich habe großes Verständnis und teile die Forderung vieler Menschen, die die hohen Standards der EU und Deutschlands durchgesetzt wissen wollen. Genau das ist nämlich das Ziel deutscher und europäischer Politik bei diesen Verhandlungen. Aber wissen Sie was? Ich habe kein Verständnis für Politiker, die diese Forderung ausnutzen, um im Grundsatz gegen ein Freihandelsabkommen zu Felde zu ziehen.

Diese Renationalisierung und Globalisierungskritik ist nicht nur unehrlich; sie ist am Ende des Tages auch gefährlich. Niedersachsen hat eine Außenhandelsquote, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, von 70 %. Über 70 % des Bruttoinlandsprodukts sind vom Außenhandel abhängig, meine Damen und Herren.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ohne TTIP!)

Das ist eben nicht nur VW. Das sind auch die Mittelständler in Niedersachsen. Das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Familien, meine Damen und Herren. 70 %!

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sie sprin- gen auf jeden Zug auf!)

Ich halte es für unehrlich, wenn diejenigen, die heute die „Stop TTIP“-Demonstrationen anführen, verschweigen, was morgen für die Menschen auch hier bei uns in Niedersachsen auf dem Spiel steht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Den Grünen geht es in Wahrheit um etwas anderes. Ich will einmal von der Webseite von Bündnis 90/Die Grünen zitieren. Da steht:

„Wir GRÜNE haben kein grundsätzliches Problem mit dem Welthandel, allerdings muss er demokratisch kontrolliert sein und darf unseren politischen Zielen nicht entgegenwirken.“

(Jörg Bode [FDP]: Ach so!)

Das sind gleich zwei interessante Informationen auf einmal. Zum einen: Nicht die Menschen, nicht die Mittelständler, nicht die Unternehmen sollen entscheiden, mit wem und wann sie Handel treiben, sondern das sollen Politiker für sie tun. Wissen Sie was? Kuba ist gerade auf dem Weg, sich von einem solchen System zu entfernen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist ja albern, was Sie da konstruieren!)

Mit dem zweiten Teil des Satzes entlarven Sie sich dann endgültig: Der Welthandel „darf unseren politischen Zielen nicht entgegenwirken.“ Das ist die Steigerung von „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“. Die Überheblichkeit, die in diesen Worten steckt, ist nicht zu ertragen. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Ich halte diese nationale Arroganz der Grünen für brandgefährlich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn ich mir dieser Tage auch die Debatten vom Bundesparteitag der sogenannten Alternative für Deutschland angucke, die fordert, es dürfe nicht die EU verhandeln, sondern das müssten wieder die Nationalstaaten tun, muss ich sagen: Diese

Renationalisierung von Politik können wir wahrlich nicht gebrauchen.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Dieses „Zurück“ einiger TTIP-Gegner in eine Zeit, die von Abschottung und krassem Misstrauen der Staaten untereinander geprägt war, ist eine echte Gefahr. Wir sollten es besser wissen! Wir haben die erfolgreichste Freihandelszone der Welt vor unserer Haustür - den europäischen Binnenmarkt, die Europäische Union, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr und vor allem die Freizügigkeit innerhalb der EU. Dagegen richtet sich Ihre Politik in Wahrheit. Wenn Sie so über Freihandel sprechen, dann ist das populistische Stimmungsmache. Das darf nicht die Leitlinie europäischer Politik werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dürr. - Schließlich spricht jetzt für die Landesregierung der Landwirtschaftsminister. Herr Minister Meyer, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat macht sich die Landesregierung Sorgen über die Forderungen insbesondere vonseiten der US-Landwirtschaft nach Aufweichung europäischer Verbraucherschutzstandards. Solche Forderungen sind nicht nur in den jetzt veröffentlichten Papieren zu finden, sondern auch in aktuellen Interviews, z. B. des US-Landwirtschaftsministers in der Welt vom 8. April. Es wird weiter versucht, die bewährten Standards wie die Kennzeichnung von GVO oder das Verbot der Chlorung von Lebensmitteln aufzuweichen. Es wird z. B. gefordert, Hormonfleisch in die EU einführen zu können.

Die Landesregierung hat dazu eine klare Haltung: Verbraucherschutz, Umweltschutz und Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte sind für uns im Rahmen eines Freihandelsabkommens nicht verhandelbar. Jede Seite muss weiterhin demokratisch Grenzwerte, Kennzeichnungen und Verbote von Verfahren, etwa in der Landwirtschaft, festlegen.

Lieber Herr Dürr, natürlich braucht ein Markt Regeln. Sie haben ja gefordert, überhaupt kein Handelsabkommen abzuschließen.

(Christian Dürr [FDP]: Ich habe das Gegenteil gesagt!)

Nicht die Politik soll entscheiden, wie ein fairer Handel aussieht, sondern Sie wollen entscheiden; das soll die Wirtschaft entscheiden.

(Christian Dürr [FDP]: Ihre Nase wird gerade immer länger, Herr Minister!)

Sowohl der europäische Binnenmarkt als auch die übrige Welt braucht faire Handelsregeln, die demokratisch beschlossen werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Ihr seid für Ab- schottung! Ihr seid für Renationalisie- rung!)

Deshalb ist unsere Position ganz klar: Hormonfleisch, GVO und Chlorhühner dürfen auch weiterhin nicht auf die Teller der europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher gelangen. Die FDP in Niedersachsen - daran erinnere ich noch einmal; und möglicherweise schämen sie sich ja für diesen Antrag - hat in diesem Landtag beantragt, das Chloren von Hühnern zuzulassen. Den Antrag haben Sie am Ende wieder zurückgezogen; das kann man in den Drucksachen nachlesen.

(Christian Dürr [FDP]: Sie sind für Ab- schottung und Renationalisierung! Und die Salmonellen-Toten sind Ihnen vollkommen egal, oder Herr Mi- nister? - Diese Arroganz ist grün!)

Das ist Ihnen heute peinlich; das war auch der CDU peinlich.

Der Landtag hat dazu eine Anhörung mit der Geflügelwirtschaft gemacht, die Ihnen noch einmal erklärt hat, wie gut unsere Standards in Europa sind, wie stolz die anderen auf unsere Verfahren ist. Und dann haben Sie den Schwanz eingezogen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir nehmen die Sorgen unserer Landwirtschaft - vielleicht hören Sie ja darauf - sehr ernst. Erst kürzlich hat das Landvolk in Cloppenburg, Vechta, Emsland von der Bundeskanzlerin „klare Kante“ gegen TTIP gefordert. Die niedersächsische Geflügelwirtschaft, vertreten durch Herrn Ripke, hat ihr klares Nein zu TTIP bekräftigt.

(Unruhe)

Herr Minister, einen Moment, bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es laufen diverse Randgespräche im Hintergrund, auch an der Regierungsbank. So geht das nicht! Alle, die sich der Debatte widmen wollen, nehmen bitte Platz. Wer das nicht tun möchte, kann gerne rausgehen.

Bei dieser Gelegenheit, Herr Minister, frage ich Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bley zulassen.

Dann hat jetzt Herr Bley das Wort. - Ihre Redezeit, Herr Minister, wird angehalten.

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Meyer, Sie haben unsere Region genannt und gesagt, sie habe sich gegen TTIP ausgesprochen. Können Sie das differenziert darstellen? Und können Sie auch bestätigten, dass sich Herr Ripke nicht pauschal gegen TTIP ausgesprochen hat, sondern nur gesagt hat, dass es in einzelnen Passagen Verbesserungen geben muss und nicht das passiert, was von der Presse verkündet wurde?

Vielen Dank, diese Frage beantworte ich Ihnen gern.

Mir liegt die Ausgabe der Oldenburgischen Volkszeitung vom 23. April 2016 vor - das ist die regionale Zeitung bei Ihnen vor Ort.

Die Überschrift des Artikels lautet: „Agrarbranche bangt um Standards.“ Ich zitiere:

„Der Cloppenburger Kreislandvolkschef Hubertus Berges forderte gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, bei ihrem Treffen mit Obama ‚klare Kante‘ zu zeigen.“

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

„Die Kanzlerin solle das ‚klare Nein‘ des Landvolks zu TTIP deutlich machen, hieß es in einer Mitteilung der Landvolkverbände Cloppenburg, Oldenburg und Emsland. Sie

befürchten eine Aufweichung der hohen EUStandards in der Nutztierhaltung und in der Lebensmittelerzeugung. Berges: ‚Eine Amerikanisierung der Tierhaltung ist für uns undenkbar. Deswegen lehnen wir TTIP ab.‘“