Protokoll der Sitzung vom 07.06.2016

Bitte schön, Herr Heere!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Initiativen der beiden Oppositionsfraktionen belegen wieder einmal, wie kurzsichtig ihr politisches Handeln ist. Wie extrem kurzsichtig das ist, wird deutlich, wenn man sich die Dynamik des zweiten Halbjahres 2015 in Erinnerung ruft.

Wir hatten 2015 zwei Nachtragshaushalte zum Thema Flucht: einen mit Mehrausgaben von 120 Millionen Euro, vor allen Dingen für die Kommunen, im Juni, einen mit Mehrausgaben von 500 Millionen Euro im Oktober.

(Christian Dürr [FDP]: Mit Geld vom Bund!)

Wir haben dies zum Teil sogar gemeinsam mit Ihnen beschlossen, weil sich die Situation der Geflüchteten innerhalb weniger Wochen so zugespitzt hat, dass dieser finanzielle Nachsteuerungsbedarf für uns alle völlig unstrittig war.

(Christian Dürr [FDP]: Sie haben dafür gesorgt, dass das Geld nicht bei den Flüchtlingen angekommen ist! Das war Ihre Verantwortung!)

Genau deshalb sind die Ausgaben im Bereich Flucht in den weiteren Planungen zum Haushalt 2016 im Dezember kurzfristig um weitere 600 Millionen Euro auf fast 1,3 Milliarden erhöht worden. An die Technische Liste Flüchtlinge werden Sie sich sicherlich noch erinnern.

Mit diesen Maßnahmen hat Rot-Grün echte Handlungsfähigkeit in diesem Bereich bewiesen. Das war gut so.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Da klatscht nur noch einer!)

Wir wissen alle, dass die aktuelle Lage in diesem Bereich ziemlich unplanbar ist. Heute haben wir Minderausgaben bei der Erstaufnahme der Geflüchteten. Im Gegenzug haben wir aber bei der Sprachbildung für Kinder und Erwachsene nachgesteuert. Außerdem besteht größerer Zuschussbedarf bei unbegleiteten Minderjährigen. Selbst wenn im Saldo - auch aufgrund von Steuermehreinnahmen - tatsächlich im Moment etwas über sein sollte, müssen wir uns doch fragen: Ist es wirklich sinnvoll, diese Mittel jetzt anderweitig zu verplanen?

(Christian Grascha [FDP]: Nicht an- derweitig verplanen! Wir verzichten einfach auf Schulden!)

Die Antwort kann nur lauten: Nein. Denn wir wissen nicht, wie es sich dieses Jahr insbesondere beim Thema Geflüchtete entwickelt. Oder haben Sie eine Glaskugel, mit der Sie vorhersagen können, wie der Krieg in Syrien verläuft und was Herr Erdoğan in der Türkei als Nächstes vorhat? Das ist doch nicht Ihr Ernst. Es ist nicht einmal das erste Halbjahr 2016 um. In einer so volatilen Situation kann es nur richtig sein, weiter vorsichtig zu agieren, anstatt - Ihr Vorschlag - neue Ungewissheiten zu beschließen. Solch unseriöse Planung machen wir nicht mit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben zehn Jahre lang tolle Planungen angestellt und dabei über 15 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. In diesem Geiste fordert die CDU in ihrem Antrag jetzt zugleich weniger Schulden und mehr Ausgaben. Wie geht das?

Außerhalb dieses Antrags fordern Sie auch noch flächendeckende Schulsozialarbeit und eine massive Steigerung der Investitionen in die landeseigene Infrastruktur. Es ist schon bezeichnend, dass Sie diese und weitere Forderungen, die wir diese Woche in diesem Plenum beschließen sollen - das sind Ihre Anträge -, in diesem Haushaltsantrag gar nicht aufgeführt haben. Aber das ist auch klar; denn Sie müssten die Quadratur des Kreises versuchen. Das kann nicht funktionieren. Wir machen hingegen seriöse Haushaltspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Erzählen Sie uns nichts über die Entlastung der Kommunen! Wer hat die Pauschale mehrfach auf bald 10 000 Euro pro Flüchtling angehoben? Wer hat den Abrechnungszeitraum zumindest um ein halbes Jahr verkürzt? Wer hat zusätzliche, dezentrale Programme für die Flüchtlingssozialarbeit aufgelegt? Wer hat für flächendeckende Sprachförderung gesorgt, sodass die Kommunen und die Ehrenamtlichen entlastet werden?

(Christian Dürr [FDP]: Wer hat die Lehrerstellen nicht besetzt? Wer hat die Schulsozialarbeiterstellen nicht besetzt? Wer hat es nicht hingekriegt? Wer hat das Geld den Kommunen nicht gegeben? Das wart ihr!)

Rot-Grün war das, und das ist richtig so.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Man kann immer sagen, es muss noch mehr gemacht werden - keine Frage.

(Christian Grascha [FDP]: Ihr habt noch keine einzige Stelle besetzt! Das ist doch das Problem!)

Aber die großen Anstrengungen, die diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen in diesen Punkten unternommen haben, einfach wegzufegen und immer nur mehr zu fordern, das hat mit seriöser Politik nichts zu tun.

(Christian Dürr [FDP]: Nein! Macht eu- re Arbeit! Mehr wollen wir doch gar nicht!)

Auf den Gesetzentwurf der FDP will ich nicht im Detail eingehen. Für mich ist Ihr Gesetz einfach nur rechtswidrig. Sie haben hier einen Nachtragshaushalt vorgelegt, und das ist die Hoheit der Landesregierung - ganz abgesehen davon, dass Ihr

Gesetz in dieser pauschalen Art kaum mit den haushaltsrechtlichen Grundsätzen für die Veranschlagung von Ausgaben und Einnahmen vereinbar ist.

(Christian Grascha [FDP]: Ist die Steuerschätzung keine Grundlage, um einen Haushalt aufzustellen?)

Unter diesen Bedingungen frage ich mich wirklich, wie viel Sinn die Ausschussberatung noch macht. Für rechtlich fragwürdige Schaufensteranträge stehen wir jedenfalls nicht zur Verfügung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Heere. - Es liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor. Herr Kollege Hilbers, bitte schön!

(Gudrun Pieper [CDU]: Frag ihn doch einmal, was er darüber denkt, was die Kommunen darüber denken! - Helge Limburg [GRÜNE]: Sie wollen also die Justiz in Niedersachsen zusammen- streichen! Erläutern Sie einmal, wa- rum!)

Herr Heere, Sie haben hier nun deutlich gemacht, was Sie alles für die Kommunen getan haben. Dazu will ich feststellen: Das, was Sie gemacht haben, haben Sie nicht gemacht, weil Sie es machen wollten, sondern weil der Druck der großen Zahl so massiv war, dass sie gar nicht anders konnten, weil Sie ohne die Kommunen Ihre Flüchtlingsarbeit überhaupt nicht hätten bewerkstelligen können und weil die Kommunen Ihnen die Laterne vor die Tür gestellt hätten, wenn Sie das nicht gemacht hätten.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben hier aufgeführt, was Sie getan haben. Aber in einem entscheidenden Punkt sind Sie den Kommunen nicht entgegengekommen. Sie rechnen nämlich nach wie vor nach dem Durchschnitt des Vorvorjahres und des Vorjahres ab.

(Renate Geuter [SPD]: Und wie war das zu Zeiten von Schwarz-Gelb?)

Sie rechnen Flüchtlingszahlen also aus Zeiten ab, als der Flüchtlingszuzug relativ marginal war. Der jetzige Ansturm wird nicht berücksichtigt.

(Zuruf von Renate Geuter [SPD])

- Frau Geuter, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Sie müssen nur die Drucksache 17/5838 lesen. Das ist die Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung. Sie ist von Herrn Minister Pistorius unterschrieben. Da finden Sie die Zahlen der Regierung und nicht meine.

Ausweislich dieser Liste - wenn man die beiden Beträge addiert: das, was die Kommunen eingebucht haben, und das, was die Kommunen nicht mehr einbuchen mussten, sondern in den Jahresabschluss eingestellt haben - kommen Sie auf 600 Millionen Euro. Diese 600 Millionen Euro sind die Forderungen, die die Kommunen an Sie haben. Das sind Ihre Schulden, die die Kommunen über den Verzicht auf eigene Maßnahmen oder über Kassenkredite finanzieren.

Das ist die Wahrheit. Loben Sie sich bitte nicht für die kommunale Ausstattung! Das finden auch die Kommunen langsam lächerlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Heere, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hilbers, es ist immer wieder erstaunlich, wie Sie mit den Zahlen jonglieren. Aber dann lassen Sie doch immer mal wieder einen Ball fallen, weil Sie aus dem Blick verlieren, wie die Realität ist.

Wir haben die Pauschalen erhöht. Unter Ihrer Verantwortung lag das Niveau bei etwas mehr als 5 000 Euro. Wir sind jetzt bei 10 000 Euro. Diese Erhöhung gilt pro Kopf. Sie können doch nicht einfach behaupten, dass jetzt der Bedarf im Vergleich zu früher höher ist. Ich möchte Sie bitten, einmal nachzulesen, wie damals die Situation war. Natürlich hatten wir seinerzeit viel weniger Flüchtlinge. Natürlich waren deshalb die Kosten insgesamt deutlich geringer. Aber Sie können nicht einfach die Pro-Kopf-Kosten hochrechnen und behaupten, wir würden zu wenig machen. Die Anhebung ist ein wichtiger und richtiger Schritt gewesen.

Ganz ehrlich: Die Realität ist ganz anders als die Situation, die Sie hier beschreiben. Wir haben den Kommunen deutliche Signale gegeben,

(Christian Dürr [FDP]: Sie haben den Kommunen Signale gegeben? Kein Geld, sondern Signale?)

auch was den Abrechnungszeitraum angeht. Er ist ganz klar auf Anfang des Jahres vorgezogen worden. Und warum stellen wir immer noch auf die Zahlen des vorvergangenen Jahres ab? - Weil die Statistik einfach nicht schneller ist.

Sie sollten einmal die Realitäten berücksichtigen und nicht immer nur irgendwelche Vorwürfe in den Raum stellen, die uns schlecht aussehen lassen, aber nichts mit der Realität zu tun haben.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist grober Unfug, was Sie da erzählen!)