- Ich möchte trotz der etwas fortgeschrittenen Zeit darum bitten, dass in diesem Raum etwas Ruhe herrscht.
Herr Kortlang hat sich für die FDP-Fraktion gemeldet und wird als Erster zu dem Antrag sprechen. Bitte, Herr Kortlang!
Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Unseren Entschließungsantrag zu Natura 2000 werden Sie von der SPD, der CDU und den Grünen ablehnen. So ist es jedenfalls im Ausschuss kundgetan worden, und so steht es auch in der Beschlussempfehlung des Ausschusses.
Sie von der SPD lehnen den Entschließungsantrag mit den Argumenten ab, wir würden wie immer mauern, unsere Anträge würden die Naturschutzbehörden nur verunsichern, wenn wir Zahlungen leisten müssten, dann müssten vielleicht Gesetze geändert werden und dergleichen mehr. Erschwernisse für die Betriebswirtschaft auf unter Naturschutz und Landschaftsschutz gestellten Flächen sehen Sie allenfalls beim Wald. So habe ich Herrn Brammer in der ersten Beratung verstanden. Die CDU dagegen vertritt die Auffassung, für die Waldbesitzer sei alles getan. Nur so sei auch ihre Forderung im Wahlkampf zu verstehen gewesen, und so habe man sich auch in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD verständigt.
Meine Damen und Herren, für die Landwirte ist das ein Schlag ins Gesicht. Das muss man einmal ganz ehrlich sagen. Ihre über Generationen geleistete Arbeit an unserer Kulturlandschaft wird so in keiner Weise gewürdigt. Es wäre eigentlich verständlich, wenn die Grünen dabei jubeln würden; denn ihre Politik der letzten fünf Jahre wird hier mit Unterstützung der CDU weitergeführt. Das muss man einmal ganz klar sagen.
Ich muss meinen Stab auch über die CDU brechen, obwohl ich sonst immer löblich über sie gesprochen habe. Man muss sich schon sehr wundern: Sie stellt sich hin und lässt sich dafür abfeiern, dass sie der Ansprechpartner für die Landwirte ist. - Weit gefehlt! Es geht Ihnen, wenn man Ihre Argumentation hört, eigentlich nur um die Städter. Die sollen, wenn sie der dicken Luft entfliehen
Landwirte - auch diejenigen mit großen Höfen - sind bei Weitem nicht so solvent wie Industriebetriebe, Kapitalunternehmen, Großaktionäre, Firmeneigentümer, Gewerkschaften und die Umweltverbände. Vor dieser Klientel, die ich aufgezählt habe, kuschen Sie nämlich. An die gehen Sie nicht heran. Sie glauben aber, die Bauern ungestraft drangsalieren zu können.
Herr Kortlang, ich unterbreche Sie jetzt ungern. Ich bitte aber wirklich darum, dass die Zwiegespräche eingestellt werden. Das geht so nicht! Wir müssen uns wirklich alle noch einmal konzentrieren. - Ich erteile jetzt noch einmal Herrn Kortlang das Wort.
Ich verstehe natürlich, dass das nicht so fröhlich und nicht gut anzuhören ist. Sie möchten ja lieber Lob hören. Aber ich muss das einmal loswerden. Auch einem Altgedienten platzt ab und zu einmal der Kragen.
Meine Damen und Herren, Sie glauben, dass Sie die Bauern ungestraft drangsalieren können und dass Sie zum Wohl der Allgemeinheit Flächen unter Naturschutz stellen und so das Kapital bei diesen Herrschaften mindern können.
Deutschland ist durch die Kulturlandschaft geprägt. Das gilt gerade hier bei uns in Niedersachsen. Mit dem Wattenmeer haben wir ein riesiges Gebiet unter Naturschutz gestellt. Das ist sogar Weltnaturerbe. Über dieses Thema hätten wir auch noch einmal mit der EU sprechen können. Dann hätten wir ein Pfund gehabt, dort etwas anderes zu erreichen.
Meine Damen und Herren, gerade die Hannoveraner finden die Lüneburger Heide als Naturschutzgebiet ganz toll. Wer es genauer betrachtet - das machen wir von der Küste -, könnte auch von einer riesigen Industriebrache sprechen. Denn der Wald, der hier stand und den Sie ja propagieren, wurde gnadenlos abgeholzt, um die Salzsieder in Lüneburg mit Feuerholz zu versorgen, damit sie ihre Arbeit verrichten konnten.
Liebe Grüne, jetzt muss ich noch einmal an Sie herantreten: In den Städten machen Sie es sich auch sehr leicht. Hier versiegeln Sie Flächen. Als Ausgleichsmaßnahmen beantragen Sie, auf dem
platten Land den Landwirten Flächen wegzunehmen. Ihnen werden dort einfach Wirtschaftsflächen weggenommen. Ich sagte schon, ihr Kapital wird einfach gemindert.
Sie von den Grünen und vielleicht auch Sie von der CDU sollten sich über Folgendes Gedanken machen: Ornithologen haben in den letzten Jahren festgestellt, dass die Artenvielfalt in der Vogelwelt in den Städten weitaus größer ist als in Wäldern sowie auf Wiesen und Weiden. Sie kommen nicht auf die Idee, die jeweiligen Flächen in den Städten unter Naturschutz zu stellen. Wir von der FDP sagen, dass auf dem Lande gleiches Recht wie in der Stadt gelten muss. An die Flächen in der Stadt können Sie ja auch einmal herangehen!
Ich bin also etwas enttäuscht. Ich könnte zu diesem Thema noch mehr beitragen. Wenn ich aber höre, dass es eine Ablehnung geben wird, muss ich mich ja hier nicht noch weiter aus dem Fenster lehnen. Niedersachsen ist aber ein Pferdeland. Wir haben ja auch mit Pferdeparcours und Reiterei zu tun. Das Hindernis ist manchmal hoch. Vielleicht überlegen Sie sich ja noch, unserem Antrag doch zuzustimmen. Ich würde mich darüber freuen.
Danke, Herr Kortlang. - Die nächste Wortmeldung kommt von der SPD-Fraktion. Herr Kollege Axel Brammer, bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kortlang hat das eben schon gesagt: Die FDP macht mit diesem Antrag das, was sie schon immer gemacht hat. Sie mauert gegen Natura 2000. Deshalb will ich auf die einzelnen Forderungen eingehen.
Zu der Forderung unter Nr. 1: Der Minister hat sehr schnell mit einem entsprechenden Leitfaden klargestellt, dass die Vorgaben zur Sicherung der Natura-2000-Gebiete 1 : 1 umzusetzen sind. Dabei ist mir nicht so ganz bewusst, was Sie mit der Begrifflichkeit gemeint haben, „das mildeste Mittel“ zu wählen. Bei den Unterschutzstellungen zählt der effektivste Schritt in Richtung Natura 2000.
Zu der Forderung unter der Nr. 2: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wie soll das denn gehen, einen gesetzlichen Grundschutz bis zum Ende des Jahres, also innerhalb von acht Monaten, zu realisieren? Die einzelnen Regelungen einer Schutzgebietsverordnung müssen gemäß dem Bestimmtheitsgebot hinreichend konkret sein. Mit Blick auf den konkreten Schutzzweck dürfen sie allerdings gemäß dem Übermaßverbot auch nicht unverhältnismäßig sein. Deshalb wird ein von oben verordneter Grundschutz in einer so unterschiedlichen Landschaft wie in Niedersachsen nicht umsetzbar sein. Er würde entweder aufgrund einer Unverhältnismäßigkeit bei den Grundeigentümern zu Ärger führen, oder er würde, wenn er nicht hinreichend konkret ist, von Brüssel kassiert werden.
Zu der Forderung unter der Nr. 3: Über Vertragsnaturschutzmaßnahmen kann man reden, wenn nach dem Sicherungsverfahren, um das es hier geht, die Managementpläne erarbeitet werden. Das muss dann aber auch passen.
Heute geht es zunächst um Schutzgebietsverordnungen, bei denen die EU Vertragsnaturschutz nicht anerkennen wird. Das Schlimme ist: Sie wissen das und kommen dennoch mit solchen Forderungen um die Ecke.
Zu der Forderung unter der Nr. 4: In der Konsequenz dessen, dass Sie als Forderung Nr. 2 den Grundschutz thematisiert haben, fordern Sie eine Aufhebung aller Unterschutzstellungserlasse, die von den Landkreisen bereits beschlossen wurden. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller unteren Naturschutzbehörden vor Ort, die sich bei der Erstellung der Erlasse unwahrscheinlich ins Zeug legen. Außerdem unterstellen Sie den örtlichen Kreistagen Inkompetenz bei deren Beschlüssen. Sagen Sie einmal: Wie gehen Sie eigentlich mit Kommunalpolitik um?
Zu der Forderung unter der Nr. 5: Sie fordern, dass der für Naturschutzgebiete bestehende Erschwernisausgleich auf Landschaftsschutzgebiete ausgeweitet wird. Über einen Erschwernisausgleich insbesondere in Bezug auf Waldflächen kann man durchaus reden. Das hat Herr Kortlang eben schon einmal zitiert. Das darf aber nicht dazu führen, dass derartige Zahlungen eine präjudizierende Wirkung für andere Gebiete entwickeln. Das könnte Niedersachsen nicht bezahlen. Allerdings kön
Zu der Forderung unter der Nr. 6: Sie fordern, dass die Naturnutzer und die Grundeigentümer eng in die Entscheidungen einbezogen werden. Die Ausweisung der Natura-2000-Gebiete durch die unteren Naturschutzbehörden garantiert eine enge Beteiligung der Betroffenen in einem festgelegten Verfahren vor Ort. Insbesondere Ihre Fraktion war seinerzeit bei der Auflösung der Bezirksregierungen der Meinung, dass die Arbeit sehr gut von den unteren Naturschutzbehörden vor Ort geleistet werden könne. Und jetzt wollen Sie den Grundschutz von oben verordnen!
Die Fraktionen von SPD und CDU haben sich schon Gedanken gemacht, ob sie hier eventuell einen Änderungsantrag einbringen sollten. Dazu müsste Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, allerdings zumindest etwas Substanz aufweisen. Wir haben intensiv gesucht - aber da war nichts!
Wie schon erwähnt: Die Forderung 1 hat der Minister schon abgeräumt, als die Tinte auf Ihrem Antrag noch nicht einmal getrocknet war. Und in Ihren Forderungen 2 bis 6 verlangen Sie, dass die Landesregierung die Fehler des FDP-geführten Umweltministeriums in den Jahren 2003 bis 2012 wiederholt. Da haben Sie nichts gelernt!
Wir wollen das auch als Signal verstanden wissen, damit die Planungen vor Ort jetzt zielstrebig weitergehen. Die Verunsicherung in den unteren Naturschutzbehörden muss ein Ende haben. Dass die EU in dieser Frage keinen Spaß versteht, sehen wir an der Tatsache, dass mittlerweile die ersten Staaten, z. B. Portugal, verklagt werden. Unser Ziel bleibt nach wie vor, dass die Schutzgebietsverordnungen bis Ende des Jahres erlassen werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natura 2000 mal wieder! - „Mal wieder“ sind die falschen Worte. „Natura 2000 noch immer“ muss es heißen. Dieses Programm gibt es, wenn man von den Anfängen an rechnet, seit mehr als 25 Jahren, ja bis zu 27 Jahre.
Wir haben bis heute nicht einmal annähernd alles umgesetzt und stehen schon seit 2014 unter einer Vorwarnung der EU. Übertragen gesprochen, heißt das: Wir sind in einer Mahnphase. Über uns schwebt zum Ende des Jahres das Damoklesschwert von Strafzahlungen, die auf unser Land zukommen können.
Einige von Ihnen haben heute das 20-jährige Jubiläum in diesem Parlament gefeiert. Diejenigen kennen dieses Programm schon fast so lange, wie es besteht.
Wir haben vorhin gehört, dass die AfD doch bitte keine Anträge auf Dinge stellen möge, die schon selbstverständlich sind, die schon laufen. - Dann ist die Frage an die Regierung: Was läuft eigentlich bei Natura 2000, und wann ist es so weit?
Den Kommunen kann man nichts anlasten. In den unteren Naturschutzbehörden wurden 50 neue Stellen allein für diesen Zweck geschaffen. Es wurden zahlreiche Arbeitshilfen, Handreichungen und Ähnliches vorgelegt. Die Kommunen leisten das Beste, was sie leisten können, und sie leisten einen guten Beitrag. Bei ihnen ist die Arbeitsfähigkeit gegeben. Dann kommt das Problem doch wohl von oben!