Protokoll der Sitzung vom 16.05.2018

Und deswegen, Herr Kollege Lechner, erinnere ich mich auch noch gut an die Ausschussberatung

(Sebastian Lechner [CDU]: Ich war im Innenausschuss!)

- Sie sind ja regulär nicht im Rechtsausschuss - und habe schon Zweifel, ob die Vertreterinnen und Vertreter der CDU bei derselben Ausschussberatung anwesend waren.

Das, was wir hier heute bei Ihnen und auch bei der Kollegin Osigus erlebt haben, war in der Tat die Bestätigung dessen, was wir im Ausschuss erlebt haben: Das war die pure Arroganz der Macht. Sie haben nicht inhaltlich begründet, sondern Sie machen es, weil Sie es können. Das ist der einzige Grund.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Konkret: Sie haben die §§ 8 und 10 des Gesetzentwurfs angesprochen. Im Rechtsausschuss haben wir, bei aller Meinungsverschiedenheit im Grundsatz, vorgeschlagen, es zumindest hier etwas rechtssicherer zu machen und die Betroffenenrechte nicht einzuschränken, sondern zumindest Kontrollinstanzen einzuziehen, beispielsweise Pflichten zur Information der Landesdatenschutzbeauftragten. Das haben Sie ohne Argumentation, ohne darauf einzugehen, einfach abgebügelt. - Das ist nur ein Beispiel.

Zweite Bemerkung: Sie haben davon gesprochen, dass Sie davon ausgehen, dass Behörden in Niedersachsen sich schon an das Recht halten werden und die Landesdatenschutzbeauftragte deswegen keine Befugnisse braucht. Lieber Herr Lechner, Ihr eigenes Innenministerium hat mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs und Ihre Mehrheitskoalition hat mit dem Durchpeitschen dieses Gesetzentwurfs bewiesen, dass das eben nicht wahr ist, dass Sie sich eben nicht an Recht und Gesetze halten, sondern dass Sie sehenden Auges gegen höherrangiges Recht verstoßen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Dritte Bemerkung: Dieser Entwurf zum Datenschutzrecht und das Polizeigesetz, das Sie dabei mit anfassen und morgen schon wieder ändern wollen, atmen drei Grundsätze ein: Betroffenenrechte einschränken, Kontrollinstanzen einschränken und die Befugnisse der Behörden ausweiten. Für den Datenschutz in Niedersachsen ist das heute ein ganz, ganz schlechter Tag.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke schön. - Herr Lechner, bitte sehr! Sie dürfen antworten.

Werter Kollege Limburg, wir waren natürlich in unterschiedlichen Ausschüssen. Einer war im Innenausschuss und einer im Rechtsausschuss.

(Belit Onay [GRÜNE]: Da war aber derselbe GBD!)

Wir haben das natürlich inhaltlich begründet. Ihr Antrag hat ausgesagt, dass Sie die abstrakten Regelungen für Garantien aus § 9 Abs. 3 und 4 auf die §§ 8 und 10 übertragen wollen. Das war der Antrag der Grünen. Und die Experten und die Menschen, mit denen wir gesprochen haben, haben uns klar gesagt, dass das so einfach nicht geht, sondern dass es rechtlich sauberer und auch besser wäre, wenn man die Formulierungen für die einzelnen Konstellationen in den Fachgesetzen vornimmt.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ma- chen Sie ja nicht!)

Genau das werden wir jetzt tun. Das habe ich Ihnen angedeutet.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Wann denn?)

Insofern kommen wir da dem europarechtlichen Anspruch völlig nach.

Zweitens: Sie stellen sich hierhin und sagen, dass das, was wir mit der Landesdatenschutzbeauftragten machen, nicht richtig ist. Es geht hier um Artikel 47 Abs. 2 in der JI-Richtlinie. Die Befugnisse der Landesdatenschutzbeauftragten sind dort beispielhaft aufgeführt und keine Forderungen des Rechtes.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Sie miss- trauen Ihrer eigenen Datenschutzbe- auftragten!)

Wir haben berechtigterweise von unserem Recht Gebrauch gemacht,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Warum ist sie denn so sauer?)

das so zu kodifizieren, dass wir einen guten Ausgleich - das ist der Grundsatz, nach dem wir hier Recht machen - zwischen einem hohen Datenschutzniveau und dem Schutz der Sicherheitsinteressen unseres Landes gewährleisten und eben keinen Datenschutzfundamentalismus.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Lechner. - Es folgt jetzt für die AfD der Abgeordnete Christopher Emden. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir heute diskutieren, ist ein Beispiel für kollektives Politikversagen. Oder man könnte sagen „fast kollektives“, weil immerhin drei Fraktionen hier im Niedersächsischen Landtag daran beteiligt sind.

Zunächst einmal ist es erstaunlich: Da gibt es einen Arbeitsauftrag - einen schlichten, wenn auch zugegebenermaßen recht komplexen - seitens der EU, nämlich die EU-Datenschutz-Grundverordnung innerhalb von zwei Jahren umzusetzen.

Und was macht Rot-Grün? - Nichts! Sie fassen das schlicht nicht an. Dann auf einmal merkt man: Oh, der 25. Mai 2018 rückt immer näher! - Dann gab es

noch eine Landtagswahl. Dann gab es noch eine geänderte Regierungsmehrheit.

Dann setzen sich SPD und CDU daran und machen - man kann nicht sagen - nichts, aber jedenfalls nichts Besseres. Denn der Gesetzentwurf, der hier von der Landesregierung vorgelegt worden ist - das klang vorhin schon mehrfach an; ich kann es nur betonen -, ist eigentlich das Papier nicht wert, auf dem er steht. Man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, den GBD in dem erforderlichen Maße einzubinden. Herr Kollege Lechner hat vorhin vom „Hochreck“ gesprochen. Ich denke, gerade juristisches „Hochreck“ erfordert es, den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst intensiv in die Beratung einzubinden. Deshalb kann es nicht angehen, dass man diese Beratung auf eine Dauer von zwei Monaten beschränkt.

Im Rechtsausschuss haben wir vom GBD gehört: Wir sind quasi nicht eingebunden worden, wir konnten bloß eine kursorische Durchsicht des Entwurfes vornehmen; mehr war in der Zeit nicht möglich. - Das kann nicht angehen. Auf meine Nachfrage hin wurde gesagt: Wir brauchen ungefähr sechs bis zwölf Monate, um dieses komplexe Gesetz vernünftig prüfen zu können.

Obgleich es bloß eine kursorische Prüfung dieses Gesetzentwurfes gab, sind dem GBD trotzdem eklatante Mängel aufgefallen - bis hin zur Verfassungswidrigkeit. Das wurde eben schon angesprochen.

Es wurde dann gesagt: Wir machen es aber trotzdem - lieber ein verfassungswidriges und völlig mit Mängeln übersätes Gesetz als gar kein Gesetz.

(Belit Onay [GRÜNE]: Sie haben im Innenausschuss doch zugestimmt!)

Ja, sehr geehrte Damen und Herren, es ist richtig: Wir haben die EU-Datenschutz-Grundverordnung, die ab dem 25. Mai 2018 unmittelbares Recht wird. Aber wir bekommen doch keine größere Rechtssicherheit, indem wir ein Gesetz verabschieden, das diverse Lücken und Mängel aufweist und nach meiner Überzeugung sogar verfassungswidrig ist.

Frau Osigus, es kann doch nicht angehen - darauf muss ich aus meiner Richtersicht kurz eingehen -, dass Sie sagen: Es mag ja sein, dass unser Gesetz falsch ist, aber die Gerichte biegen das dann wieder gerade! - Es ist doch nicht die Aufgabe der Gerichte, die Fehler, die in der Politik gemacht werden, geradezubiegen! Die Gerichte wollen eine vernünftige Grundlage, auf der sie das Recht anwenden können, und es ist die Aufgabe der Politik,

diese Grundlage zu schaffen. Ein Gesetz, das so viele Mängel aufweist wie das, über das wir heute debattieren, schafft diese Grundlage eben nicht. Dann gibt es nur eine Möglichkeit: Man verabschiedet es nicht, sondern berät es erst grundlegend und solide, damit man eine vernünftige Basis für eine vernünftige Gesetzesnovellierung hat.

Und wenn dann die Angst geäußert wird: „Oh Gott, dann gäbe es Rechtsunsicherheit, eventuell sogar Schadensersatzpflichten, weil das Land Niedersachsen die Datenschutz-Grundverordnung nicht umgesetzt hat!“, weise ich darauf hin: Schadensersatzpflichten gelten für das Land Niedersachsen eventuell auch dann, wenn ein Gesetz so fehlerhaft umgesetzt wird, wie es jetzt der Fall ist. Insofern setzt sich das Land damit sogar einer Schadensersatzgefahr aus.

Hinzu kommt - ganz am Rande; auch das wurde im Ausschuss debattiert -: Wir haben noch nicht einmal eine wirklich verlässliche Übersetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung. Das bedeutet, es wird ohnehin noch nachgebessert.

Hinzu kommt auch - darauf möchte ich auch noch hinweisen -: Sehr viele andere Länder haben es auch noch nicht vermocht - das ist natürlich keine Entschuldigung; aber das ist insoweit bedeutsam, als wir vor diesem Hintergrund noch ein bisschen Geschwindigkeit herausnehmen und ein bisschen mehr mit Solidität arbeiten könnten -, die Datenschutz-Grundverordnung umzusetzen.

Herr Kollege Emden, der Kollege Oetjen möchte eine Zwischenfrage stellen.

Herr Oetjen, bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege Emden. - Ich bin etwas erstaunt ob Ihres Redebeitrags. Denn im Innenausschuss, der dieses Gesetz federführend beraten hat, hat der Kollege Ahrends, der dort Ihre Fraktion vertritt, am Ende dem Gesetz - sowohl bei den Abstimmungen über die einzelnen Paragrafen als auch insgesamt - zugestimmt. Insofern wundere ich mich ein bisschen, woher dieser Sinneswandel kommt - auch wenn ich ihn inhaltlich teile.

Herr Kollege, das kann ich Ihnen erläutern: Der Gesetzentwurf wurde ja in zwei Ausschüssen beraten, federführend im Innenausschuss - das ist richtig - und mitberatend im Rechtsausschuss. Aus der juristischen Sichtweise heraus betrachte ich das anders. Wir haben intensive Diskussionen in der Fraktion darüber geführt. Wir von der AfD sind in der Lage, unsere Position zu reflektieren und eventuell zu einer Neubewertung zu kommen, wenn die Argumente dafür sprechen, etwas anders zu sehen.

(Beifall bei der AfD)

Wir sind also nicht Betonköpfe, die stets bei ihrer Meinung bleiben. Ein intensives Gespräch in der Fraktion, auch zwischen mir und dem Kollegen Ahrends, hat dazu geführt, dass ich ihn davon überzeugen konnte, dass es so, wie wir jetzt votieren werden und wie Sie es meinem Redebeitrag entnehmen können, richtig ist.

Ich möchte abschließend noch auf einen Punkt eingehen. Ich fordere noch einmal nachdrücklich zu einer intensiven Auseinandersetzung mit diesem Gesetzentwurf auf. Ich fand die Idee der Rücküberweisung an den Ausschuss gut. Ich weise noch einmal darauf hin: Wir lassen nichts anbrennen, wenn wir uns die Zeit nehmen, ein vernünftiges Gesetz zu schaffen, anstatt ein Gesetz zu beschließen, von dem wir schon jetzt wissen, dass es keinen Bestand haben wird, weil es grundlegend überarbeitet werden muss.

(Glocke des Präsidenten)

- Hätte ich noch mehr Zeit, würde ich noch auf Details eingehen. Einige Kritik, die an diesem Gesetz anzubringen ist, wurde aber schon seitens der FDP und der Grünen erwähnt.

Sie müssen zum Ende kommen!