- Ich finde es bezeichnend, dass Sie das „Quatsch“ nennen. Ich frage Sie nachher einmal, wie viele von Ihnen schon zu Ortsterminen in diesen Zentren waren.
In Bamberg nämlich liefert das dortige Transitzentrum nicht nur die Blaupause für die Ankerzentren, sondern auch erste Eindrücke, wie das tatsächlich in der Praxis funktioniert. Fragen Sie einmal den dortigen OB Starke, der schon in den Koalitionsverhandlungen seinen eigenen Leuten von der Einrichtung weiterer Zentren abgeraten hat!
Damit wir nicht in den Verdacht kommen, hier grüne Weisheiten zu versprühen: Oliver Malchow, der Chef der Gewerkschaft der Polizei - er hat kein grünes Parteibuch; das möchte ich Ihnen an dieser
Stelle noch einmal vermitteln -, hat gesagt, dass die Zustände in diesen Lagern ein erhebliches Aggressions- und Gewaltpotenzial bergen. Ich würde einer solchen Einschätzung des Chefs der Gewerkschaft der Polizei Glauben schenken, und Sie täten gut daran, das auch zu tun.
Übrigens - ich will nur einen ganz kleinen Ausflug machen - habe ich anders als die AfD Vertrauen in die Zahlen, die die Polizei uns zuliefert. Ich will sie nur an einer Stelle - weiter will ich darauf gar nicht eingehen - korrigieren: Die Mordrate in Deutschland ist nicht gestiegen - auch wenn die AfD sich das noch so sehr für ihre eigene Argumentation wünscht -, sondern gesunken. Das kann man nachlesen.
Weil wir gestern schon viel über diesen Zusammenhang gesprochen haben: Auch der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße, hat eines dieser Lager besucht, nämlich das Lager in Manching, und er war schockiert über die dortigen Zustände und die Vernachlässigung rechtsstaatlicher Grundsätze. Ich empfehle Ihnen, auch mit ihm Gespräche zu führen.
Diese Zentren sollen vorgeblich dem Ziel dienen, die Leute schneller abzuschieben. Das funktioniert aber so nicht. Es ist ja einen Binsenweisheit: Nur weil Sie sich mit vielen Leuten in das Wartezimmer eines Arztes setzen, kommen Sie nicht schneller dran. Schneller dran kommen Sie dann, wenn der Arzt schneller arbeitet.
Sehr geehrter Minister Pistorius, gestern haben Sie hier auf unsere Frage, ob es Planungen für Ankerzentren in Bramsche und in Fallingbostel gibt, geantwortet, dass es bisher keine Anfrage und keine konkreten Vorgaben aus Berlin gibt. Eine klare Absage hört sich anders an. Die beiden Möchtegern-Innenminister Schünemann und Toepffer
Das haben wir hier heute Morgen deutlich gesehen. Sie bejubeln die Ankerzentren mit kindlicher Begeisterung. Ich bin ziemlich sicher - ich würde es mir wünschen; wir können gern darüber reden -, dass Sie beim Ortstermin, beim Hospitieren schon selber erfahren haben, wie es da zugeht. Ich glaube allerdings nicht, dass das so ist.
Ich glaube auch nicht, dass Herr Minister Pistorius Ihre großmütigen Ansagen bei der Suche nach einem geeigneten Standort brauchen kann.
Ich bitte unseren Innenminister darum, diese Wahlkampfhelfer Bayerns im Auge zu behalten. Denn es mangelt ihnen in dieser Sache offensichtlich nicht an Aktionismus, aber an klarem Urteilsvermögen.
Lassen Sie sich hier in Niedersachsen nicht für den bayerischen Wahlkampf verheizen! Hier hat die SPD nämlich bei der letzten Landtagswahl die Mehrheit bekommen. Ich vertraue fest darauf, dass die Innenpolitik der ruhigen Hand sich fortsetzt.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Bevor wir fortfahren, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass „Quatsch“ nicht zum parlamentarischen Sprachgebrauch in diesem Hause gehört.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um Ankerzentren. Ich habe zunächst aber eine andere Frage.
Kennen Sie Astro TV? - Ich erkläre es Ihnen; Abgeordnete haben ja wenig Zeit zum Fernsehen. Astro TV ist ein deutscher Qualitätssender. Wenn Sie zappen, kommen Sie nach den Nachrichtensendern, Sportsendern und Verkaufssendern irgendwann zu Astro TV. Dort sehen Sie einen Hellseher in einem Studio irgendwo in der Welt. Menschen, die Ängste haben, die nicht wissen, wie es
in Zukunft weitergeht, können dort anrufen. Der Hellseher guckt dann in eine Kerze, guckt in eine Glaskugel oder legt Karten und sagt dann diesen Menschen eine Lösung für ihre Lebensprobleme.
Was hat das Ganze mit Ankerzentren zu tun, meine Damen und Herren? - Ich finde, auf den ersten Blick nichts. Aber es gibt eine erstaunliche Parallele. Da gibt es jemanden, der nicht weiß, wie die Zukunft weitergeht, der vielleicht auch Zukunftsängste hat.
Also: Er ruft bei seinem Hellseher an - das ist in diesem Falle dann Horst Seehofer - und sagt: „Mensch Horst, ich muss die Landtagswahl gewinnen. Wie soll ich das denn bitte machen?“ - Dann antwortet Horst - wahrscheinlich guckt er in seine Karten oder in die Flamme einer Kerze - und sagt: „Ankerzentren!“ - Und Söder sagt: „Was ist denn ein Ankerzentrum?“ - Darauf sagt Horst Seehofer: „Weiß ich nicht genau, aber sage das mal, dann gewinnst du schon.“
Er macht es also - und das, obwohl er nicht weiß, was das ist, obwohl es kein Konzept gibt, obwohl wir nicht wissen, was in diesen Ankerzentren genau passieren soll, wie die Abläufe sein sollen, wer diese Ankerzentren führen soll, welche Aufgaben genau dort gebündelt werden sollen - und hofft, dass er damit die Landtagswahl gewinnt.
Meine Damen und Herren, wer heute auch für Niedersachsen ein Ankerzentrum fordert, der fällt auf den gleichen billigen Trick rein wie Markus Söder oder diejenigen, die bei Astro TV anrufen.
Einen Moment, bitte, Herr Kollege Zinke! - Ich darf um Ruhe im Plenarsaal bitten. Das gilt für alle. Frau Piel, Herr Kollege Bode! Wenn Ruhe eingekehrt ist, würden wir hier gerne fortfahren.
Warum, meine Damen und Herren, ist denn eine solche Überschriftenpolitik im bayerischen Landtagswahlkampf überhaupt notwendig? - Eine solche Politik ist ja nur deshalb notwendig, weil die CSU uns seit Jahren und Monaten erklärt, dass wir in der Flüchtlingspolitik ein Riesenproblem haben, fortwährend. Wir haben heute wieder einen Ausschnitt davon gehört, von anderer Seite.
Uns wird also erzählt, dass wir ein Riesenproblem in der Flüchtlingspolitik haben und dass man CSU wählen sollte. Was aber tatsächlich passiert, ist, dass Extremisten gewählt werden. Wer gestern die Rede von Frau Weidel im Deutschen Bundestag gesehen hat, der sieht das Ergebnis dieser Politik. Das sind die Geister, die man rief.