Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Es ist die Abgeordnete Frau Dr. Silke Lesemann. Wir gratulieren, Frau Kollegin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, heute, am 20. Juni, begehen wir den Weltflüchtlingstag.
Seit 2001 erinnern wir auf Initiative der Vereinten Nationen einmal im Jahr, am 20. Juni, an die Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, die vor Konflikten, Verfolgung oder Gewalt flohen - in der Hoffnung, sich irgendwo ein sicheres und besseres Leben aufzubauen.
Allein im vergangenen Jahr waren nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit mehr als 68 Millionen Menschen auf der Flucht, die Hälfte von ihnen Kinder unter 18 Jahren.
Ein Großteil der Betroffenen ist innerhalb des eigenen Landes auf der Flucht oder sucht Schutz in einem unmittelbar benachbarten Land. Viele haben sich auf lebensbedrohliche Fluchtrouten begeben, und etwa 4 Millionen Menschen haben dabei in Europa Zuflucht gesucht.
Seit dem Jahr 2015 wird der 20. Juni in Deutschland als Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung begangen. Mit dem Datum wird bewusst an den Weltflüchtlingstag angeknüpft, das Flüchtlingsgedenken aber ausdrücklich um das Schicksal der deutschen Vertriebenen erweitert.
Der damalige Bundespräsident, Joachim Gauck, begann seine Rede zum ersten offiziellen Gedenktag am 20. Juni 2015 mit den Worten:
Er erinnerte an die unfassbar große Zahl von Menschen, die am Ende des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verloren hatten, darunter auch 12 bis 14 Millionen Deutsche, und er gedachte der Millionen von Menschen, die sich heute auf der Flucht befinden und Hilfe suchen. Er schlug eine Brücke zwischen dem großen Leid der Flüchtenden damals und der Flüchtenden heute: den Vertriebenen aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern und den Familien, die heute aus Syrien, Somalia oder Kaukasien zu uns fliehen.
Sie alle eint die traumatische Erfahrung der Flucht: Entwurzelung, Angst, Verlust der Heimat - aber auch die Hoffnung auf einen Neuanfang. Doch im Unterschied zu heute lag Deutschland damals in Trümmern, und es gab wenig zum Teilen. Heute dagegen kommen die Flüchtlinge in eines der reichsten und politisch stabilsten Länder der Welt.
Der Präsident endete seinerzeit mit dem Appell, die Erinnerung an die vertriebenen und geflüchteten Menschen von damals zu nutzen, um den Hilfesuchenden heute human entgegenzutreten, ihnen zu helfen und in den Herausforderungen von heute die Chancen von morgen zu erkennen.
Ich erwähne die Rede des Bundespräsidenten, weil Haltung und Empathie, die sich in diesen Worten zeigen, uns auch heute bewegen sollten.
Meine Damen und Herren, Flucht und Vertreibung sind untrennbar auch mit der Geschichte unseres Bundeslandes verbunden, haben es von Anbeginn entscheidend geprägt. Wie kaum ein anderes Bundesland ist Niedersachsen reich an Erfahrungen bei der Aufnahme und Integration von Menschen, die einst ihre Heimatländer verlassen mussten. Wie kaum ein anderes Bundesland hat Niedersachsen auch erfahren, welche Chancen Flüchtlinge einer Gesellschaft bieten.
Nach 1945 wurden Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aufgenommen. 1950 lebten mehr als 1,8 Millionen Heimatvertriebene in Niedersachsen, mehr als ein Viertel der damaligen Bevölkerung. Sie haben beim erfolgreichen Wiederaufbau unseres Landes mitgeholfen, und dies, obwohl auch diese Menschen das Trauma ihrer Vertreibung, die Ängste vor einer ungewissen Zukunft bewältigen mussten. Und nicht immer wurden sie mit offenen Armen in ihrer neuen Heimat empfangen. Umso mehr zählt ihre große Integrationsleistung in und für unsere Gesellschaft.
Wie kein anderer Ort symbolisiert Friedland mit dem Grenzdurchgangslager und dem 2016 eröffneten Museum diese historische Prägung.
Friedland hält die Geschichte und das Erbe von Millionen von Heimatvertriebenen im historischen Kontext wach, erinnert an die Hunderttausenden Deutschstämmigen aus den sowjetischen Wolgagebieten und der Südukraine, die infolge der sogenannten Stalin-Dekrete 1941 nach Sibirien, Kasachstan oder Kirgistan verschleppt, verbannt, deportiert wurden. Viele überlebten die Tortur nicht.
Friedland erzählt ebenso vom leidvollen Schicksal der Aussiedlerinnen und Aussiedler, die in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion zu Hunderttausenden Opfer politischer Repressionen, Verfolgung und Vertreibung wurden.
Am „Tor zur Freiheit“ Friedland gedenken wir jedes Jahr dieser schmerzlichen Vergangenheit, erinnern an die persönlichen Vertreibungsschicksale und rufen damit zugleich in unser Bewusstsein, dass Flucht, Vertreibung und ethnische Säuberungen auch heute Millionen von Menschen großes Leid zufügen.
Meine Damen und Herren, in den vergangenen 70 Jahren haben mehr als 4 Millionen Menschen das Grenzdurchgangslager Friedland passiert. Die überwältigende Mehrheit von ihnen hat es geschafft, sich ein neues Leben aufzubauen, eine tragfähige Existenz zu gründen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung unseres Landes, prägen und bereichern es. Daraus können wir Zuversicht und Selbstvertrauen schöpfen, wenn es um die Bewältigung der aktuellen Herausforderung der Aufnahme und Integration bei uns Schutz Suchender geht.
Wir alle wissen: Die Integration bleibeberechtigter Geflüchteter in unsere Gesellschaft, in Bildung und Arbeitsmarkt erfordert Geduld, Zeit und Anstrengung. Doch es wurde schon viel geschafft, auch dank unserer Kommunen, dank der zahllosen Ehrenamtlichen, die ihre Kraft, ihre Zeit investiert haben, um den zu uns geflüchteten Menschen zu helfen. Ihr Einsatz verdient unsere größte Anerkennung.
Meine Damen und Herren, mit 80 Millionen Flüchtlingen wurde das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Flucht genannt. Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, sind bereits über 68 Millionen Menschen auf der Flucht. Damit bleibt die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen eine der wichtigsten humanitären und zivilisatorischen Herausforderungen jedes einzelnen Landes sowie der Weltgemeinschaft. Dieser gilt es sich zu stellen. Es verbietet sich gleichzeitig, das Schicksal der Opfer von Flucht und Vertreibung politisch zu instrumentalisieren.
Der Landtag wendet sich auch in Zukunft entschieden gegen jede Form der Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung geflüchteter Menschen in unserem Land.
Wir kommen nun zur Tagesordnung. Die heutige Sitzung beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 13. Das sind die Anträge der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP zur Aktuellen Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 20.05 Uhr enden.
Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nun Frau Kollegin Eilers als Schriftführerin mit. Bitte!
Für den heutigen Tag liegt eine Entschuldigung vor, und zwar von der Landesregierung: die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Frau Dr. Carola Reimann.
Wie bereits mitgeteilt, werden heute die Anträge von CDU und FDP behandelt, und morgen sind es die Anträge der drei anderen Fraktionen.
Die in unserer Geschäftsordnung enthaltenen Regelungen und Bestimmungen zum Ablauf der Aktuellen Stunde setze ich wie gewohnt bei allen Beteiligten, auch bei der Landesregierung, als bekannt voraus.
a) Brennstoffzelle, Leichtbaustoffe, autonomes Fahren - Perspektiven für einen modernen Automobilstandort Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/1118
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Niedersachsen ist Autoland, und Niedersachsen bleibt Autoland. Neben der Dieselkrise steht unser Land aktuell vor großen Herausforderungen. Welche Technologie verspricht Erfolg? Ist es die Brennstoffzelle, der Leichtbau von Fahrzeugen oder das autonome Fahren? Sind es Hybridsysteme oder sogar Batteriefahrzeuge?
Uns als CDU-Fraktion ist wichtig, die Mitarbeiter bei Volkswagen und in vielen Zulieferbetrieben brauchen vor allem Folgendes: Anerkennung, Unterstützung und Perspektiven.
Unsere Autoindustrie ist dabei für die Technologien verantwortlich und die Politik für die Setzung der richtigen Rahmenbedingungen.
Mobilität, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat sich in der Geschichte der Menschheit stetig weiterentwickelt. Die ersten Menschen konnten nur ihre Füße benutzen. Später kamen das Pferd, das Schiff, der Heißluftballon, das Fahrrad, die Eisen
bahn, das Auto und das Flugzeug dazu. Jeder Fortschritt war aus Sicht der Beteiligten ein Quantensprung und eröffnete völlig neue Möglichkeiten.
Aktuell stehen wir wieder vor einem gewaltigen Innovationsschritt; denn die Möglichkeit, autonom, also ohne eigenes Zutun, mit leichten und trotzdem stabilen Fahrzeugen mit innovativen Antrieben zu fahren, wird die Mobilität, wie wir sie kennen, gewaltig verändern.
Um diesen Fortschritt zu erreichen, braucht es kluge Minister, kompetente Ingenieure, gute Politiker und eine Gesellschaft, die offen für Veränderungen ist.
Wenn ich mich umschaue, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehe ich, dass diese Voraussetzungen in Niedersachsen vorhanden sind. Und es braucht eine Diskussionskultur, in der offen über neue Ideen gesprochen werden kann - und ebenso über Fehlentwicklungen. Nicht jeder, der eine Idee hat, ist ein kluger Mann, und nicht jeder, der auf Argumentationsbrüche hinweist, will damit Innovationen verhindern.