Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat sich deutlich verlangsamt. Der Zubau von Onshorewindenergieleistung ist im ersten Halbjahr 2018 bundesweit um 29 % gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Auch in Niedersachsen ist der Ausbau um fast 20 % zurückgegangen, so Zahlen des
Bundesverbandes Windenergie. Die Branchenverbände BWE und die Stiftung Offshore-Windenergie warnen, dass das Ausbauziel der Bundesregierung von 65 % erneuerbarer Energie bis zum Jahr 2030 in diesem Tempo nicht erreicht werden könne. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, würden die Klimaziele deutlich verfehlt.
Die Große Koalition im Bund setzt die im Koalitionsvertrag angekündigten Sonderausschreibungen für Windkraftanlagen und Solarenergie nicht um. Die damit einhergehende sinkende Auftragslage macht sich nun ganz konkret auch in Niedersachsen bemerkbar. Während sich Bundeswirtschaftsminister Altmaier öffentlich gegen die versprochenen Sonderausschreibungen sperrt, versprach er bei Besuchen in Niedersachsen in der vergangenen Woche den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den ENERCON-Standorten seine Hilfe. Auch der Netzausbau kommt seit Jahren nur zögerlich voran.
Der Bundesverband Windenergie beklagt die zögerliche Ausweisung von Windkraftvorranggebieten in Niedersachsen bei den Regionalen Raumordnungsprogrammen. Das Landesenergieszenario sieht 2,1 % der Landesfläche für den Windenergieausbau vor. Überkapazitäten von Atom- und Kohlekraftwerken in Niedersachsen führen regelmäßig zur Abschaltung von Windenergieanlagen und hemmen den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Über 800 qualifizierte Arbeitsplätze, davon 700 allein in Niedersachsen, sollen bei Zulieferern des Windanlagenherstellers ENERCON gestrichen werden. Umweltminister Lies geht sogar von bis zu 1 000 bedrohten Arbeitsplätzen im Umfeld von ENERCON aus. Wegen des rückläufigen Ausbaus von Windenergieanlagen wolle das Unternehmen das Auslandsgeschäft ausweiten. Dies habe einen unmittelbaren Abbau von Arbeitsplätzen bei Zulieferern zur Folge, so der NDR. Die IG Metall geht davon aus, dass seit 2017 bereits 2 000 Jobs in der Windkraftbranche verloren gegangen sind.
Vor dem Hintergrund des drohenden Verlustes zahlreicher Arbeitsplätze und des für die Einhaltung der Klimaziele notwendigen Ausbaus erneuerbarer Energien fragen wir die Landesregierung:
1. Wie viele Arbeitsplätze in der Windenergiebranche sind in Niedersachsen seit 2017 verloren gegangen bzw. sind aktuell gefährdet?
verhindern und Niedersachsen als attraktiven Standort für die Entwicklung, die Produktion und den Bau von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energie zu erhalten?
3. Wie will die Landesregierung die Ausbauziele des Landes bei den Vorrangflächen für den Windkraftausbau realisieren?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich zunächst einmal bedanken, dass das Parlament es mir ermöglicht hat, dass ich gestern an der Sitzung der Kommission in Berlin teilnehmen konnte.
(Jörg Bode [FDP]: Du hast hier was ver- passt! - Wiard Siebels [SPD]: Es waren nicht alle einverstanden!)
Das war sehr wichtig; denn es ging um zwei Punkte, die für unsere weitere Diskussion von Bedeutung sind.
Es ging darum, deutlich zu machen, in welcher Form wir in Niedersachsen von dem schon vollzogenen Strukturwandel aufgrund des Abbaus der Braunkohle betroffen sind.
Wir diskutieren immer sehr viel über die anderen Reviere. Man muss sich einmal die Zahlen klarmachen: Das Helmstedter Revier ist mit fast 10 000 Mitarbeitern betroffen, die im Laufe der Jahre mit dem Ausstieg aus dem Tagebau und schließlich mit dem Abschalten des Kraftwerks, das bis 2020 noch in der stillen Reserve ist, weggefallen sind.
Es ist ganz wichtig, dass wir bei der Diskussion in Berlin nicht nur über die Reviere reden, bei denen es um zukünftige Strukturwandelprozesse geht, sondern auch über die Reviere, die sich mittendrin befinden. Deshalb war es entscheidend, dass wir gestern in Berlin im Rahmen der Ausführungen der Länder - darum ging es gestern - deutlich gemacht haben, in welchem Strukturwandelprozess wir uns befinden.
Prozess. Wir reden im Wesentlichen über den Strukturwandelprozess im Zusammenhang mit dem Abbau der Braunkohle und rasen zugleich mitten in einen Prozess, der aber kein Strukturwandelprozess ist, sondern ein politisch erzeugter Prozess, bei dem es um den Verlust von Arbeitsplätzen im Bereich der Windenergie geht.
Das betrifft den Bereich der Onshorewindenergie, nachdem wir das gleiche Problem bereits bei der Offshorewindenergie hatten. Wenn wir ganz ehrlich sind, dann muss man sagen, dass die gesamte Photovoltaikbranche wie ein riesiger Luftballon geplatzt ist. Das war eine tolle Entwicklung mit Zehntausenden von Arbeitsplätzen - und davon ist nichts übrig geblieben.
Daher ist es richtig, sich mit dieser Frage intensiv zu beschäftigen. Deswegen habe ich gestern die Gelegenheit genutzt, in Berlin eben nicht nur den Strukturwandelprozess im Helmstedter Revier und die Notwendigkeit, dafür Mittel zu bekommen, deutlich zu machen, sondern auch aufzuzeigen, welchen Prozess wir gerade durch den Abbau von mindestens 835 Arbeitsplätzen erleben - so droht es bei ENERCON - und aufgrund der Arbeitsplätze, die wir bei Carbon Rotec verloren haben. Außerdem konnte ich auf die mögliche Delle hinweisen - das ist nicht auszuschließen -, in die wir hineinlaufen und die zur Folge hat, dass zumindest die große Gefahr besteht, dass noch weitere Arbeitsplätze in dieser Branche verloren gehen könnten.
Zu Frage 1: Nach Angaben des Bundesverbandes Windenergie waren 2016 bundesweit 160 200 Menschen in der Windenergiebranche beschäftigt, davon 27 200 im Bereich der Offshore- und 133 000 im Bereich der Onshorewindenergie. Entsprechend dem Bericht der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung vom März 2018 betrug in Niedersachsen im Jahr 2016 die Bruttobeschäftigung im Bereich Windenergie 36 000 Arbeitsplätze.
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass das nicht nur bei uns ein starker Motor ist, sondern dass die Windenergie deutschlandweit ein wichtiger Arbeitgeber ist und die Reduktion nicht immer nur ein Bundesland und übrigens nicht nur die nördlichen Bundesländer betrifft. Belastbare Angaben zur Beschäftigungssituation im Bereich Windenergie für das Jahr 2017 liegen statistisch erfasst noch nicht vor.
Die zukünftige Entwicklung der Beschäftigtensituation im Bereich der Windenergie wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Maßgeblich sind u. a. die Erwartung der Unternehmen für die zukünftige Entwicklung der nationalen und auch der internationalen Absatzmärkte, aber natürlich auch die Technologieentwicklung.
Vor diesem Hintergrund können wir keine belastbare Zahl abgeben, aber ich habe gerade schon auf die 400 Beschäftigten bei Carbon Rotec und aktuell die 835 Arbeitsplätze bei den ENERCONZulieferern hingewiesen. Wir haben noch eine Reihe von weiteren Unternehmen, die nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar gefährdet sind.
Zu Frage 2: Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren geeignete Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung der Windenergiebranche in Niedersachsen geschaffen. Dazu gehören insbesondere forschungs-, wirtschafts- und energiepolitische Maßnahmen. Die Landesregierung nutzt dabei die vorhandenen europäischen und bundespolitischen Spielräume sowie die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für die Ansiedlung von Unternehmen, den Ausbau der Windenergie sowie die Forschungsförderung.
Die hohe Beschäftigtenzahl in dieser Branche in Niedersachsen oder auch die Ansiedlung von Siemens in Cuxhaven, verbunden mit der Schaffung von ca. 1 000 Arbeitsplätzen, sind ein Beleg für die erfolgreiche Politik der Landesregierung.
Ich möchte zu dem Beispiel Cuxhaven noch hinzufügen: Wir standen nicht in einem Wettbewerb, bei dem es darum ging, wo in Niedersachsen die Ansiedlung erfolgen sollte, sondern in einem internationalen Wettbewerb, bei dem es Niedersachsen gelungen ist, Standort für die Produktion zu werden.
Im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung unterstützt die Landesregierung Unternehmen bei der Erschließung neuer Absatzpotenziale im Ausland in Form von Delegationsreisen und Beratung vor Ort durch die niedersächsischen Repräsentanten und Partner.
Weltweit setzen immer mehr Länder auf die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen. Dabei kommt insbesondere die Windenergie zum Tragen. Neue Absatzpotenziale sichern in dem Maße Arbeitsplätze der hiesigen Unternehmen, wie Wertschöpfungsanteile zusätzlicher Produktionsvolumina auf hiesige Unternehmen entfallen.
Des Weiteren wird der Wirtschaftsstandort Niedersachsen international vermarktet, insbesondere hinsichtlich der besonderen Kompetenzen im Bereich der Windenergie. Das Marketing zielt auf die Gewinnung von Unternehmen in komplementären und neuen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette der Windenergie. Im September dieses Jahres wird Niedersachsen bei einem Gemeinschaftsstand der WindEnergy in Hamburg, der Leitmesse für die Windindustrie, vertreten sein.
Schwerpunkt ist aktuell der Bereich Offshorewind auf Basis der niedersächsischen Küsteninfrastruktur und des Zugangs zu den Offshorewindparks in der Deutschen Bucht. Zuwächse entstehen unter anderem im Bereich Operational Maintenance. Im Bereich Onshore werden zukünftig vermehrt Lösungen im Bereich Rückbau und Recycling von Altanlagen nachgefragt.
Die gezielte Forschungsförderung des Landes auf dem Feld der Windenergie trägt ebenfalls zur Stärkung und Sicherung des hiesigen Standortes bei. Niedersachsen hat im Bereich der Windenergieforschung europaweit eine Spitzenstellung eingenommen. Das Know-how in diesem Bereich wird durch die intensiv und breit ausgerichtete Windenergieforschung in Niedersachsen gesichert. Unter anderem ist das niedersächsische Knowhow im Zentrum für Windenergieforschung ForWind gebündelt.
Da die Windenergieforschung trotz Einbußen in Niedersachsen noch immer ein beachtlicher Forschungsschwerpunkt bleibt, werden in diesem Bereich auf Dauer Arbeitsplätze gehalten und, so glaube ich, aufgrund der Entwicklung, die wir dort vorantreiben, auch neue in Niedersachsen geschaffen werden können.
Die Landesregierung wird diese Politik fortsetzen, um eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des hiesigen Wirtschaftsstandortes samt der ansässigen Unternehmen sowie Neuansiedlungen zu ermöglichen und damit letztendlich einen Beitrag zur Sicherung - die ist dringend notwendig - und perspektivisch hoffentlich wieder zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen im Bereich der Windenergie zu leisten.
Die Herstellung von Windenergieanlagen gehört zu jenen Bereichen, die unter die Positivliste der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur fallen. Damit können betriebliche Investitionen von Unternehmen zur Schaffung und/oder Erweiterung von Betriebsstät
In den Landkreisen Leer, Aurich, Oldenburg und Osterholz sowie in der Stadt Emden ist eine derartige Förderung für kleine und mittlere Unternehmen zulässig, nicht aber für Großunternehmen sowie konzernanhängige Betriebe und Betriebsstätten.
Anders stellt sich die Situation in den Landkreisen Wittmund, Friesland und Cuxhaven sowie in der Stadt Wilhelmshaven dar. Dort können zusätzlich zu kleinen und mittleren Unternehmen auch betriebliche Investitionen von Großunternehmen gefördert werden, sofern die entsprechenden Fördervoraussetzungen eingehalten werden.
Beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist ferner die Gestellung einer Landesbürgschaft z. B. für Betriebsmittelkredite oder eine andere Kreditlinie für den Erhalt von Arbeitsplätzen möglich. Kredite zur Sanierung eines Unternehmens werden dabei nur verbürgt, wenn sie einer dauernden und nicht nur vorübergehenden Ordnung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse dienen. In diesen Fällen ist ein schlüssiges Sanierungskonzept vorzulegen.
Zu Frage 3: Die Ausbauziele des Landes für die Windenergie werden im Windenergieerlass, der am 25. Februar 2016 in Kraft getreten ist, benannt und begründet. Als langfristiges Ziel ist die schrittweise Umstellung der Energieversorgung des Landes auf 100 % erneuerbare Energiequellen als Beitrag zur Umsetzung der Energiewende und zur Eindämmung des Klimawandels benannt.
Der Beitrag der Windenergie an Land soll hierfür bis 2050 mindestens 20 GW betragen. Unter Abschätzung des weiteren technologischen Entwicklungspotenzials von Windenergieanlagen an Land wurde zur Realisierung des Landesziels die Anzahl der erforderlichen Anlagen auf 4 000 bis 5 000 geschätzt und ein Flächenbedarf von mindestens 1,4 % der Landesfläche ermittelt. Nach heutigem Stand dürfte der erforderliche Bedarf an Planungsfläche eher bei mindestens 1,7 % der Landesfläche liegen.
Wie im Windenergieerlass erläutert, wurde beim errechneten Flächenbedarf nicht davon ausgegangen, dass auch die lediglich durch die Flügel der Anlage überstrichenen Flächen innerhalb planerisch ausgewiesener Gebiete liegen müssen. Bisher ist man sozusagen nur vom Turm selber ausgegangen; heute müssen beim Umfang die Flügelspitzen mitbetrachtet werden. Das erhöht bei sonst
gleichbleibenden Ansätzen die Flächenberechnung um 0,3 % der Landesfläche, bedeutet aber im Übrigen keine Erhöhung der Anlagenanzahl oder der tatsächlich durch Fundamente beanspruchten Fläche.
Einen Flächenbedarf von 2,1 % der Landesfläche für Windenergie hat das Gemeinschaftsgutachten „Szenarien zur Energieversorgung in Niedersachsen im Jahr 2050“ von CUTEC, EFZN, Ostfalia und dem Institut für Umweltplanung im Auftrag des MU errechnet. Dieses geht allerdings auch von einem Leistungsbedarf von 33 GW aus, für den 10 879 Windenergieanlagen erforderlich wären.
Inwieweit das Land am bisherigen quantifizierten Ausbau- und Flächenziel festhalten sollte, wird im Rahmen der Evaluation des Windenergieerlasses zu erörtern sein. Hinsichtlich der Realisierung des Ausbauziels des Landes verweist der Windenergieerlass auf die gegebenen Instrumente der Raumordnung und Bauleitplanung. Die planerische Steuerung der Windenergieentwicklung vor Ort ist dem sogenannten Wildwuchs des Windenergieausbaus allemal vorzuziehen.
Die örtlich zuständigen Planungsträger - in der Regel die Landkreise als Träger der Regionalplanung sowie die Städte und Gemeinden als Trägerinnen und Träger der Bauleitplanung - können die Flächen zur Nutzung der Windenergie per Regionalem Raumordnungsprogramm bzw. in den F- und B-Plänen festlegen - und natürlich auch andernorts ausschließen.