Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Ich möchte ein Beispiel aus der Vergangenheit, das leider wieder aktuell geworden ist, heranziehen, das sinnbildlich dafür steht, wie wir mit diesem Instrument, mit diesem scharfen Schwert der Haushaltskontrolle, umgehen. Der Landesrechnungshof hat 2001, dann noch einmal 2007 und 2017 - die letzte war eine Anschlussprüfung - das Wisentgehege in Springe geprüft. Ich will gar nicht auf das Wisentgehege selbst oder die Landesforsten eingehen,

(Wiard Siebels [SPD]: Aber Sie spre- chen gerade über das Wisentgehege!)

- ja, locker bleiben! - sondern darauf, dass das Ministerium irgendwo eine Kontrollfunktion wahrnimmt und dazu auch die Ergebnisse des Landesrechnungshofs nehmen könnte. Er hat nämlich bemängelt, dass im Grunde genommen gar kein Kosten-Leistungs-Vergleich stattfindet, zumindest keiner, der dazu führt, dass die gigantischen Zuschüsse des Landes von ungefähr einer halben Million Euro pro Jahr weniger werden - und das seit fast 20 Jahren nicht.

Das, meine Damen und Herren, kann natürlich nicht sein. Es kann nicht sein, dass wir uns ein Instrument wie den Landesrechnungshof leisten, der zu Ergebnissen kommt und sie uns dreimal vorträgt, wir sie aber dann einfach in den Wind schlagen und nichts daraus machen - jedenfalls nichts besser. Das ist eine deutliche Aufforderung an die jetzige Landesregierung, die Arbeit des Landesrechnungshofs nicht nur verbal zu würdigen, sondern seine Vorschläge auch ernst zu nehmen und umzusetzen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist Ihr wich- tigster Punkt? Das Wisentgehege?)

- Nee, bleiben Sie locker! Es geht gleich voll los, Herr Nacke; ich kann Sie beruhigen.

Geld ist ja da - ich hätte fast gesagt: „ohne Ende“, aber das stimmt natürlich nicht. Dieses Geld - das müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen - ist natürlich nicht deshalb da, weil die Landesregierung oder das Parlament insgesamt so gut gearbeitet haben, sondern weil die Niedersachsen einfach unglaublich fleißig sind, was sich auf die Einnahmeseite auswirkt. Und die niedrigen Zinsen aufgrund der EZB-Politik wirken sich auf die Ausgabeseite aus. Wir können uns im Moment also sehr, sehr günstig Geld leihen.

Deshalb kann ich auch nicht verstehen, wieso in der Presse Mitleid über Herrn Minister Hilbers ausgeschüttet wird, weil alle möglichen Petenten und Bittsteller auf ihn zukommen und um Geld bitten würden - sowohl aus den Regierungsfraktionen als auch aus Verbänden und Institutionen. Was gibt es denn eigentlich Schöneres, als tatsächliche Gestaltungsspielräume zu haben?

Das war, Herr Minister Hilbers, jahrelang nicht so. Der Haushalt ist in weiten Teilen determiniert; Sie haben das vorhin selber angesprochen. Wenn man die Landesbetriebe dazunimmt, entfällt fast die Hälfte auf Personalausgaben. Der Gestaltungsspielraum ist in der Regel sehr klein. Aber jetzt gerade, in diesem Moment, ist er, verglichen mit vorherigen Jahren, relativ groß. Sie haben zum ersten Mal echte Spielräume, um zu gestalten.

Wie würden wir als AfD - Herr Nacke, das werden wir selbstverständlich noch im Rahmen unserer Änderungsanträge einbringen -

(Jens Nacke [CDU]: Das wäre ja mal was!)

eigentlich dieses Gestalten leben? Wir würden in erster Linie - Sie ahnen es schon - natürlich in die Tilgung von Altschulden einsteigen. Meine Damen und Herren, im Moment stehen knapp 60 Milliarden Euro auf der Schuldenuhr für Niedersachsen. Angesichts dieser Zahl und bei einem Haushaltsvolumen von ungefähr 32 Milliarden Euro kann doch kein Mensch auf die Idee kommen, zu sagen, Niedersachsen gehe es finanziell gut. Das ist doch mehr als ein Witz!

(Beifall bei der AfD)

Aus der Antwort auf die Anfrage der FDP wissen wir auch, dass der Anstieg des Zinssatzes um 1 % bei den Zinsausgaben eine Mehrbelastung von 500 Millionen Euro per annum bedeuten würde.

Meine Damen und Herren, was hier immer wieder insinuiert wird - das steht leider auch in der Antwort auf die Anfrage -, ist, dass der Anstieg der Zinsen langsam geschehe. Das ist nicht in Stein gemeißelt. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 wissen wir doch, dass die Dynamiken, die im Moment in einer globalisierten Welt auf uns zukommen, nicht mehr einfach berechenbar sind. Wenn wir eins gelernt haben, dann doch, dass Ökonomen in der Lage sind, in der Rückbetrachtung, also ex post, zu sagen, warum etwas passiert ist. Aber auf keinen Fall sind sie in einer so globalisierten Welt in der Lage, treffende Voraussagen hinsichtlich der finanzwirtschaftlichen Entwicklungen zu treffen.

Meine Damen und Herren, Altschuldentilgung ist aus unserer Sicht eine Frage der Generationengerechtigkeit und die Zukunftsvorsorge schlechthin. Dass das geht, ist übrigens nicht nur eine wirre Idee irgendwelcher Oppositionsfraktionen, sondern das können Sie beispielsweise auch sehen, wenn Sie in die Haushalte der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt schauen. Die haben zwar Doppelhaushalte - von daher vorsichtig mit den Zahlen! -, aber denen gelingt es - übrigens während sie gleichzeitig so etwas Ähnliches haben wie ein Sondervermögen Digitalisierung -, signifikant mehr Altschulden zu tilgen als wir. Das sollte für uns doch der Maßstab sein. Es kann doch nicht sein, dass wir hinter eigentlich viel finanzschwächeren Ländern hinterherhinken.

Meine Damen und Herren von der Regierung, die Tilgung von Altschulden ist für Sie also nachrangig. Was ist vorrangig? Wie gesagt, eine rote Linie habe ich nicht so richtig erkannt. Das im Grunde am meisten genutzte Wort in Ihrem Haushaltsplan ist „Digitalisierung“. Die Aufstellung eines Masterplans ist an sich ja keine so schlechte Idee. Das zu bündeln und zu verstetigen, macht schon Sinn. Über den Inhalt haben wir schon trefflich gestritten; das werden wir auch in Zukunft weiter machen. Aber grundsätzlich ist es genau der richtige Weg und die richtige Idee, einen Masterplan aufzustellen.

Langsam kommen wir aber dahinter, was die Landesregierung eigentlich unter „Digitalisierung“ versteht, wofür also so viel Geld ausgegeben werden soll. Ich möchte als Beispiel die Finanzverwaltung, die Steuerverwaltung nennen. Da soll nun also - das ist in Ihrer Prioritätenliste enthalten - von Linux auf Windows umgestellt werden. Zunächst einmal - Herr Minister Hilbers, Sie mögen es nicht glauben -: Auch Linux ist schon ein digitales System.

(Beifall bei der AfD)

Wir wollen aber nicht unfair sein. Viele Dinge im Steuerrecht, in der Steuerverwaltung sind durch Bundesrecht determiniert. Herr Minister Hilbers kann hier also nicht einfach einen Vordruck für die Körperschaftssteuer oder für die Einkommensteuer erfinden; das ist völlig klar. Abgabenrecht dito.

Aber es gibt natürlich Punkte, bei denen Sie tatsächlich Ihre eigene Verwaltung digital viel besser aufstellen können, Herr Minister. Was ist denn z. B. mit einer seriösen Umsetzung der E-Akte? Das machen andere Länder viel besser als wir. Wir in Niedersachsen fahren immer noch Doppelstrukturen. Das Erste, was passiert, wenn Sie im Fi

nanzamt einen Betrieb anmelden, ist immer noch: Sie bekommen eine Akte - meinetwegen auch eine elektronische -, einen Aktendeckel, auf dem einer irgendwie herumgestempelt hat. Genau dazu sollte Digitalisierung doch eigentlich nicht führen: zu Doppelstrukturen. Wir wollten uns damit doch Arbeitsgänge sparen! Genau das Gegenteil tun wir aber im Moment. Nehmen Sie hier einen neuen Anlauf, und starten Sie vielleicht ein bisschen besser durch!

Wir haben natürlich auch Einsparpotenzial ohne Ende erkannt - an den Stellen, an denen Sie es vermuten, sowieso, aber auch an ganz anderen Stellen, z. B. beim niedersächsischen Verfassungsschutz. Da möchte ich eine ganz konkrete Einsparmaßnahme vorschlagen: Unsere Jugendorganisation wird ja beobachtet. Das ist super aufwendig.

(Wiard Siebels [SPD]: Dafür haben wir das Geld aber noch!)

- Vielleicht brauchen Sie es gar nicht, Herr Siebels. Warten Sie ab! Jetzt kommt der Knaller!

Das ist auch super teuer, die Überwachung mit Technik usw. usf., um festzustellen, ob diese jungen Menschen - teilweise 14 Jahre alt - tatsächlich verfassungsfeindliche Absichten haben. Das können wir vereinfachen: Wir laden einfach alle zu uns in die Fraktion ein; ich sage ihnen, dass sie einmal mit Frau Brandenburger Tacheles reden sollen, und dann können Sie sich diese ganze Geschichte sparen.

(Johanne Modder [SPD]: So einfach ist das?)

- So einfach ist das!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Dr. Christos Pantazis [SPD]: Was verstehen Sie denn unter Tacheles?)

Für die Fraktion der SPD, Frau Abgeordnete Modder. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will es zu Beginn der Haushaltsdebatte zumindest einmal gesagt haben: Vielen Dank für die Einbringung. Ein besonderer Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses, Herr Finanzminister, aber auch an

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachressorts. Ich glaube, das ist schon ein Mammutwerk, was hier vorgelegt worden ist. Das muss zumindest einmal gesagt werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich will ganz kurz - eigentlich wollte ich es nicht, aber ich kann es mir doch nicht verkneifen - auf die Einlassungen der Kollegin Piel und des Kollegen Dr. Birkner eingehen.

Herr Dr. Birkner, ich fange mit Ihnen an: Sie haben große Teile Ihrer Rede darauf verwendet, über das Innenleben der Großen Koalition und das Gefühlsleben des Ministerpräsidenten zu philosophieren.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Nein, nicht Gefühle!)

Wenn Sie da weiterkommen wollen, dann müssten Sie schon einen Kaffee oder etwas anderes mit dem Ministerpräsidenten trinken.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das mache ich!)

Hinsichtlich der Frage, wie sich eigentlich so eine Große Koalition anfühlt, kann ich nur das Resümee ziehen: Sie haben noch einmal nachgedacht und bedauern Ihre damalige Entscheidung, nicht in Koalitionsverhandlungen einzutreten, heute auf das Tiefste.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Von daher: Verwenden Sie die nächsten vier Jahre nicht so viele Gedanken darauf; es lohnt sich nicht.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Mach ich gar nicht, danke für die Vorsorge!)

Frau Kollegin Piel, an einer Stelle bin ich schon ein bisschen empfindlich, nämlich wenn Sie uns vorwerfen, das Thema Integration sei bei uns weggelegt. - Sie wissen genau, dass das der Sozialdemokratie - und ich sage das auch für die Seite der Union - schon sehr wichtig ist. Ich bitte darum, an der Stelle ganz einfach bei der Wahrheit zu bleiben, auch beim Thema Sprachförderung. Ansonsten wäre das ein komisches Signal ins Land hinein.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU - Anja Piel [GRÜNE]: Sie haben doch gekürzt! Frau Modder, dann ändern Sie das!)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen noch einmal die große Linie aufzeigen, damit Sie wissen, was die Menschen in diesem Land wirklich bewegt.

Mit der Einbringung des Haushalts für 2019 machen wir - die Große Koalition aus SPD und CDU - deutlich, dass wir unseren gemeinsamen erfolgreichen Weg in der Finanzpolitik fortsetzen. Wir investieren tatkräftig in die Zukunft des Landes und setzen richtungsweisende Akzente.

Mit dem Haushaltsplanentwurf 2019 legt die rotschwarze Landesregierung einen Entwurf ohne neue Schulden und erstmals ohne ein strukturelles Defizit vor. Damit ist ein wichtiger Meilenstein zur dauerhaften Einhaltung der Schuldenbremse erreicht. Ich glaube, das ist auch eine Meldung.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen, dass den Grundstein für diese solide Finanzpolitik bereits unser früherer Finanzminister Peter-Jürgen Schneider gelegt hat; dieser erfolgreiche Weg wird jetzt mit dem neuen Finanzminister Reinhold Hilbers fortgesetzt.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])