Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Sie haben - und das zeigt sich in Ihrer Politik - eben keine gemeinsamen Visionen zur Gestaltung des Landes und setzen keine klaren Prioritäten. Angesichts der sprudelnden Einnahmen wird einfach alles irgendwie früher oder später gemacht - aber eben nichts richtig und ohne erkennbares Profil und ohne Schwerpunktsetzung. Das, Herr Ministerpräsident, ist im Kern Politikverweigerung. Sie entscheiden am Ende eben nicht, Sie setzen keine Prioritäten, und Sie laufen Gefahr, dass es so fünf verlorene Jahre für Niedersachsen werden.

Meine Damen und Herren, dass es keine hinreichenden Gemeinsamkeiten gibt und dass SPD und CDU nicht miteinander, sondern nebeneinander regieren, zeigt sich ja in vielen einzelnen Punkten. Nach außen versuchen Sie immer wieder, den schönen Schein der Eintracht zu wahren, doch im Inneren sieht es eben ganz anders aus. Von beiden Seiten wird Ihre Zusammenarbeit als lästig empfunden, als eine möglichst schnell zu beendende Episode, irgendwie so ein bisschen als Betriebsunfall, den Sie meinen, bewältigen zu müssen.

(Johanne Modder [SPD]: Ist das eine Bewerbungsrede?)

Man beäugt sich kritisch, und hinter den Kulissen kracht es durchaus.

In einem der seltenen Momente der Transparenz hat sich in der letzten Woche gezeigt, wie es tatsächlich ist. Dirk Toepffer hat gegenüber der Pres

se, bezogen auf Olaf Lies, ja sehr freimütig darüber berichtet, wie er dessen Verhalten bewertet und dass er es nach Einschätzung der CDU diesmal doch zu bunt getrieben habe. Ich will nur ein paar Stichworte aus den Aussagen zitieren: „Autoritätsverlust des Ministerpräsidenten“. Es passieren Dinge, „die so für die Fortsetzung dieser Großen Koalition eigentlich nicht gut sind“. Profilierung auf Kosten des Koalitionspartners. Es ärgere ihn fürchterlich, was da passiere. Völlig unverhältnismäßig sei das Verhalten, und die gesamte CDU-Fraktion sei darüber verärgert.

Meine Damen und Herren, das sind deutliche Worte über den Zustand dieser Koalition. Nach außen versuchen Sie immer zu sagen, wie schön das alles ist.

(Dirk Toepffer [CDU]: Das ist nicht richtig zitiert!)

- Das alles ist sehr richtig zitiert, Herr Kollege:

(Dirk Toepffer [CDU]: Kein Autoritäts- verlust!)

„Gleichwohl frage ich mich, ob da möglicherweise Dinge passieren, die so für die Fortsetzung dieser Großen Koalition eigentlich nicht gut sind“.

„Ich will noch nicht von einem Autoritätsverlust des Ministerpräsidenten sprechen“.

(Dirk Toepffer [CDU]: Ah! - Christian Grascha [FDP]: Noch nicht!)

Herr Toepffer, genau das ist es doch! Sie sprechen von einem Autoritätsverlust, auch wenn Sie ihn noch nicht sehen. Aber damit kündigen Sie ihn an. Damit werfen Sie die Brandfackel in diese Landesregierung. Und das tun Sie als Vorsitzender der CDU-Fraktion doch nur, weil Sie offensichtlich keine andere Möglichkeit mehr sehen, Ihrer Politik Gehör zu verschaffen. Deshalb ist es für Sie nötig, so deutliche Signale zu setzen, und das wiederum zeigt, dass diese Koalition in sich eben nicht geschlossen ist und keine gemeinsame Politik betreibt.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Diese Uneinigkeit zeigt sich auch bei vielen anderen Themen, insbesondere bei dem Thema der inneren Sicherheit. CDU und SPD ist klar, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Fähigkeit, die innere Sicherheit zu gewährleisten, für den Erfolg bei den nächsten Landtagswahlen

von zentraler Bedeutung ist. Deshalb sehen wir hier den Wettkampf zwischen Uwe Schünemann und Boris Pistorius in der Frage, wer eigentlich der härtere Sheriff im Lande ist.

Man könnte sagen, dies wäre noch ganz unterhaltsam und von außen ganz nett zu beobachten, wenn dabei - wie es sich beim Polizeigesetz zeigt - nicht leichtfertig Bürger- und Grundrechte aufs Spiel gesetzt würden. Was Sie hier betreiben, ist aus unserer Sicht völlig verantwortungslos. Zur parteipolitischen Profilierung opfern Sie Freiheits- und Grundrechte. Dagegen werden wir als Freie Demokraten auch weiterhin Position beziehen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Auch der Aufbau von mehr als 100 Stellen zu Beginn dieser Legislatur und der damit einhergehende Ausbau des Wirtschaftsministeriums zu einer Art Schattenstaatskanzlei dienen doch letztlich dazu, von der CDU aus die Regierungsübernahme vorzubereiten. Das eingestellte Personal ist am Ende „personalgewordenes“ Misstrauen, das wir dort im Ministerium erleben.

Meine Damen und Herren, hier regiert nicht eine kraftvolle Regierung, die sich tagein tagaus um das Wohl des Landes kümmert. Nein, hier regieren zwei Parteien, die sich in erster Linie um ihr eigenes Wohl und um die eigenen Erfolgsaussichten bei den kommenden Landtagswahlen kümmern. Aber damit werden Sie den Herausforderungen, vor denen das Land steht, und Ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in keiner Weise gerecht.

Meine Damen und Herren, ferner fällt auf, dass landauf, landab viel versprochen, aber wenig gehalten wird. 100 Digitalisierungsprofessuren sind von Herrn Minister Thümler gefordert worden. Gründerstipendien hat Herr Minister Althusmann gefordert. Die Grundfinanzierung der Hochschulen, hat Herr Thümler erklärt, sollte - insbesondere im Hinblick auf die Universität Vechta - substanziell verbessert werden. Ein Investitionsprogramm für die Kommunen wurde vereinbart bzw. im Wahlkampf von dem Herrn Ministerpräsidenten zumindest versprochen. Ein Förderprogramm für den Luft- und Raumfahrtstandort Niedersachsen wurde von Herrn Althusmann versprochen, 131 Millionen Euro wurden in den Raum gestellt. - Davon ist nicht viel übrig geblieben. Bei der Unterrichtsversorgung bzw. den Abordnungen wurden wesentliche und spürbare Verbesserungen versprochen, die nicht eingetreten sind. Und dann gibt es noch

so ein Sammelsurium von Versprechungen. Da würde ich einfach mal sagen: Das fällt unter die Rubrik „Verschiedenes (Olaf Lies)“, weil der überall immer alles verspricht und am Ende auch nicht einhält.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist ein Markenzeichen dieser Landesregierung, dass die Minister überall vor Ort einen guten Eindruck machen wollen, am Ende aber keine seriöse Politik betreiben, weil sie das nicht in die tatsächliche Umsetzung bringen.

Das Ganze fällt zusammen mit einem handwerklich schlechten Regierungsstil. Ich erwähne nur die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung, die Novelle des Kita-Gesetzes und aktuell die Novelle des Polizeigesetzes, bei der man sich einmal vorstellen muss, dass in dem Streit zwischen Schünemann und Pistorius mal locker Richtervorbehalte vergessen werden - und im Nachhinein sagt man: „Oh ja, das tut uns leid, das bessern wir noch nach!“

Das zeigt doch, wie handwerklich schlecht hier gearbeitet wird: verantwortungslos gegenüber den Grundrechten und ein bisschen auch grundrechtsvergessen, um sich persönlich oder parteipolitisch zu profilieren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

In dieser Situation, meine Damen und Herren, fragt man sich: Was macht eigentlich der Ministerpräsident? - Derjenige, der dieser nicht einheitlichen Politik, diesem Gegeneinander und Nebeneinander, das wir in dieser Landesregierung erleben, etwas entgegensetzen könnte, wäre der Ministerpräident, der einmal erklären müsste, wie er diese Dinge eigentlich sieht. Dass er sich um all das nicht kümmert, hat er kürzlich im Hinblick auf das Polizeigesetz wieder eindrucksvoll gezeigt. Noch während der laufenden Expertenanhörung erklärte er, dass es bei dem Gesetz nicht zu Änderungen kommen werde, und ignoriert damit wirklich substanzielle Einwendungen von Experten.

Mit anderen Worten: Er kümmert sich um diese Themen eigentlich gar nicht. Entweder ist dies Ausdruck von Arroganz der Macht, oder es ist einfach blanke Ahnungslosigkeit bzw. schlichtes Desinteresse. Nach unserer, nach meiner Einschätzung spricht mehr für Letzteres.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Um den Herrn Ministerpräsidenten ist es in den letzten Wochen auffällig ruhig geworden. Für den Ministerpräsidenten eines Landes, das angesichts der Haushaltslage und auch angesichts der großen Mehrheit riesige Möglichkeiten hat, wäre es nötig, dieses Land auch strukturell zukunftsfähig zu machen. Aber trotz dieser Chancen ergreift der Ministerpräsident keine Initiative für die Umsetzung neuer Ideen, für Investitionen, bei Fragen der Generationengerechtigkeit.

Es ist auffällig still um ihn. Er unternimmt keine Anstrengungen, Niedersachsen fit für die Zukunft zu machen, obwohl es genügend Themen gäbe. Stattdessen schweigt der Ministerpräsident zu wichtigen Punkten, die uns - abgesehen davon, dass man hier solche Initiativen ergreifen müsste - einfach mal interessieren: Was sagt der Ministerpräident eigentlich zu den dauernden Streitigkeiten innerhalb der Landesregierung, die sich im Übrigen immer wieder um seinen eigenen stellvertretenden Landesvorsitzenden Olaf Lies drehen? Warum duldet er das? Ermutigt er ihn womöglich sogar, die CDU immer wieder zu piesacken, um der SPD zu Profilierung zu verhelfen und die CDU möglicherweise unter Druck zu halten?

Wie hält der Ministerpräsident es eigentlich mit der Rathausaffäre in Hannover? Was ist eigentlich seine politische Meinung dazu? Kann ein Oberbürgermeister im Amt bleiben, der einen solchen Vertrauens- und Reputationsverlust erlitten hat? Will der Ministerpräsident - und eben auch Landesvorsitzende der SPD - weiter hinnehmen, dass die Landeshauptstadt, traditionelle SPD-Hochburg, politisch gelähmt ist?

(Wiard Siebels [SPD]: Hier ist Landtag und nicht Parteitag! - Zurufe von der SPD: Reden Sie zum Haushalt!)

Meine Damen und Herren, bei dieser und auch bei anderen Fragen würde uns interessieren, was der Herr Ministerpräsident eigentlich dazu denkt. Stattdessen schweigt er und fällt allenfalls durch - für ihn erst einmal ungefährliche - Kommentare zu bundespolitischen Themen auf, zuletzt in der Causa Maaßen.

Herr Weil, Sie sind nicht der unbeteiligte Kommentator des Schauspiels auf der bundespolitischen Bühne. Sie sind Ministerpräsident Niedersachsens! Sie stehen in Hannover auf dem Spielfeld und sitzen nicht in Berlin auf der Tribüne. Sie scheinen

das Interesse am Land aber verloren zu haben. Es scheint Ihnen nur noch als Sprungbrett nach Berlin dienen zu sollen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Freien Demokraten gibt es zwei große Schwerpunkte, die den Haushalt prägen müssen: Zukunftsinvestitionen und Generationengerechtigkeit. Mit Investitionen in Bildung und Innovation müssen wir sicherstellen, dass die Menschen in Niedersachsen die großen Herausforderungen - Transformation ins digitale Zeitalter, Bewältigung des demografischen Wandels und der Zusammenhalt von Stadt und Land in einem ländlich geprägten Land - bestmöglich bewältigen können. Das wird für uns der Maßstab in den kommenden Haushaltsberatungen sein. Mit dem konsequenten Schuldenabbau wollen wir unserer Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen gerecht werden.

Meine Damen und Herren, SPD und CDU haben angesichts ihrer großen Mehrheit und der sprudelnden Geldquellen große Gestaltungsmöglichkeiten. Sie haben die Chance, eingefahrene Strukturen aufzubrechen, eine neue Dynamik zu entfalten und das Land zukunftsfähig zu machen. Stattdessen beschäftigen sie sich mit sich selbst, verweigern klare Prioritätensetzung und schütten die Konfliktgräben mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger zu. Auf diese Art und Weise wird die Legislatur als eine vertane Chance, als fünf verlorene Jahre in die Landesgeschichte eingehen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Lilienthal das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der ganz große Wurf ist dieser Haushalt nicht. Wir haben uns bei der Sichtung dieses unfassbar riesigen Papierstapels - das im Übrigen auch zur Digitalisierung in Niedersachsen - gefragt, wo eigentlich die rote Linie dieser Landesregierung ist. Wir müssen feststellen, dass es keine rote Linie gibt. Es gibt Linien. Es gibt kleine rote Linien. Es gibt kleine schwarze Linien. Eine gemeinsame Idee von Politik haben diese beiden Fraktionen

aber nicht, und das wird mit dem Haushalt noch einmal ganz deutlich.

Der Minister hat eben gesagt: Niedersachsen steht gut da, es sieht so gut aus wie selten. Das haben wir auch im Vorfeld dieser Beratung von Einzelnen von Ihnen in der Presse immer wieder vernehmen können. Woher diese Sichtweise kommt, können wir allerdings nicht nachvollziehen. In dem kameralen System - und danach ist dieser Haushalt ja aufgestellt - würde eigentlich jeder vernünftig wirtschaftende Kaufmann die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Die Hinweise auf Risiken, auf Vermögen und Schulden, auf Rückstellungen, fehlen hier vollständig. Sie sind auch nicht angehängt. - Aber das könnte man ja machen. Das Problem der Kameralistik könnte man überbrücken, indem man z. B. als Anhang zum Haushaltsplan eine vernünftige Übersicht über Vermögen, Schulden, Rückstellungen - also Risiken der Zukunft, und zwar alle Risiken der Zukunft - bietet.

Die wahre Lage des Haushalts lässt sich diesem Haushaltsplan also nicht entnehmen. Jetzt gibt es folgende Möglichkeit - das soll übrigens kein Votum für die Doppik sein; ich möchte nicht, dass wir in Niedersachsen eine doppische Buchführung einführen, auf gar keinen Fall -: Wenn man im Grunde genommen ohne Fernsicht fährt und die Risiken im Kernhaushalt zunächst außer Acht lässt, muss man sich irgendwelche Instrumente schaffen, um dieser Risiken Herr zu werden. Diese sind vielfältig. Aber eine Große Anfrage einer Oppositionsfraktion kann aus unserer Sicht keines dieser Instrumente sein. Es kann nicht sein, dass wir über wesentliche Rahmenbedingungen der Haushaltslage des Landes Niedersachsen quasi auf Nachfrage der FDP informiert werden. Das kann nicht der Anspruch einer Landesregierung sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt aber auch Instrumente, die wir bemüht sind, zu nutzen. Wir haben in Niedersachsen so etwas wie eine interne Revision. Sie erinnern sich vielleicht an die Diskussion über die NORD/LB und daran, was seitens der internen Revision nach draußen gedrungen ist. Wir haben in Niedersachsen auch eine interne Revision, die nennt sich Landesrechnungshof. Das ist ein Instrument, das wir alle haben, um zu prüfen, ob mit unserem Geld, mit dem Geld der niedersächsischen Steuerzahler, vernünftig umgegangen worden ist.

Ich möchte ein Beispiel aus der Vergangenheit, das leider wieder aktuell geworden ist, heranziehen, das sinnbildlich dafür steht, wie wir mit diesem Instrument, mit diesem scharfen Schwert der Haushaltskontrolle, umgehen. Der Landesrechnungshof hat 2001, dann noch einmal 2007 und 2017 - die letzte war eine Anschlussprüfung - das Wisentgehege in Springe geprüft. Ich will gar nicht auf das Wisentgehege selbst oder die Landesforsten eingehen,