Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN und von Stephan Bothe [AfD])

Das sind nur einige wenige Beispiele. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Aber sie zeigt eines: Wir stehen hier nicht allein, es gibt eine wirklich breite gesellschaftliche Mehrheit in Niedersachsen, die sagt, wir wollen nicht zulassen, dass sich der Charakter unserer Gesellschaft verändert, und wir stehen dafür ein. Genau das ist es, was wir jetzt brauchen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Der beste Schutz gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, gegen Rechtsextremismus ist eine kluge Mischung von einem starken Staat und einer starken aktiven Zivilgesellschaft.

Was den starken Staat angeht: Niedersachsen war das erste Land, das die Abschiebung von Gefährdern durchgesetzt hat, und wir sind das erste Land, das die Jungen Alternativen durch den Verfassungsschutz beobachten lässt. Das sind Beispiele für den starken Staat, so wie ich ihn verstehe.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Ich füge aber auch hinzu: Der starke Staat beweist sich nicht nur durch eine gute Arbeit seiner Sicherheitsbehörden. Der starke Staat muss auch insbesondere in den Blick nehmen, wie es in der Gesellschaft weitergeht, wie es bei der Wohnraumpolitik aussieht, wie es in der Bildungspolitik aussieht. Menschen müssen den Eindruck haben, dass sich der Staat um sie kümmert. Das ist das oberste Ziel unserer Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Der starke Staat allein wird aber diese Bewährungsprobe nicht bewältigen. In der Demokratie ist es zwingend, dass sich die Bürgerinnen und Bürger zu ihrer politischen Ordnung und zu den Werten dieser Ordnung bekennen. Die Demokratie unterscheidet sich von allen anderen politischen Systemen dadurch, dass sie sich selbst immer wieder infrage stellt und dass sie selbst immer wieder bestätigt werden muss, und zwar durch die Bürgerinnen und Bürger. Deswegen bin ich für die zahllosen Aktivitäten in unserem Land wirklich tief dankbar.

Lassen Sie mich eine Gruppe hervorheben, die es besonders verdient hat. Wenn wir in Niedersachsen über alles gesehen sagen können, ohne rosarot zu malen: „Ja, wir kommen mit der Aufgabe der Integration zurecht, und wir machen Fortschritte“, dann liegt das auch und vor allem an den Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern, die in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe diese Arbeit leisten. Diese Menschen haben wirklich den großen Dank unseres gesamten Landes verdient.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Jan-Christoph Oetjen [FDP])

Niedersachsen ist keine Insel, Niedersachsen ist kein Paradies. Wir kennen auch ganz genau unsere Problemzonen. Aber wir haben eine sehr klare Orientierung, und diese Orientierung lautet: Wir stehen für einen starken Staat in Niedersachsen, wir stehen für eine starke, aktive Zivilgesellschaft,

und wir stehen gemeinsam für ein weltoffenes, für ein faires, für ein respektvolles Niedersachsen, und wir stehen gemeinsam für die Überzeugung: In diesem Land überlassen wir dem Rechtsextremismus und den Ausländerfeinden freiwillig keinen Fußbreit, meine sehr verehrten Damen und Herren! Keinen Fußbreit!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Weil. - Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir können den Punkt 15 b nunmehr verlassen.

Ich eröffne die Besprechung zu

c) #noNPOG - klare Ansage an die GroKo: 15 000 Menschen sagen Nein zum neuen Polizeigesetz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1575

Für Bündnis 90/Die Grünen wird jetzt Belit Onay sprechen.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lage ist wirklich ernst. Wie ernst sie ist, konnte man daran erkennen, dass am vergangenen Samstag - jetzt hören Sie genau zu! - Hannover-96-Fans zusammen mit Braunschweig-Fans in Hannover Schulter an Schulter demonstriert haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Dirk Toepffer [CDU]: Das ist ungewöhn- lich!)

Zusammen mit 15 000 weiteren Bürgerinnen und Bürgern haben sie eine klare und deutliche Ansage in Richtung der Großen Koalition gemacht: Nein zu diesem neuen Polizeigesetz!

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch der Innenminister muss den Ernst der Lage erkannt haben, als er einen Tag vor der Demonstration zu einer Pressekonferenz eingeladen hat. Ich persönlich habe mich gewundert, dass die Pressekonferenz nicht - wie üblich - im Innenministerium, son

dern in einem Café in der Altstadt stattgefunden hat.

(Miriam Staudte [GRÜNE] lacht)

Das hatte wahrscheinlich mit der nicht ganz unbegründeten Angst zu tun, dass Herr Uwe Schünemann wieder in die Pressekonferenz platzen könnte.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der FDP - Wiard Siebels [SPD]: Viel- leicht hat er Hausverbot!)

Aber im Schutz der Altstadt hat er dann verkündet, dass er die Demonstration gut findet und begrüßt, und sogar gesagt, dass er den Gesetzentwurf an einigen Stellen noch verbessern möchte. Er hat aber auch gesagt, dass er Vertrauen in Justiz und Polizei fordert. Dazu möchte ich ganz klar sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das Problem ist nicht das Vertrauen in Justiz und Polizei.

Das, was der Herr Ministerpräsident gerade gesagt hat, ist auch mir ein persönliches Anliegen: Auch ich möchte Herrn Landespolizeipräsidenten Axel Brockmann - stellvertretend für die anderen Unterzeichnenden - hier ausdrücklich für diesen Brief und diese klare Zurückweisung der unfassbaren, diffamierenden Entgleisung des Bundesinnenministers danken. Das war nicht selbstverständlich. Das ist eine richtig starke Leistung. Darauf können wir als Parlament sehr stolz sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber zurück zum Gesetz. Nicht Justiz und Polizei sind das Problem, sondern ein viel zu unbestimmtes, ein unverhältnismäßiges Gesetz. Das wird zum Problem auch für Justiz und Polizei, wenn es nämlich später zur Arbeitsgrundlage werden soll.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben es in den Ausschussberatungen ganz deutlich gesehen. Juristinnen und Juristen haben uns das etwa am Beispiel der Präventivhaft dargestellt. Da ist die Pflichtverteidigung, die Strafverteidigung überhaupt nicht berücksichtigt worden. Das ist - wahrscheinlich im Eifer der Verschärfungen - völlig hinten runtergefallen. Aber auch das Verhältnis dieser Art von Präventivhaft zum Strafprozessrecht ist überhaupt nicht geklärt.

Die Juristinnen und Juristen sprachen da von einem Paradigmenwechsel. - Ich sage Ihnen: Das ist kein Paradigmenwechsel, das ist ein rechtlicher

Salto mortale, meine sehr geehrten Damen und Herren,

(Beifall bei den GRÜNEN)

ganz zu schweigen von der Versiebenfachung der Haftdauer auf 74 Tage. Nun hört man ja von SPDSeite, man könne auch mit 30 Tagen leben. Die CDU hingegen beharrt auf 74 Tagen. Ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Dieses Geschachere um Hafttage ist unwürdig und hat mit seriöser Innenpolitik absolut gar nichts mehr zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Jan-Christoph Oetjen [FDP])

Ihre Behauptungen, die Maßnahmen würden nur auf Terrorismusbekämpfung abzielen, sind nachweislich nicht richtig. Das sehen wir z. B. bei der Onlinedurchsuchung, bei der Sie entgegen der Behauptung in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht nur das Bundesverfassungsgerichtsurteil übernehmen und kopieren. Vielmehr erweitern Sie den Anwendungsbereich um weitere Straftaten. Damit wird es unverhältnismäßig und im Ergebnis auch verfassungswidrig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt wollen Sie dem Ganzen mit ein paar Richtervorbehalten beikommen, die Sie, Herr Innenminister, angekündigt haben. Unsere Richterschaft in allen Ehren - aber unsere Richterinnen und Richter sind keine Wunderheiler. Auch die werden diese Unverhältnismäßigkeit, diese Unbestimmtheit in diesem Gesetz nicht reparieren und nicht heilen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ihr Gesetzentwurf enthält - das hat die Landesdatenschutzbeauftragte noch einmal sehr deutlich gesagt - überhaupt keine Begründung, warum und wofür Sie ausgerechnet diese Maßnahmen brauchen. Das ist ja völlig leer. Sie begründen das mit einer diffusen Bedrohungslage. Schon in Ihrem Koalitionsvertrag heben Sie auf ein Angstgefühl, ein Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung ab. Das vergangene Wochenende hat sehr deutlich gezeigt, dass diese Analyse falsch ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Debatte eben gerade hat noch einmal deutlich gemacht, dass viele Menschen eine Sorge um

treibt: eine Sorge um unsere Demokratie, um unsere Freiheit, um unsere freiheitliche Grundordnung, um unsere offene Gesellschaft. Ich bin voll bei der SPD und bei meinen Vorrednerinnen und Vorrednern eben gerade, wenn sie sagen, wir müssen die Demokratie stärken. Dazu zählen aber auch Bürgerinnen- und Bürgerrechte und auch Freiheitsrechte, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Deshalb sage ich zum Schluss: Wir brauchen keine Angst. Wir brauchen Freiheit. Und wir brauchen kein solches Gesetz. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ziehen Sie deshalb dieses Polizeigesetz zurück! Lassen Sie uns hier im Parlament gemeinsam einen Neustart versuchen!

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)