Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der AfD-Fraktion in der Drucksache 18/1083 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die sehe ich nicht. Damit ist der Antrag abgelehnt worden.
Tagesordnungspunkt 11: Abschließende Beratung: Wissenschaftliche Aufarbeitung islamistischer Einstellungen von Personengruppen - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/1082 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 18/2042
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, dass dieses Thema hier im Plenum aktuell anscheinend nur unsere Partei
interessiert. Entsprechend kurz fiel auch die Behandlung im Ausschuss aus: Nach einer aufschlussreichen und höchst interessanten Unterrichtung durch den Landespräventionsrat kam es fast ohne weitere Debatte direkt zur Abstimmung. Und so haben wir den Antrag nun heute hier im Plenum mit der Empfehlung auf Ablehnung. - Ich werde Sie zukünftig daran erinnern, wenn in den Zeitungen über neue Vorfälle und bedenkliche neue Entwicklungen in diesem Bereich berichtet wird. Da können Sie sicher sein.
Islamistisch eingestellte Personen erscheinen nicht wie aus dem Nichts. Sie entwickeln sich in einem Umfeld, und dieses Umfeld wächst in gefährlichem Maße. So konnte man z. B. gestern auf WELT online eine Meldung zu der steigenden Zahl von Terrorverfahren lesen. Danach sagte die neue Oberlandesgerichtspräsidentin Stefanie Otte der dpa: „Wir beobachten in Niedersachsen und in Celle fortlaufend steigende Zahlen und rechnen auch weiterhin mit einer steigenden Zahl.“ Aktuell sind am Oberlandesgericht in Celle, das für diese Art von Kriminalität zuständig ist, zwölf Richter mit solchen Fällen befasst.
Kommen wir zu unserem Antrag! Im Ausschuss hörten wir dazu eine zusammenfassende Übersicht über die wissenschaftliche Situation in diesem Kontext. Darin heißt es:
„Mit Blick auf den im Entschließungsantrag zitierten ‚dringenden wissenschaftlichen Handlungsbedarf‘ sei darauf verwiesen, dass im Vergleich zu politisch-extremistischen Einstellungen im Bereich des rechten und linken Spektrums kaum bzw. gar nicht auf bewährte Messinstrumente zurückgegriffen werden kann, wenn es sich um den islamistischen Extremismus handelt.“
Erklärt wird dies dadurch, dass Ausprägungen des islamistischen Extremismus und islamistischer Einstellungen im bundesdeutschen Kontext ein noch recht junger Phänomenbereich sind. - Aha!
Genau deshalb haben wir unseren Antrag gestellt. Der Experte des niedersächsischen Präventionsrat bestätigt also unsere Einschätzung. Und der Ausschuss? - Hier wurde von allen anderen Parteien nur auf die bestehende umfangreiche Präventionsarbeit verwiesen, die ja wunderbar funktioniere. Ich frage Sie aber: Wie kann diese erfolgreich gestaltet werden, wenn man gar nicht so genau weiß, gegen was man Prävention betreiben soll? Ich zitiere wieder aus dem Bericht des Landespräventionsrates:
„Was dem Feld der Prävention von islamistischem Extremismus weiterhin fehlt, sind prospektiv angelegte Längsschnittuntersuchungen, die Kinder und Jugendliche über viele Jahre hinweg begleitend untersuchen und problematische Entwicklungsverläufe nicht nur im Nachhinein rekonstruieren.“
Die AfD sieht zudem ein weiteres grundlegendes Problem. Wir kritisieren, dass bei der Prävention bisher kaum zwischen Links- oder Rechtsextremismus und Islamismus unterschieden wurde. Abgesehen davon, dass der weit überwiegende Teil der hier investierten Gelder bislang vor allem in den Kampf gegen rechts geflossen ist und nicht in die Prävention gegen Islamismus, macht es eben doch einen großen Unterschied, ob jemand in einem rechtsextremen Milieu radikalisiert wurde oder in einer Moschee. Auch wenn vielleicht beide Personen am Ende die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen - ihr Weg zu einer solchen Einstellung verlief doch unterschiedlich. Da ist es doch völlig klar, dass hier unterschiedliche Programme entwickelt und umgesetzt werden müssen.
Damit diese jedoch gezielt auf den Weg gebracht werden können, muss man doch erst einmal sagen können, wo das Problem denn überhaupt auftritt. Man muss beziffern können, wie groß das Problem eigentlich ist und in welchem gesellschaftlichen Umfeld bzw. in welchen Stadtteilen weitere Verstärkungstendenzen zu verzeichnen sind. Es macht doch keinen Sinn, an einer Schule mit einem Migrantenanteil von über 90 % Aktionen wie „Schule ohne Rassismus“ als Präventionsmaßnahme zu verkaufen! Da liegen die Probleme doch ganz woanders. Und umgekehrt muss man nicht an einer Schule auf dem Land mit einer sehr geringen Migrantenquote Prävention gegen Islamismus betreiben.
Was bleibt unter dem Strich nun nach der sehr knappen Behandlung im Ausschuss als Fazit übrig? - Erstens. Es gibt tatsächlich immer noch kaum ein brauchbares Instrumentarium, um die Entwicklung islamistischer Einstellungen bei Personengruppen, insbesondere bei Schülern, wissenschaftlich erfassen zu können. Zweitens. Es besteht nach wie vor dringender Handlungsbedarf. Ich wiederhole: Es besteht Handlungsbedarf! Sie aber, liebe Kollegen, wollen nichts tun, sondern nur abwarten, wie bisher: Die Präventionsprogramme werden es schon richten. - Aber dieses Themenfeld ist einfach zu gefährlich, als dass man sich den bisherigen Blindflug bezüglich der gesi
cherten Erkenntnisse über das Ausmaß von Islamismus in unserer Gesellschaft noch weiter leisten könnte.
Liebe Kollegen, denken Sie bitte daran, wenn es in den nächsten Jahren immer offensichtlicher wird, dass unsere Gesellschaft eben doch mehr und mehr in Richtung Islamismus mit gewalttätigen Auswirkungen kippt! Sie waren dafür verantwortlich, dass diese Entwicklung so lange kaschiert werden konnte. Ich würde mit dieser Bürde nicht zurechtkommen wollen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte AfD, Sie fordern, dass wir uns wissenschaftlich mehr mit Menschen auseinandersetzen, die islamistische Einstellungen haben. Dabei soll Ihnen der Präventionsrat helfen.
Dazu sei gesagt: Erstens. Zum einen ist der Landespräventionsrat keine wissenschaftliche Einrichtung. Er ist aus gutem Grund ein Beratungsorgan.
Zweitens würde ich mir an Ihrer Stelle dringlichst überlegen, ob Sie der Wissenschaft vorschreiben wollen, woran sie zu forschen hat.
Denn das Grundgesetz sagt in Artikel 5 Abs. 3: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“
Aber es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie die Freiheit der Wissenschaft infrage stellen. Das kennen wir ja schon von Ihrem zurückgezogenen Antrag im Ausschuss. Hier wollten Sie einen Beirat einsetzen, der die Forschungs- und Dokumentationsstelle politisch-religiöser Extremismen kontrollieren sollte. Schon dieser Versuch, die Wissenschaft politisch beeinflussen zu wollen, zeigt, wes Geistes Kind Sie sind.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: Mit dem Grundgesetz haben die es nicht so!)
Aber damit nicht genug. Sie unterstellen in dem jetzt vorliegenden Antrag, dass es bisher keine wissenschaftlich fundierten Methoden für die Ermittlung der Gründe gibt, warum junge Menschen sich radikalisieren. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie das nächste Mal einen Antrag stellen, genauer zu recherchieren. Hätten Sie sich diese Mühe gemacht, dann hätten Sie schnell festgestellt, dass es eine ganze Reihe von Forschungsvorhaben sowie Forschungsaufrufen gibt, die sich genau mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung islamistischer Einstellungen von Personengruppen auseinandersetzen. Wenn Sie also - wovon ich ausgehe - mit Ihrem Antrag suggerieren wollen, dass die Wissenschaft sich nicht hinreichend mit dieser Problematik beschäftigt, dann ist das schlichtweg falsch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD, haben Sie nicht auch bereits ein wenig Nachhilfe vonseiten des Ausschusses erhalten? Leider scheint der ausführliche Vortrag des Ministeriums nicht dazu geführt zu haben, dass Sie erkennen, wie überflüssig Ihr Antrag ist. Deshalb versuche ich es jetzt noch einmal mit etwas einfacheren Worten.
Ein paar Beispiele aus der Forschung: Das Verbundprojekt „Radikalisierung im digitalen Zeitalter“ hat das Ziel, aus den Erkenntnissen verschiedene Präventionsansätze zu entwickeln. Weitere Verbundprojekte analysieren extremistische Bestrebungen in sozialen Netzwerken. Das Projekt „Pandora“ untersucht, welche Effekte Internetpropaganda auf Radikalisierung und Gewaltanwendung in der realen Welt hat.
Diese Untersuchungen sollen dazu beitragen, Radikalisierung und Extremismus zu verhindern und geeignete Methoden dazu zu entwickeln. Die Untersuchungen beschäftigen sich zudem nicht nur quantitativ mit der Problematik, sondern forschen auch qualitativ, um so tiefgehende Erkenntnisse zu gewinnen und Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Aktuelle Forschungsaufrufe des Bundes beinhalten ebenfalls die Erarbeitung von Methodiken zur Ermittlung islamistischer Einstellungen von Personengruppen.
Der von der AfD implizierte Nachholbedarf der Wissenschaft ist daher nicht nur anmaßend, nein, er ist auch schlichtweg falsch. Aktuelle Erkenntnisse hinsichtlich demokratiefeindlicher Denk- und Handlungsmuster zeigen eines deutlich: Nicht die Religionszugehörigkeit oder die Herkunft spielen eine Rolle dabei, ob junge Menschen demokratiekritisch sind. Nein, es ist der soziale Hintergrund,
der entscheidend ist. Das Radikalisierungspotenzial steigt mit einem geringen Bildungsstand, schlechter sprachlicher und sozialer Integration sowie der Viktimisierung und Diskriminierung als Ausländer.
Meine Damen und Herren, nicht die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, sondern fehlende gesellschaftliche Anerkennung führen zur Radikalisierung von jungen Menschen. Wenn wir also Demokratiefeindlichkeit oder gar Radikalisierung verhindern wollen, müssen wir diese Menschen in unsere Gesellschaft integrieren. Integration wiederum bedeutet, die Sprache zu lernen, Bildung zu erlangen und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Integration bedeutet aber eben auch, eine gesellschaftliche Anerkennung für Menschen anderer Religionen zu schaffen und diese Religionen nicht pauschal mit Radikalisierung gleichzusetzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der AfD, ein Mensch muslimischen Glaubens ist kein potenzieller Terrorist. Er ist Teil unserer Gesellschaft. Die Freiheit seines Glaubens ist unverletztlich. So sieht es auch unser Grundgesetz.
Hören Sie auf, Anträge zu formulieren, die darauf abzielen, eine wissenschaftliche Legitimation für Ihre Weltanschauung zu bekommen! Setzen Sie sich lieber mit den bereits vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinander und begreifen Sie endlich, dass Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen der Gesellschaft schaden! Aber es geht nicht nur um Menschen anderer Herkunft. Der Kollege Kurku hat Ihnen ja bereits beim letzten Plenum bei der Recherche geholfen und Ihnen die Zahlen des niedersächsischen Verfassungsschutzes vorgestellt.
Sehr geehrte Damen und Herren, es muss unser Ziel sein, allen jungen Menschen unabhängig von ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihres sozialen Hintergrundes die bestmögliche Teilhabe zu ermöglichen. Das ist die beste Prävention.
Meine Ausführungen machen deutlich: Sowohl die Landesregierung als auch die Wissenschaft brauchen keine Nachhilfe von der AfD. Sie schlafen nicht auf den Bäumen. Sie haben längst auf die Herausforderungen reagiert.
Ich bitte Sie daher, der Empfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur zu folgen und den Antrag der AfD abzulehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag erweckt den Eindruck, als wenn es in der Frage der Erkenntnisse in Bezug auf religiös motivierte Straftaten einen erheblichen Handlungsbedarf gibt. Ja, er will sogar den Eindruck erwecken, dass in dieser Frage gar nichts passiert. Meine Damen und Herren, das ist falsch.