Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

(Beifall bei der CDU)

Es ist uns in diesem Antrag gelungen, herauszustellen, dass es eben kein systematisches Ungleichgewicht zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite gibt, das mit staatlichen Interventionen ausgeglichen werden müsste. Aber wir verschließen auch nicht die Augen vor der Tatsache, dass noch zu häufig gesetzliche Regelungen unterlaufen und Spielräume missbräuchlich ausgenutzt werden. Wir erkennen an, dass zu häufig unternehmerische Konstruktionen benutzt werden, die einzig darauf ausgelegt sind, den Schutz von Arbeitnehmerinteressen auszuhebeln. Ein tragisches Beispiel dieser Flucht aus der unternehmerischen Verantwortung sehen wir leider aktuell in der niedersächsischen Energiebranche. Das Verhalten eines namhaften Unternehmens sollte uns ein mahnendes Beispiel dafür sein, wie viel die Zusammenarbeit der Sozialpartner wert ist und wie sie nicht aussehen sollte.

Problematisch sind auch Unternehmen, die mit unlauteren Mitteln versuchen, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

und damit eine betriebliche Mitbestimmung aushebeln. Hier sollten wir künftig sehr genau hinschauen.

Meine Damen und Herren, sinnvoll erscheint es der CDU auch, den Wert der Tarifbindung stärker zu gewichten. Das gilt zum einen für die öffentlichen Unternehmen, die damit ihrer Vorbildfunktion

gerecht werden können. Dies gilt aber auch für das Vergaberecht. Hier wollen wir im Rahmen der bevorstehenden Novelle schauen, wie wir die sozialen Kriterien neu ausrichten und moderner gestalten können.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratung im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege Schatta. - Für die AfDFraktion hat nun das Wort Herr Stefan Henze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen werben mit ihrem Antrag für einen guten und zukunftsfähigen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Niemand kann dagegen sein; denn gutes Miteinander und Einvernehmen sind Basis jedes erfolgreichen betrieblichen Wirtschaftens, stärken die Volkswirtschaft und sind Garant des gesamtstaatlichen Erfolges, den wir hoffentlich alle wünschen.

Kollektiv- und Individualarbeitsrecht stellen die rechtlichen Instrumente dafür bereit. Diese haben sich bewährt und bedürfen natürlich wie jeder gesetzliche Rahmen einer Weiterentwicklung im Sinne aller Normadressaten.

Die sechs im Antrag von Ihnen benannten Punkte nebst Begründung, mit denen Sie die Bundesebene als zuständigen Gesetzgeber zu Veränderungen anhalten wollen, sind bislang jedoch so abstrakt, dass sie am Ende wenig bewirken werden. Unsere Fraktion ist deshalb willens, an der Beleuchtung und Präzisierung einzelner Punkte mitzuwirken, sodass entschieden werden kann, ob etwas und gegebenenfalls was zu verändern ist.

Klar muss aber sein: Aus betriebswirtschaftlichen und strukturpolitischen Gründen ist es unverzichtbar, einzelbetrieblichen Regelungen und Individualvereinbarungen Raum zu lassen und ihnen im Einzelfall sogar mehr Raum einzuräumen als bisher. Im Bereich von Tarifverträgen und deren Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist vor blindem Aktionismus zu warnen. Gewerkschaften sollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: den effektiven Interessenausgleich unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitnehmerinteres

sen. Auch kleinere Gewerkschaften sind politisch bedeutsam und deshalb nicht zu ächten. Es hat sich gezeigt, dass gerade sie schnell und wirksam reagieren können.

Nun ein deutliches Wort an die Adresse der DGBGewerkschaften.

(Glocke der Präsidentin)

Sie verpflichten sich in ihrer Satzung zur parteipolitischen Unabhängigkeit. Mit diesem Bekenntnis ist es nicht vereinbar, dass von den DGB-Gewerkschaften seit Beginn der Arbeit der AfD zahlreiche Hetzschriften gegen diese aufgelegt worden sind. Ein Tiefpunkt hier war die ver.di-Veröffentlichung „Handlungshilfe für den Umgang mit Rechtspopulisten in Betrieb und Verwaltung“. Darin wurde zur Denunziation von Kollegen mit abweichenden politischen Ansichten aufgefordert.

(Christian Grascha [FDP]: Da kennen Sie sich doch aus!)

Einige Zitate möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

„Wie verhindern wir eine Solidarisierung mit den Falschen?

Soziales Umfeld …

Hat die Person eine eigene ,Hausmachtʽ? Und wenn ja, kann man es sich erlauben, sich mit der anzulegen?

Isolierung der Person/en im Betrieb …

Outing in betrieblicher/außerbetrieblicher Öffentlichkeit: rechtspopulistisches Engagement der Person bekannt machen …

Ansprache des Arbeitgebers: viele Arbeitgeber wollen keine betrieblichen Konflikte wg. rechtspopulistischem Engagement und sind bereit zu helfen.“

Wie schön!

(Glocke der Präsidentin)

Der Aufruf zu solchen Verhaltensweisen erinnert an Aufrufe von DDR-Institutionen - nichts anderes. Allein konstruktive Zusammenarbeit und respektvoller Austausch entsprechen mit Recht den Wünschen und Erwartungen von Gewerkschaftsmitgliedern und Wahlbürgern.

Jetzt läuft mir die Zeit davon.

Für Sie noch ein letzter Satz: Auch hier hätten wir Vorbildfunktion. Ich erinnere nur an die Lehrer, die wir immer wieder zum Sommer entlassen und hinterher wieder einstellen. Hier können wir schnell etwas ändern. Packen wir es einfach an!

(Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Henze. - Jetzt spricht für die FDPFraktion Kollege Jörg Bode.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer noch ganz fasziniert von den Wortbeiträgen, die hier gerade von den Vertretern der Großen Koalition zu diesem Antrag gefallen sind. Ich glaube, ich muss mich bei der Landtagsverwaltung beschweren. Ich scheine eine andere Drucksache bekommen zu haben als die, über die Sie gesprochen haben.

Denn von dem, was Sie gerade an tollen Sachen über Tarifautonomie, Veränderung der Arbeitswelten etc. gesagt haben, steht zumindest in meiner Ausfertigung nicht ein Wort. Das sind richtige Themen, über die wir tatsächlich auch diskutieren sollten, aber Sie haben sie in Ihrem Antrag tatsächlich nicht einmal am Rande aufgegriffen. Er erinnert ein bisschen an die ersten Anträge, die Sie geschrieben haben, als Sie sich als Große Koalition noch neu finden mussten, als man sich anfangs noch beschnupperte und mehr schlecht als recht den Koalitionsvertrag abgeschrieben hat.

Handwerklich ist der Antrag auch nicht so sauber. Deshalb sollten Sie ihn noch einmal überarbeiten. Sie fordern nämlich unter der Nr. 1, dass wir als Landtag „das im Koalitionsvertrag festgehaltene Bekenntnis der Landesregierung zu Tarifbindung und Tarifautonomie“ begrüßen sollen. Ich will Sie nur darauf hinweisen: Als CDU und SPD den Koalitionsvertrag beschlossen haben, war die Landesregierung, die das hätte bekennen sollen, die rotgrüne Landesregierung und nicht Ihre; die war noch gar nicht im Amt.

Von daher würde ich an Ihrer Stelle ein bisschen sauberer arbeiten. Sie könnten vielleicht die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten begrüßen; der hat das nämlich damals gesagt. Sie könnten es auch jetzt einfach fordern. Aber so haben Sie tatsächlich nicht sauber gearbeitet.

(Jörg Hillmer [CDU]: Nicht so spitzfindig!)

Wenn Sie ihn schon überarbeiten, dann würde ich es begrüßen, wenn Sie wirklich Ihre Formulierung aus dem Koalitionsvertrag nehmen. Die ist nämlich super. Im Koalitionsvertrag bekennen Sie sich nämlich zur sozialen Marktwirtschaft. Das ist die Forderung, die Sie haben. Das würde ich mir in diesem Antrag wünschen.

(Beifall bei der FDP)

Dann kommt die Ergänzung, dass Sie unter sozialer Marktwirtschaft auch Tarifautonomie verstehen. Genau so ist es aus meiner Sicht richtig, nämlich dass die soziale Marktwirtschaft in solchen Anträgen prominent aufgeführt und erwähnt werden sollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist in der Tat so, dass sich die Arbeitswelten aufgrund der Digitalisierung verändern, dass sich auch althergebrachte Prozesse heute teilweise anders darstellen. Deshalb würde ich es sehr begrüßen, wenn man vielleicht auch einmal unideologisch gemeinsam über dieses Thema diskutiert.

Als Partei sind wir gerade dabei, das Thema „New Work“ intensiv mit Gesellschaftsvertretern zu diskutieren und zu überlegen, was das tatsächlich bedeutet. Das hat übrigens auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden und -vertretungen in der Frage, wie man gewisse Regelungen trifft.

Früher war es immer so, dass der Arbeitgeber eine besondere Stärke hatte und sich Arbeitnehmer quasi aussuchen konnte. In vielen Bereichen wird es in der Zukunft genau andersherum sein, nämlich dass sich die Arbeitnehmer den Arbeitgeber aussuchen können und ihre individuellen Wünsche berücksichtigt haben wollen. Dann können im Zeitalter der Digitalisierung auch durchaus sehr individuelle Dinge, was Arbeitszeit oder Arbeitsorte angeht, vereinbart werden, für die dann beispielweise große Flächentarifverträge schlicht und ergreifend nicht geeignet sind, sodass Arbeitnehmer sagen „Das will ich eigentlich so gar nicht“ und unzufrieden sind.

(Glocke der Präsidentin)

Deshalb sollte man in der Tat einmal überlegen, welche Rolle - durchaus vielleicht auch branchenspezifisch - Arbeitgebervertreter, Arbeitnehmervertretungen und Betriebsräte haben, anstatt - so wie es in diesem Antrag steht - zu sagen, man packt alles, was zusätzlich kommt, auf das bestehende System drauf. Man sollte überlegen: Wie ist in der Zukunft, die wir haben, mit der Digitalisierung, auch mit einer ganz anderen Position des einzelnen Arbeitnehmers in vielen Branchen, tatsächlich das richtig austarierte Verhältnis, damit der Mensch, das Individuum, tatsächlich im Vordergrund steht und sein Leben so gestalten kann, wie er dies wünscht und möchte?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zu dem letzten Teil Ihres Antrags. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn man da in die Pötte kommen würde - allerdings in eine andere Richtung -, nämlich dass Sie das Vergaberecht noch verändern wollen. Das Vergaberecht hat auf den ersten Blick ja nicht so wahnsinnig viel mit Betriebsräten, Tarifverträgen etc. zu tun. Die alte Landesregierung hat ja auch eher schlechte Erfahrungen mit dem Vergaberecht und dessen Umgang gemacht. Wie Sie das, was Sie dort formulieren, tatsächlich europarechtssicher umsetzen wollen, würde mich wirklich interessieren.

(Glocke der Präsidentin)