Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 18/1392 ablehnen will, den bitte ich nunmehr um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dann haben Sie diesen Antrag auch abgelehnt
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zum nächsten Tagesordnungspunkt, möchten aber noch ganz kurz einen Wechsel vornehmen.
Tagesordnungspunkt 12: Abschließende Beratung: Familiennachzug dauerhaft aussetzen - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/843 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 18/2256
Wir treten in die Beratung ein. Mir liegt eine erste Wortmeldung der Abgeordneten Doris SchröderKöpf, SPD-Fraktion, vor. Bitte sehr!
- Entschuldigung, Kommando zurück, Frau Kollegin! Ein Antrag der AfD. Herr Kollege Jens Ahrends, Sie haben natürlich den ersten Zugriff. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion fordert die dauerhafte Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär geschützte Personen. Diese Personen sind keine anerkannten Flüchtlinge, aber sie kosten die Steuerzahler in Deutschland und Niedersachsen enorme Summen.
Laut Welt waren bereits 2017 mehr als 600 000 geflüchtete Syrer in ihre Städte und Dörfer zurückgekehrt. Weitere 260 000 Syrer kamen 2018 aus der Türkei hinzu. So schreibt die Welt. „Syrien ist bereit für die Rückkehr der Flüchtlinge“, sagt der syrische Außenminister al-Moualem vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Die Soldaten der Terrororganisation IS oder auch Daesch
seien weitgehend besiegt. Das Land sei in fast allen Regionen wieder befriedet. Jetzt sei es an der Zeit, sich dem Neuaufbau zu widmen. Dafür brauche man die Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, in Syrien, so al-Moualem.
Präsident Assad sichert den Rückkehrern Amnestie zu. Auch die AfD-Delegation, die 2018 Syrien besucht hat, kommt zu dem Ergebnis, dass ein normales und friedliches Leben in weiten Teilen Syriens durchaus möglich ist. Von 186 000 km2 sind lediglich 6 000 km2 in der Gegend um Idlib noch teilweise umkämpft. Es gibt also genügend Raum, um ein friedliches Leben zu führen. So sieht es auch der bayerische Innenminister Herrmann.
Man liest zudem von Syrern, die in Deutschland einen Flüchtlingsstatus genießen und nach Syrien in Urlaub fliegen, um ihre Verwandten dort zu besuchen. Sie kehren dann nach Deutschland zurück, um hier dann wieder auf Kosten des Steuerzahlers zu leben. Das versteht niemand, meine Damen und Herren.
Es gibt also überhaupt keinen Grund, Familien in Deutschland zusammenzuführen. Stattdessen sollte der Familiennachzug dauerhaft ausgesetzt und die Rückführung der Syrer eingeleitet werden. Wir fordern von daher die Landesregierung auf, die Rückführung der Syrer nach Syrien vorzubereiten und hierfür mit der Bundesregierung zusammen die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Einen grundlosen Familiennachzug nach Deutschland lehnen wir klar ab.
Danke schön, Herr Ahrends. - Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Kollegin Doris Schröder-Köpf. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! „Du entkommst dem Tod, aber du kommst zu einem anderen Tod, und das ist die Trennung von denen, die du liebst.“ Mit diesen Worten brachte ein Junge aus Syrien die fluchtbedingten Trennungsängste zum Ausdruck, die viele Menschen mit ihm teilen. Abgedruckt sind diese Zeilen in einer in 2017 erschienenen Studie des renommierten Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration.
Da die Familieneinheit bekanntlich eine entscheidende Bedeutung gerade auch im Hinblick auf die Motivation einnimmt, kommt der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Dr. Thomas Bauer, zu einer so simplen wie nüchternen Feststellung - ich zitiere -: „Der Familiennachzug ist integrationspolitisch sinnvoll.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus diesem Grund hat die SPD bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin dafür gekämpft, den subsidiär schutzberechtigten Menschen die Chance einzuräumen, ihre engen Familienangehörigen nachholen zu dürfen, damit sie ihren Weg erfolgreich beschreiten können.
Wie Sie wissen, sieht das vom Deutschen Bundestag beschlossene und am 1. August 2018 in Kraft getretene Gesetz ein monatliches Kontingent von 1 000 Personen vor, die nach Ermessen aus humanitären Gründen ein Visum erhalten können. Ich hätte mir eine großzügigere Lösung gewünscht, die möglichst allen durch Krieg und Flucht getrennten Familien eine Chance eröffnet hätte, zusammenzukommen. Aber Koalitionen gehen nicht ohne Kompromisse - Kompromisse, die einem mitunter nicht so gut im Magen liegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit Inkrafttreten des Gesetzes sind gut vier Monate vergangen. Was hat sich in der Praxis der Familienzusammenführung konkret getan? - Laut Auskunft des Bundesinnenministeriums sind bis einschließlich 5. November bundesweit 3 480 Anträge zum Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten von den Auslandsvertretungen an die Ausländerbehörden übergeben worden. Die Zahl der bearbeiteten Anträge und auch der Zustimmung durch das Bundesverwaltungsamt hat sich von Monat zu Monat sukzessive gesteigert. Dennoch: 45 000 Terminanfragen bei den Auslandsvertretungen stehen nur 786 Visaerteilungen im Rahmen der Familienzusammenführung gegenüber, wobei das wohlgemerkt auch nicht heißen muss, dass diese 786 Personen bereits ihre Reise in die Bundesrepublik angetreten haben. Nach Niedersachsen kamen seit Februar 47 Menschen zu 19 subsidiär schutzberechtigten Angehörigen. Was können wir daraus schließen?
Erstens. Beim Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten handelt es sich um alles andere als ein Massenphänomen. Im Gegenteil. In den zurückliegenden Monaten wurde die vereinbarte Monatsquote von 1 000 Visa nicht einmal annähernd erreicht. Angesichts eines mittlerweile be
schleunigten Asylantragsverfahrens dürfen wir aber hoffen, dass zukünftig mehr getrennt lebende Angehörige dieser Familien zusammenkommen können.
Vor diesem Hintergrund ist es zweitens nicht nur unsinnig, sondern geradewegs grotesk, den Familiennachzug zu einem Phänomen der unkontrollierten Masseneinwanderung zu stilisieren, das unsere Sozialsysteme und die Gesellschaft insgesamt überfordert.
Dieser alarmistischen und Angst verbreitenden Prognose haben sich in der Vergangenheit leider nicht nur die üblichen Verdächtigen von der AfD kampagnenhaft bedient, die AfD hat dies aber auf besonders niederträchtige und stigmatisierende Weise getan.
Das zeigt einmal mehr Ihr auch im Hinblick auf die Sicherheitslage in Syrien hanebüchener Antrag, mit dem wir uns hier beschäftigen müssen. Sehr geehrte Damen und Herren, alle Fraktionen lehnen Ihren Antrag ab. Denken Sie noch mal darüber nach! Ich appelliere an Sie mit den weihnachtlichen Worten des Breslauer Theologen und Barocklyrikers Angelus Silesius: „Ach, könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde noch einmal Kind auf dieser Erden.“
Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf. - Jetzt spricht für die CDU der Abgeordnete Rainer Fredermann. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während der Unterrichtung im Innenausschuss wurde sehr deutlich, dass der von meinem Kollegen Plett in der ersten Lesung angesprochene Punkt der Rechtsstaatlichkeit die Grundlage für dieses geordnete Verfahren ist.
Der Bundesgesetzgeber hat am 12. Juli das seit dem 1. August geltende Familiennachzugsneuregelungsgesetz beschlossen. Das Gesetz sieht ein Kontingent von monatlich 1 000 nachzugsberechtigten Personen vor. Es enthält klare rechtliche
Anforderungen an den Familiennachzug. Zum Beispiel ist ein Nachzug möglich, wenn humanitäre Gründe vorliegen, wenn Leben und Freiheit der Angehörigen ernsthaft gefährdet sind oder wenn schwere Erkrankungen bei dem Flüchtling oder seiner Familie vorliegen.
Im Gesetz ist eine restriktive Handhabe mit klaren Ausschlussgründen implementiert. So muss z. B. die Ehe vor der Flucht geschlossen worden sein. Der Flüchtling darf strafrechtlich nicht unerheblich verurteilt sein. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels dürfen nicht zu erwarten sein. Flüchtlinge, die im weitesten Sinne als Gefährder eingestuft sind, sind von einem Familiennachzug ausgenommen.
Darüber hinaus hat das Bundesinnenministerium zwischenzeitlich umfangreiche Verfahrenshinweise zum Gesetz und seiner Umsetzung gegeben. Neben der Prüfung der Inlandssachverhalte prüfen die Auslandsvertretungen die auslandsbezogenen Sachverhalte. Dort wird u. a. die Frage geklärt, ob eigentlich humanitäre Gründe im Land vorliegen, die einen Familiennachzug oder die Zusammenführung vor Ort rechtfertigen. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, gibt es auch keinen Nachzug.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt möchte ich noch kurz auf die Begründung des Antrags der AfD, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz auszusetzen, eingehen:
Zur Lage in Syrien wurde in einer Unterrichtung im Ausschuss erklärt, dass sich die Sicherheitslage nicht entspannt hat. Die Weltgemeinschaft hat Sorge, dass es viele Tausend Tote geben könnte.
Und dass das Sozialsystem beim Nachzug von maximal 12 000 Menschen im Jahr zusammenbricht, glauben Sie doch wohl selber nicht!
Meine Damen und Herren, Humanität darf nicht an der Stimmung im Land scheitern. Wir können zu Recht stolz sein auf die Humanität, die von Deutschland ausgeht. Das war leider schon mal anders, und das war ganz und gar nicht gut.
Schönen Dank, Herr Kollege Fredermann. - Ich rufe jetzt für die FDP-Fraktion den Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen auf. Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen! Der Kollege Fredermann hat gerade zu Recht angesprochen, dass der Familiennachzug sehr restriktiv gehandhabt wird. Das möchte ich aufgreifen und noch einmal die Position der Freien Demokraten deutlich machen.
Wir sagen: Wenn man den Familiennachzug schon so restriktiv handhabt und weiß, dass es für eine Familienzusammenführung schwerwiegende humanitäre Gründe geben muss, dann ist eine Obergrenze von 1 000 Menschen pro Monat doch genau das falsche Signal. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Humanität ist nicht kontingentierbar, und deswegen muss diese Obergrenze weg. Wir brauchen eine Einzelfallprüfung, sehr geehrter Herr Kollege.