Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Sie machen sich zum wiederholten Mal einen schlanken Fuß.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wir neh- men die Sorgen der Menschen ernst!)

Sie fügen mal eben das Wort „freiwillig“ in den Gesetzestext ein und gaukeln ebenso wie die AfD mit ihrem Antrag den Menschen vor, damit wäre das Problem gelöst.

Aber wir haben es in der letzten Woche doch deutlich gehört: Ohne die Pflichtmitgliedschaft können der Kammer die Selbstverwaltungsaufgaben nicht übertragen werden. Die Übertragung der Selbstverwaltungsaufgaben bedeutet aber für Pflegeberufe die Möglichkeit, ihre Angelegenheit selbst zu regeln - so, wie es für sie und für die zu Pflegenden am besten ist.

Ich bin auch etwas erstaunt, dass Sie nicht noch den zweiten Schritt gehen und die elementaren Aufgaben der Pflegekammer aus dem Gesetz

streichen. Das wäre nämlich die Konsequenz. In der Konsequenz wäre die Pflegekammer nur eine von vielen Verbänden im Land, die in regelmäßigen Abständen irgendwo - auch bei uns - an der Tür klopfen und etwas anmahnen, was dann nicht kommt. Aber anscheinend ist es das, was Sie wollen, liebe FDP.

Zu dem Beispiel der Vereinigung der Pflegenden im Freistaat Bayern: Das ist eine Arbeitsgruppe von Freiwilligen, eingesetzt und finanziert durch das Sozialministerium. Sie alle kennen den Spruch: Wer die Musik bezahlt, der bestimmt.

Schwingen Sie sich hier bitte nicht zur Retterin der Pflegeberufe auf! Bitte unterstützen Sie die Pflegenden!

(Christian Grascha [FDP]: Das tun wir!)

Helfen Sie ihnen, und gewähren Sie der Pflegekammer eine zweite Chance! Sie hat sich entschuldigt und viele Verbesserungen auf den Weg gebracht. Das sollten wir intensiv und offensiv unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von der SPD)

Vielen Dank, Frau Janssen-Kucz. - Der nächste Redner ist für die Fraktion der CDU Kollege Volker Meyer. Herr Meyer, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 2016 hat der Niedersächsische Landtag das Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege gegen die Stimmen der CDU-Fraktion beschlossen.

Bereits damals haben wir vor Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträgen gewarnt, die zu Problemen bei der Akzeptanz dieser Kammer führen würden - dies wurde bereits bei einer Befragung im Jahre 2013 deutlich. Dort lehnten 47 % der Pflegekräfte eine Pflichtmitgliedschaft mit Beitragspflicht ab. Lediglich 42 % äußerten sich positiv. Dieses Teilergebnis, das die kritische Haltung der beruflich Pflegenden zu einer Pflichtmitgliedschaft deutlich machte, wurde trotz unserer Hinweise im Gesetzgebungsverfahren unberücksichtigt gelassen.

Auch haben wir bereits im Jahre 2016 darauf hingewiesen, dass eine Kammer alleine nicht die

Probleme hinsichtlich einer besseren Entlohnung bzw. besserer Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte lösen wird. Letztlich gelten - das ist vorhin auch schon gesagt worden - entsprechende Tarifverträge. Sich darüber Gedanken zu machen, wie wir mehr Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte erreichen, wäre ein richtiger und wichtiger Schritt in dieser Frage gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Auch bemängelten wir damals, dass sich - völlig systemfremd - abhängig Beschäftigte in einer Kammer zusammenschließen müssen.

Bereits beim Gesetzgebungsverfahren 2016 hat sich die CDU mit ihrer Kritik und ihren Sorgen mit Blick auf die Pflegekammer nicht zurückgehalten. Wie man an den Protesten der letzten Wochen sieht, hat sich diese Kritik an der Pflegekammer bestätigt. Die Pflegekammer hat viel Vertrauen verspielt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man weiß, dass man kritisch beäugt wird, ist es eigentlich umso unverständlicher, dass man dann eine so unsensible und unprofessionelle Beitragserhebung durchführt. Dies sorgt zu Recht für Verärgerung und Enttäuschung bei den Beschäftigten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Landtagswahlkampf 2017 war die CDU aus den eben von mir skizzierten Gründen mit dem Ziel der Abschaffung der Pflegekammer in den Wahlkampf gegangen. Zwangsmitgliedschaft und hohe Bußgelder bei Nichteintritt werden wir abschaffen - so das klare Ziel der Union. Wie wichtig und richtig dies gewesen wäre, sieht man an den Protesten der letzten Wochen: Es gab über 46 000 Unterschriften - davon 41 000 aus Niedersachsen - bei einer Onlinepetition. 75 % geben an, direkt betroffen oder in Zukunft betroffen zu sein. Es gab über 4 500 Eingaben an den Landtag - als direkte Beschwerde oder als Erklärung gegen die Zwangsmitgliedschaft. Über 3 100 kopierte und durchgestrichene Examensnachweise wurden ans Sozialministerium zurückgeschickt.

In den Koalitionsverhandlungen wurden unsere Bedenken von der SPD nicht geteilt. Die SPD wollte die Pflegekammer gerne in der jetzigen Form erhalten. Wir haben uns dann in den Verhandlungen dafür entschieden, im Rahmen einer Evaluierung die Wirkung und Organisation der Pflegekammer nach des Ablaufs der Hälfte der Wahlperiode zu überprüfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalition ist nun gefordert, die Rahmenbedingungen für die vereinbarte Evaluation zu konkretisieren, damit uns die Ergebnisse der Evaluation im Juni 2020 vorliegen. Hierfür müssen wir ab sofort unter größter Beteiligung unabhängiger Sachverständiger und der Betroffenen Vorarbeiten leisten. Denn Wirkung und Organisation der Kammer können nicht von denjenigen geprüft werden, die das Kammergesetz gestaltet haben.

Auch müssen wir schauen, wie wir den entstandenen Protest in diese Evaluation einbinden. Mit dem Vorschlag von ver.di, dies durch eine qualifizierte Befragung aller Mitglieder der Pflegekammer zu machen, können wir uns durchaus anfreunden. Ich fand es bemerkenswert und auch richtig, dass sich ein Mitglied der Kammerversammlung in einem persönlichen Gespräch mit mir auf einer Veranstaltung der Pflegekammer am vergangenen Freitag für diese Frage offen zeigte und sich diese Befragung vorstellen kann.

Nun vielleicht noch zwei bis drei Anmerkungen zu den vorliegenden Anträgen.

Der Gesetzentwurf der FDP - das wurde vorhin schon gesagt - entspricht dem Antrag in der Drucksache 18/357 aus dem Februar 2018 gegen eine Zwangsmitgliedschaft und auch gegen

Zwangsbeiträge, über den wir aus unserer Sicht nach Vorlage der Evaluation mitentscheiden sollten.

Der Antrag der AfD, eine freiwillige Vereinigung der Pflegekräfte durch jährliche Zuwendungen nach Maßgabe des Landeshaushaltes auszustatten und einen Beirat mit politischen Vertretern aller Fraktionen vorzusehen, ist aus unserer Sicht schwierig und auch nicht unbedingt zielführend, da er einerseits in die gesetzlich geregelte Selbstverwaltung der Pflege eingreift und es andererseits nicht Aufgabe des Landes sein kann, diese Selbstverwaltung finanziell zu unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam den Weg der Evaluation der Pflegekammer bis Juni 2020 gehen, um dann zu entscheiden, wie unsere engagierten Pflegekräfte eine starke Vertretung bekommen können, die von ihnen gewollt ist und auch hier Vertrauen genießt!

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. Auf Ihren Redebeitrag gibt es den Wunsch nach einer Kurzintervention seitens der Kollegin Meta Janssen-Kucz. Bitte sehr, Frau Janssen-Kucz! 90 Sekunden!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, dieser Hinweis auf die Umfrage hat mich etwas irritiert; denn die Umfrage wurde meines Wissens von Schwarz-Gelb in Auftrag gegeben. Sie wurde - wie viele Umfragen - über Infratest auf den Weg gebracht. Das macht auch die aus Sicht der Kritiker geringe Zahl der Teilnehmenden deutlich. Wir wissen ja, wie Infratest funktioniert und wie konkret die Ergebnisse sind.

Ich würde gerne wissen, wer damals die Fragestellung für diese Umfrage erarbeitet hat. Denn ich finde, man hätte sie etwas konkreter und präziser machen können, siehe Nordrhein-Westfalen. - Das ist das eine.

Das andere betrifft das ganze Thema Rechtsaufsicht. Sie ist in § 37 Abs. 1 vorgesehen. In meinen Augen gibt es auch eine Aufsichts- und eine Beratungspflicht. Dazu haben Sie nichts gesagt. Ich frage mich wirklich, wo in der Zeit, als die Pflegekammer noch nicht installiert war, als nur der Errichtungsausschuss getagt hat, neben der Rechtsaufsicht durch das Sozialministerium auch die Beratungspflicht geblieben ist, nämlich die Pflicht zu sagen: „Da ist ein Fehler, so hätte ich es nicht gemacht“ oder „Dieser Zeitpunkt ist einfach falsch“.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Kollegin. - Herr Kollege Meyer möchte antworten. Für Sie gilt das Gleiche: 90 Sekunden. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist die Umfrage von SchwarzGelb initiiert und entsprechend in Auftrag gegeben worden. Die Ergebnisse zeigen ja auch, dass eigentlich ein anderes Ergebnis dabei herausgekommen ist, als Sie es nachher politisch in die Tat umgesetzt haben. Daher können Sie diesen Vorwurf nicht an uns richten.

(Beifall bei der CDU - Christian Grascha [FDP]: Das Ergebnis hat Ihnen nicht gepasst! - Meta Janssen- Kucz [GRÜNE]: Das stimmt doch nicht! Gucken Sie sich das Ergebnis an!)

Repräsentative Umfragen haben es immer an sich, dass nur die bestimmte Anzahl, die - wie es das Wort sagt - repräsentativ ausgewählt wird, befragt wird. Es war damals nie davon die Rede, dass man alle Pflegekräfte befragen wollte - deren Gesamtheit man damals auch noch gar nicht kannte; auch das muss man hier in aller Ehrlichkeit so deutlich sagen.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Ich habe nach der Fragestellung gefragt!)

Ich glaube, mehr brauche ich dazu auch gar nicht zu sagen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Jetzt folgt für die Fraktion der SPD der Kollege Uwe Schwarz. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns offenkundig alle darin einig: Der Start der niedersächsischen Pflegekammer war äußerst unglücklich. Das gilt für die missglückte Beitragsordnung, für die Aufmachung des Beitragsbescheides und ohne Frage für den Zeitpunkt der Zustellung. Die einen waren darüber entsetzt, die anderen haben unverhohlen ihre Freude über diesen Fehlstart zum Ausdruck gebracht.

Die Kammerpräsidentin hat sich mehrfach öffentlich entschuldigt. Sie hat die Fehler eingestanden, und sie hat innerhalb einer Woche die Korrektur einer Beitragsordnung durchgesetzt. Das ist ein gewaltiger Kraftakt gewesen. Er war absolut notwendig, aber selbstverständlich war das nicht. Ich finde es ausgesprochen gut, dass das so gemacht worden ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)