Protokoll der Sitzung vom 23.01.2019

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Meine Damen und Herren, mir liegen bis hierhin keine weiteren Wortmeldungen vor. Da und dort ist noch unverbrauchte Redezeit vorhanden.

(Zuruf von Ministerin Dr. Carola Rei- mann)

- Aus dem Plenum liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Aber ein Zettel wäre manchmal hilfreich.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Papier zu sparen ist gut!)

Frau Ministerin, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

(Ministerin Dr. Carola Reimann gibt eine schriftliche Wortmeldung ab)

Damit das alles seine Richtigkeit hat.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Pflegekammer und die Frage der Pflichtmitgliedschaft in der Pflegekammer sowie der Beitragspflicht werden seit Dezember vergangenen Jahres wieder heftig öffentlich diskutiert.

Auslöser - das ist hier heute Morgen schon mehrfach gesagt worden - ist der Unmut vieler Mitglieder der Pflegekammer über das Vorgehen der Kammer beim Versand der Beitragsbescheide. Ich will heute noch einmal deutlich machen, dass ich den Unmut der Pflegekräfte gut nachvollziehen kann. Wir haben deshalb mehrfach Gespräche mit der Präsidentin und mit dem Geschäftsführer geführt. Außerdem hat die Kammerversammlung bereits am Freitag in einer außerordentlichen Kammerversammlung eine geänderte Beitragsordnung beschlossen.

Die Pflegekammer erhebt weiterhin einkommensabhängige Beiträge von 0,4 % der Jahreseinkünfte. Dabei gilt aber zukünftig die Selbstauskunft anstatt des automatischen Höchstbetrags. Mitglieder mit Einkünften unterhalb des Grundfreibetrags zahlen gar keine Beiträge mehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ungeschickte Vorgehen der Pflegekammer bei der Beitragserhebung sollte jetzt jedoch nicht genutzt werden, um den Pflegekräften ihre für die Wahrung ihrer Interessen sehr wichtige Vertretung abspenstig zu machen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Denn genau das ist es, was mit dem Entschließungsantrag der AfD und mit dem Gesetzentwurf der FDP erreicht werden soll. Die geforderte Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft und der Beitragspflicht macht aus einer starken Stimme der Pflege einen zahnlosen Tiger. Erst mit der Pflichtmitgliedschaft erhält die Pflegekammer die demokratische Legitimation, die Interessen aller Pflegekräfte in Niedersachsen - und das verbands- und parteiübergreifend - vertreten zu können. Die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge stellt die Unabhängigkeit der Kammer bei der Erfüllung der Selbstverwaltungsaufgaben sicher und ist die Grundlage für eine wirklich wirksame Interessenvertretung.

Die anderen Kammern im Bereich der Gesundheit, aber auch in allen anderen Berufsfeldern können schon lange ihre Interessen und die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Sie haben schon lange dieses Recht. Das ermöglichen wir jetzt endlich auch den Pflegekräften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute Morgen ist viel über Bayern gesprochen worden. Dabei geht es um den bayerischen Pflegering. Dort wird es aber keine von allen Pflegefachkräften gewählte Kammerversammlung geben. Bayern hat 180 000 potenzielle Mitglieder. Im April 2019 - so ist die Planung - soll die erste Mitgliederversammlung stattfinden. Eine Wahl zu einer Delegiertenversammlung wird es aber erst dann geben, wenn mindestens 1 000 Pflegekräfte und ausgebildete Pflegehilfskräfte freiwillig Mitglied geworden sind, was bislang nicht der Fall ist. Das ist, selbst wenn diese Zahl von 1 000 erreicht wird, alles andere als eine breite, solide Basis für eine Interessenvertretung.

Die Finanzierung erfolgt in Bayern vollständig aus Landesmitteln. Das bedeutet, dass nicht nur die Rechtsaufsicht, sondern auch die Fachaufsicht im Ministerium liegt, und das bedeutet auch: Die Verwendung der Haushaltsmittel wird von dort gesteuert. Das heißt, nicht nur Art und Umfang der inhaltlichen Arbeit, sondern auch der Aktivitäten zur Mitgliedergewinnung sind vom Wohlwollen des

Landes Bayern abhängig. Das ist keine Interessenvertretung für die Pflegekräfte; das ist keine echte eigene Lobby für die Pflege.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was passiert in den anderen Bundesländern, was passiert im Bund? - Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein haben schon eine Kammer. NRW macht sich mit meinem Kollegen Karl-Josef Laumann gerade auf den Weg. Dort haben sich in der letzten Woche 79 % der Pflegekräfte in einer repräsentativen Befragung für eine Pflegekammer ausgesprochen. Der Bundesgesundheitsminister und der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, setzen sich für eine Pflegekammer ein. Kompetente, moderne Sozialpolitik ist für und nicht gegen eine Pflegekammer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss sagen: So sehr ich die Aufregung in der aktuellen Situation nachvollziehen kann, bitte ich jetzt um etwas Geduld. Die Aktiven in der Pflegekammer haben mit einem engen Zeitplan eine neue Organisation aufgebaut und formen sie derzeit noch aus. In der kurzen Zeit der Errichtung haben sie bereits einen ersten Bericht zur Lage der Pflegeberufe in Niedersachsen veröffentlicht. Dieser trägt neues Datenmaterial zusammen und gibt uns Hinweise, wo wir politisch ansetzen müssen. Die Pflegekammer beteiligt sich jetzt an Verordnungs- und Gesetzgebungsverfahren, vertritt in ihren Stellungnahmen die Interessen der Pflegenden. Das alles gab es vorher so nicht, und es fehlte. Außerdem arbeitet sie an der Konzertierten Aktion Pflege auf Bundesebene mit, im Landespflegeausschuss und im Krankenhausplanungsausschuss und macht sich dort für ihre Mitglieder stark. Geben wir der Pflegekammer bitte Zeit, eine starke Stimme der Pflegekräfte in Niedersachsen zu werden! Sie hat eine zweite Chance verdient.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Koalitionsvertrag vorgesehen, nach der Hälfte der Legislaturperiode, also im Jahr 2020, die Entwicklung der Pflegekammer anzusehen. Dann entscheiden wir, ob bzw. wo nachgesteuert werden muss. Wir werden die Evaluation in diesem Jahr vorbereiten und ein unabhängiges wissenschaftliches Institut mit der Durchführung beauftragen. Die Kammer ist noch kein Jahr im Amt. Wir müssen der Pflegekammer jetzt Zeit geben, ihre inhaltlichen Aufgaben auszufüllen. Lassen Sie uns die

Ergebnisse der Evaluierung ansehen und dann gemeinsam neu diskutieren!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es täte der Diskussion, der Situation der Pflegenden und ihren Arbeitsbedingungen gut, wenn wir uns nun wieder gemeinsam auf die vor uns liegenden Herausforderungen im Pflegebereich konzentrieren würden.

Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU - Unruhe)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Meine Damen und Herren, die Geräuschkulisse ist deutlich stärker - um nicht zu sagen: zu stark geworden. Ich darf um Ruhe bitten. Wir sind mit dem Punkt noch nicht ganz durch. - Ich darf auch die Reihe um Herrn Calderone, Herrn Lechner, Herrn Siemer, Herrn Bley alle miteinander um Ruhe bitten. Ich habe alles gehört, was Sie eben diskutiert haben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Eine nicht genehmigte Versammlung! - Dr. Ste- phan Siemer [CDU]: Fürs Protokoll: Ich habe nichts gesagt! - Heiterkeit)

- Ja, ja!

(Unruhe)

- Wenn jetzt wirklich Ruhe einkehrt, dann erteile ich noch Herrn Dr. Stefan Birkner das Wort. Herr Dr. Birkner, Sie haben noch eine geringfügige Restredezeit. Ich wende § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zu Ihren Gunsten an und sage: zwei Minuten. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben eben noch einmal dargestellt, warum Sie meinen, dass eine Pflegekammer das richtige Instrument ist.

Ich will dem nur einmal gegenüberstellen, was Herr Andreas Dörkßen - er ist Mitglied der Pflegekammerversammlung - in einem Interview zu der Frage gesagt hat, was eigentlich die Aufgabe der Pflegekammer ist. Er sagte - ich zitiere -:

„Die Pflegekammer ist jedoch nicht die Interessenvertretung und Stütze einzelner Pflegefachpersonen, wenn es beispielsweise Konflikte am Arbeitsplatz gibt. Sie kümmert

sich nicht primär um bessere Arbeitsbedingungen. Sie verhandelt keine Tarife und bietet auch keine Altersversorgung an und führt keine Qualitätsprüfungen in den jeweiligen Einrichtungen durch.“

Frau Ministerin, das steht im Widerspruch zu dem, was Sie sagen. Sie reden, wie ich finde, ständig sehr oberflächlich davon, dass eine Interessenvertretung für die Pflege nötig sei. Immer, wenn man dann tiefer bohrt und genau schaut, worin die Möglichkeiten der Interessenvertretung durch die Kammer bestehen, wird es dünn. Dann machen das nämlich entweder andere, oder die Kompetenzen sind gar nicht zugeschrieben. Das ist - dabei bleibe ich - für eine Rechtfertigung einer Zwangsmitgliedschaft zu wenig.

Dass Sie sich dann noch sehr stark an Bayern abarbeiten und sagen, warum Bayern schlecht ist! Gewisse Punkte mögen ja richtig sein, aber Sie machen sich nicht die Mühe, ein echtes Alternativmodell, das auf Freiwilligkeit beruht, gängig zu machen, sondern Sie suchen sich ein Modell heraus, von dem Sie sagen, das entspreche nicht Ihren Vorstellungen, und sagen, deshalb könne es nur das Modell sein, das man jetzt in Niedersachsen hat.

Ich glaube, da springen Sie zu kurz. Die Argumente tragen eine Zwangsmitgliedschaft nicht. Das, was eine Kammer tatsächlich bewirken könnte, ist besser auf freiwilliger Basis zu organisieren. Damit hätten die Pflegekräfte auch die Chance, selbst zu entscheiden, ob sie sich durch diese Vertretung tatsächlich in ihren Interessen vertreten sehen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldungen. Es sind auch keine weiteren angemeldet worden, sodass wir die Beratung schließen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Ausschussüberweisung. Die Abstimmung möchte ich formal splitten.

Wir stimmen zunächst über die Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 4 ab.

Hier soll der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung federführend tätig sein, mitberatend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig werden. Wer so befinden möchte, den darf ich um ein Handzeichen bitten. - Ge

genprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung zu Tagesordnungspunkt 5.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung tätig sein, mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen tätig werden. Wer so befinden möchte, den darf ich um ein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2571 - dazu gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 GO LT: Datenschutz ist grundlegend für die Demokratie - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/2572

Die Einbringung übernimmt - er hat sich angemeldet - der Abgeordnete Belit Onay. Herr Onay, ich erteile Ihnen für Ihre Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem digitalen Zeitalter haben das Datenaufkommen der Menschen und auch das Interesse an diesen Daten massiv zugenommen. Nicht zuletzt der Datenleak zu Beginn dieses Jahres, bei dem Daten von Politikerinnen und Politikern und von Menschen aus dem Gesellschaftsleben veröffentlicht wurden, die sich gegen rechts engagieren, hat die Dramatik noch einmal deutlich gemacht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist in diesem Kontext schon ein starkes Stück, dass sich der Bundesinnenminister allen Ernstes hinstellt und behauptet, es handele sich hier um einen unpolitischen Einzeltäter. Genauso fatal ist, dass sich auch der Innenminister unseres Bundeslandes dieser Theorie beugt und dies so übernimmt. Herr Innenminister, leider waren Sie bei der Unterrichtung im Innenausschuss nicht dabei. Aber Sie haben heute hier noch einmal die Gelegenheit, dieser Theorie zu widersprechen, und noch einmal klarzustellen und diese Tat als das zu benennen,

was sie ist, nämlich ein Angriff von rechts gegen Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen rechts engagieren.