Es liegen gleichlautende Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP vor, die da lauten: „Material“. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sehe ich keine. Damit wurden die Änderungsanträge abgelehnt.
Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses, die da lautet: „Sach- und Rechtslage“. Wer dem so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen sehe ich keine. Damit stellen wir „Sach- und Rechtslage“ fest.
Da wir die Tagesordnungspunkte 19 und 20 schon vor der Mittagspause behandelt haben, kommen wir jetzt zum
Tagesordnungspunkt 21: Abschließende Beratung: Beteiligungsmanagement von Landesbeteiligungen professionalisieren, entpolitisieren und demokratisieren - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2025 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen -
Wir kommen jetzt zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Stefan Birkner. Bitte schön, Herr Dr. Birkner!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anlass für unseren Antrag waren die Auftritte des Herrn Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit dem VW-Skandal und all dem, was sich da so zugetragen hat. Der Ministerpräsident ist nämlich wiederholt vor die Kameras getreten und wiederholt in Talkshows und bei anderen Gelegenheiten aufgetreten und war immer in der Situation, dass er eigentlich nicht frei als gewählter Vertreter sprechen konnte, sondern immer als Aufsichtsratsmitglied des VW-Konzerns gesprochen hat.
Damit ist unmittelbar auf den Punkt gebracht worden, worin eigentlich das Problem bei dieser Konstruktion, wie wir sie in Niedersachsen zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte haben, liegt, nämlich darin, dass dann der gewählte Politiker, der vielleicht auch einmal sagen können muss, dass der Konzern etwas dramatisch falsch gemacht hat, dass der Konzern jetzt vielleicht auch besondere Leistungen gegenüber seinen Kunden erbringen muss, um Sachen wieder gutzumachen, das in dieser Offenheit und Freiheit nicht sagen kann, weil die aktienrechtlichen Begrenzungen immer dazu führen, dass er eine Schere im Kopf hat und sich eben nicht im Sinne der Wählerinnen und Wähler, so wie er das vielleicht möchte, äußern kann, sondern - da gibt es immer hinreichend rechtliche Hinweise - Sorgen wegen eines aktienrechtlichen Regresses hat.
Beteiligungsmanagement anders und neu organisiert. Da geht es um einen wesentlichen Punkt, Herr Ministerpräsident, weil es am Ende um die Glaubwürdigkeit von Politik geht und darum, wie eigentlich Politik in solchen Situationen reagiert und mit ihnen umgeht.
Der zweite Punkt, der uns dazu bewogen hat, ist, dass auch gerade bezüglich des VW-Konzerns sehr deutlich geworden ist, dass es die zeitliche Beanspruchung eines Ministerpräsidenten und eines Wirtschaftsministers, der in diesem Ministeramt ja auch etwas zu tun hat, gerade dann, wenn Situationen eintreten, in denen unmittelbares Handeln erforderlich ist, gar nicht zulässt, sich so intensiv und umfassend mit diesem Mandat und den wichtigen Aufgaben, die damit verbunden sind, zu befassen.
Der dritte Punkt, meine Damen und Herren, der uns dazu bewogen hat, ist, dass ein Ministerpräsident und ein Minister - zumindest nicht automatisch -, nur weil sie in diesem Amt sind, die fachlichen Voraussetzungen mitbringen, die etwa der Corporate Governance Kodex für die Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandanten gerade in börsennotierten, dem Aktienrecht unterworfenen Unternehmen mit sich bringt. Da gibt es eben keinen Automatismus, sondern es gibt inhaltliche, fachliche Anforderungen, die jeweils, in der Person begründet, gegeben sein müssen.
Wie bewerten Sie es denn, dass der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, auch Mitglied in dem von Ihnen in diesem Antrag angesprochenen VW-Aufsichtsrat, dieser doch so wichtigen Debatte hier fernbleibt?
Das bedauere ich ausdrücklich, weil ich eigentlich davon ausgehe, dass dies und auch die Fragen, wie das Beteiligungsmanagement stattfindet und wie das Haus das eigentlich sieht, für ihn auch als Mitglied des Aufsichtsrats ebenso von Interesse sein sollten, wie sich aktiv an einer solchen Debatte zu beteiligen, mindestens durch seine Anwesenheit, und das Parlament nicht zu missachten. Aber das scheint sich bei dieser Großen Koalition ja an der einen oder anderen Stelle so einzuspielen.
Der vierte Punkt betrifft das, was wir hier häufig erlebt haben, meine Damen und Herren, nämlich die Schwierigkeiten bei der Auskunftserteilung gegenüber dem Parlament. Es gibt hier natürlich ein Spannungsfeld zwischen den aktienrechtlichen Verschwiegenheitspflichten auf der einen Seite und dem Unterrichtungswunsch bzw. der Notwendigkeit, die parlamentarische und idealerweise auch öffentliche Debatte über Sachverhalte führen zu können, auf der anderen Seite. Da werden wir allzu oft - auch dazu gab es Staatsgerichtshofverfahren - auf die Vertraulichkeit verwiesen, ohne dass hier eine parlamentarische Kontrolle effektiv durchgeführt werden kann.
All das zusammen hat uns dazu geführt, zu überlegen, wie man das Beteiligungsmanagement neu, innovativer und anders organisieren kann. Das hat am Ende zu unserem Antrag geführt, den Sie in den Ausschüssen beraten haben und bei dem die Ausschussempfehlung jetzt bedauerlicherweise
„Ablehnung“ lautet, was ein Hinweis darauf ist, dass Sie im Wesentlichen so weitermachen wollen wie bisher, vielleicht abgesehen davon, dass Sie sich in der Staatskanzlei und im Wirtschaftsministerium personell ein wenig verstärkt haben.
Der Kernkritik werden Sie damit aber am Ende nicht gerecht werden. Sie haben damit weiterhin ein Glaubwürdigkeitsproblem bei der Wahrnehmung dieser Mandate.
Wir bleiben dabei, dass man bei unserem Modell, das eine Beteiligungsgesellschaft vorsieht, in der das dann professionalisiert werden kann, indem man dort eben auch Menschen hat, die diese Auf
sichtsratsmandate wahrnehmen können, die die Anforderungen des Corporate Governance Kodex erfüllen, eine Organisationsstruktur hätte, die sicherstellt, dass das Parlament z. B. im Aufsichtsrat miteingebunden ist, und damit auch eine demokratische Legitimation, die über das gesamte Parlament gewährleistet ist, und damit ein Stück weit eine Demokratisierung hätte.
Neben der Professionalisierung durch die entsprechenden Personen wird darüber hinaus auch eine Entpolitisierung erreicht, indem man diesen eingangs geschilderten Interessenskonflikt zwischen politischem und demokratischem Mandat, das ein Abgeordneter, ein Ministerpräsident und ein Wirtschaftsminister hat, auf der einen Seite und dem unternehmerischen Interesse, das zu verfolgen ist, auf der anderen Seite - in diesem Fall den Interessenkonflikt in der Person des Ministerpräsidenten und des Ministers bezogen auf VW - entsprechend auflöst.
Das bietet unser Modell und damit auch die entsprechende Gewähr dafür, am Ende auch tatsächlich mehr Vertrauen in die Wahrnehmung der Eigentümerrechte zu gewinnen.
Gelegenheit - wenn man nicht das wiederholen möchte, was Herr Dr. Birkner ausgeführt hat -, sich grundsätzlich dem Verhältnis Staat und Unternehmen bzw. Staat und Markt zu nähern.
Warum greift der Staat überhaupt in ein Unternehmen bzw. in den Markt ein? Ist es nicht so, dass die „invisible hand“, also die unsichtbare Hand, laut Adam Smith alles regelt, Angebot und Nachfrage quasi ausgleicht und ideale Bedingun
gen schafft? - Nach meinem Dafürhalten ist das zwar so, aber verbunden mit unerwünschten Folgen, nicht etwa aus Marktsicht, sondern aus sozialer Sicht. Es gibt darüber hinaus Güter, die der Staat zwingend bereitstellen muss. Ich denke da z. B. an die Trinkwasserversorgung. Wenn man das ausschließlich dem Markt überließe, wäre Trinkwasser viel teurer, als es das heute ist. Kulturelle Angebote wären unheimlich viel teurer. Denken Sie nur einmal daran, was Theaterkarten ohne Zuschuss des Staates kosten würden!
Häufig greift der Staat durch Gesetze in den Markt ein. Wir haben davon auch schon einige verabschiedet. Manchmal ist es aber so, dass der Staat das Ohr noch näher an Masse haben möchte. Das ist manchmal historisch gewachsen, manchmal aber auch nicht, sondern irgendwelchen Erfordernissen geschuldet. Dann ist der Staat sogar selbst an Unternehmen beteiligt und sitzt z. B. in Aufsichtsräten großer Unternehmen.
Das ist grundsätzlich erst einmal kein Problem, obwohl es natürlich irgendwie einen Interessenkonflikt gibt. Denn auf der einen Seite hat der Staat allen Bürgern, also diesem nebulösen Gemeinwohl, zu dienen, und auf der anderen Seite ist er als Vertreter im Aufsichtsrat irgendwie auch dem Unternehmenswohl verpflichtet. Da gibt es einen Interessenskonflikt, zumindest dann, wenn Unternehmen und Staat nicht ausschließlich gleichgerichtete Interessen haben, und das ist eigentlich immer so.
Dieser Konflikt ist nicht auflösbar, was auch nicht weiter schlimm ist, wenn der Staat nicht durch seine höchsten Repräsentanten in diesen Aufsichtsgremien vertreten wird. Denn dann kommt es beim Bürger dazu, dass er den Konflikt, der dieser Vertretung innewohnt, auch in der Person wiederfindet, die als Staatsvertreter gesehen wird. Das wird dann zu einem Problem.
Der erste ist die Glaubwürdigkeit. Das ist im Zuge dieses Diesel-Skandals ganz deutlich geworden. Da kann der Bürger einfach nicht mehr genau unterscheiden, mit welcher Stimme unser Ministerpräsident jetzt spricht. Spricht er als Landesvater und vertritt uns alle, oder spricht er als jemand, der dem Wohl des VW-Konzerns - im Übrigen durch das Aktienrecht berechtigt; das ist klar - verpflichtet ist? Auch wenn man das nach innen kommunizieren kann, ist das nach außen, in der Öffentlichkeit, eine unheimlich schwierige Sache und trägt im
Übrigen auch nicht gerade dazu bei, dass die Akzeptanz von Politik steigt, und das ist ja ihr großes Ziel. Sie wollen ja die Gesellschaft vereinen.
Der zweite Punkt ist die Fachkompetenz. Wir wissen - gerade wenn wir in die Aufsichtsräte von Banken und Kreditinstituten schauen -, dass es Anforderungen gibt, die nicht jeder erfüllt. Das kann natürlich dazu führen, dass die Auswahl von Ministern dadurch beeinflusst wird, dass jemand diese Voraussetzungen erfüllt oder nicht. Das darf nach meinem Dafürhalten auf keinen Fall passieren. Das ist in letzter Zeit ganz deutlich zutage getreten. Die Beispiele VW und NORD/LB wurden schon genannt.
Wir sehen - das nehme ich schon einmal vorweg: wir stimmen dem Antrag natürlich zu - eine Lösung darin, Experten in Aufsichtsräte zu schicken. Dr. Althusmann hatte vor der Wahl ja angekündigt, dass er einen Wirtschaftsprüfer an seine Seite stellen wolle. Besser wäre es natürlich gewesen, wenn dieser Wirtschaftsprüfer - haben Sie ihn mittlerweile eigentlich gefunden, Herr Dr. Althusmann? - selbst im Aufsichtsrat sitzen würde.