Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Deshalb ist es richtig, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie das Berufsbild eigentlich attraktiver gemacht werden kann. Dazu gehört auch die Ausweitung von Ganztagsplätzen in den Kitas, weil damit die Schaffung von Vollzeitstellen in den Kitas einhergeht. Dann muss man aber gleichzeitig das Kita-Gesetz anpassen und auch mal über die Definition von Freistellungsstunden, Vorbereitungsstunden etc. reden, damit die Vollzeiterzieherinnen und -erzieher nicht nach ein paar Jahren sagen: Oh mein Gott, jetzt reicht es mir; diese Arbeitsbelastung halte ich nicht mehr aus.

Das heißt, es geht nicht nur um die Erzieherausbildung, sondern auch um die Frage der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes. Es geht auch um die Frage der Anpassung der Studienkapazitäten in der Lehrerausbildung im Bereich der Sozialpädagogik. Es könnte viel mehr schulische Kapazitäten geben, wenn es die entsprechenden Lehrkräfte geben würde. Also müssen wir auch an der Lehrerausbildung arbeiten.

Ein wichtiger Punkt, den Minister Tonne dankenswerterweise sofort nach der Kultusausschusssitzung - wie ich feststellen durfte - aufgegriffen hat, ist die Frage der Ausbildungsvergütung. Das muss man ja nicht nur für eine dualisierte Ausbildung durchdenken, sondern auch in Form eines Taschengeldes oder einer Ausbildungsvergütung während der schulischen Ausbildung in Vollzeit. Das würde dieses Berufsfeld deutlich attraktiver machen.

Vor diesem Hintergrund, finde ich, ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen eine gute Grundlage. Unser Ziel muss es sein, im nächsten Frühjahr hier im Landtag gemeinsam Eckpunkte zu verabschieden, die die Erzieherausbildung in Niedersachsen attraktiver machen. Denn, wenn wir frühkindliche Bildung stärken wollen - und zwar nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität -, müssen wir uns jetzt alle gemeinsam auf den Weg machen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Schließlich spricht für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Uwe Santjer. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über die Einigkeit darüber, dass wir dieses so wichtige Thema gemeinsam bearbeiten wollen. Vielleicht werden wir am Ende, wenn wir die Ziellinie überschreiten, gemeinsam etwas Vernünftiges hinbekommen haben. Die Einladungen stehen. Das ist, glaube ich, der richtige Weg.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Setzt euch mal gegen die CDU durch!)

Lassen Sie mich nur kurz sagen: Ich weiß, der Kollege Försterling hat das nicht so gemeint, aber frühkindliche Bildung umfasst mehr als nur Weihnachtsaufführungen, die man in dieser Zeit gerade macht.

Ich würde mich dem Thema gern anders nähern, als es meine Vorredner gemacht haben, nämlich vom Kind aus gesehen. Ich stelle die Frage: Welche Art Menschen brauchen wir eigentlich in dieser Gesellschaft, um den anstehenden Herausforderungen gerecht werden zu können? Was sind die Dinge, die die Kinder, die heute lernen, morgen als

Erwachsene in dieser Gesellschaft zu leisten haben?

Ich will einige wenige Punkte nennen. Ich stelle fest: Eines der Dinge, die die Menschen in diesem Lande umtreibt - ob ich nun im Fitnessstudio auf dem Rad sitze, ob ich mit Freunden beim Frühstück bin, ob ich gerade an der Kasse im Dorfladen stehe, die Leute sprechen mich darauf an -, ist die Frage, wie es in dieser Gesellschaft mit denen weitergehen soll, die gestern noch auf der Flucht waren, hierhergekommen sind und heute hier zu Hause sind. Das ist eine der zentralen Fragen, die wir und auch die kommenden Generationen zu beantworten haben. Ich höre dabei Angst, ich höre Unsicherheiten, aber auch Neiddebatten.

Eine der Herausforderungen ist also das Miteinander von Menschen, die hier bereits zu Hause sind, und Menschen, die zu uns gekommen sind. Deshalb ist meine erste Erkenntnis: Wir brauchen Menschen, die von Anfang an zu einer aktiven Friedenspolitik bereit sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine nächste Herausforderung ist der Umgang mit dem technischen Fortschritt. Der Koalitionsvertrag ist ja letztlich von der Frage durchzogen, wie eine digitale Gesellschaft aufgestellt sein kann. Wir werden in unserem Zeitalter in Kindertageseinrichtungen, in Schulen, in der Ausbildung, bei Arbeitsabläufen die Digitalisierung erleben. Wir werden Menschen brauchen, die damit vernünftig umgehen können. Deshalb ist meine zweite Erkenntnis: Wir brauchen Menschen, die die Zukunft aktiv gestalten wollen und können und sich als Teil des Prozesses verstehen.

Das Nächste ist - wir erleben es nicht nur, wenn wir bei Seniorennachmittagen sind -, dass wir - zum Glück - eine Gesellschaft sind, die immer älter wird. Die Frage ist, wie wir damit klar kommen, wie die älter Werdenden auch die Hilfe der Jüngeren annehmen können, und wie wir eine Gesellschaft schaffen können, in der das Miteinander auch in diesem Bereich vernünftig geregelt wird. Deshalb brauchen wir Menschen, die eine hohe soziale Kompetenz besitzen, auch den anderen sehen und ihre Ellbogen bei sich lassen und nicht in die Seite des anderen drücken.

Bei den Spaziergängen durch den Wald und das schöne Wattenmeer vor Cuxhaven fällt uns auf, dass wir mit dieser Natur im Einklang leben müssen. Deshalb brauchen wir - das ist meine vierte

Erkenntnis - Menschen, die den Lebensraum Erde erfassen, ihn schützen und sensibel mit ihm umgehen.

Warum sage ich das? - Ich sage das,

(Björn Försterling [FDP]: Weil du die Redezeit nicht mit Inhalten füllen kannst?)

weil ich mit diesen Beispielen verdeutlichen will, welche wichtigen und bedeutungsvollen Aufgaben die Pädagoginnen und Pädagogen in der frühkindlichen Bildung haben. In der frühkindlichen Bildung sind Kinder Subjekte, keine Objekte. Sie sind keine Gefäße, die mit Wissen und Erfahrungen gefüllt werden können. Sie sind keine Modelle, die nach den Wünschen von Eltern, Erwachsenen, Erzieherinnen und Erziehern Gestalt annehmen. Kinder sind soziale und ganz eigenständige und einzigartige Wesen, die durch Selbstbildungsprozesse ihren Entwicklungsfortschritt aktiv vollziehen. Kinder sind neugierig, sich selbst zu entdecken, und sie sind in der Lage, eigenes Verhalten zu reflektieren. Sie sind neugierig, andere kennenzulernen, und sie sind voller Entdeckerdrang, ihre dingliche Umwelt zu erfassen und zu gestalten. Kinder sind Gegenwart und Zukunft zugleich.

Deshalb ist es gut, dass der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Grünen den Fokus auf den Beruf der Erzieherin und des Erziehers legt. Dort werden die Grundlagen geschaffen für das, worüber ich gerade gesprochen habe. Ich nehme diesen Antrag als Unterstützung der die Regierung tragenden Fraktionen wahr, die sich im Koalitionsvertrag deutlich dazu bekannt haben, dem Fachkräftemangel auch in der frühkindlichen Bildung zu begegnen.

Kollege Santjer, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Försterling zu?

Im Moment nicht, danke.

Wir wissen, dass unter Ministerin Frauke Heiligenstadt die Zahl der Ausbildungsplätze in Niedersachsen um etwa 2 500 gestiegen ist. Ich weiß, dass der Nachfolger Grant Hendrik Tonne ihr in Nichts nachstehen wird. Im Sinne der Kontinuität machen wir dort weiter. Denn wir werden zusätzliche Ausbildungsplätze in Voll- und Teilzeit schaffen. Wir werden den Quereinstieg brauchen und dem eine besondere Bedeutung geben. Wir wer

den im Schulterschluss mit Trägern, mit Verbänden und der Wissenschaft eine Weiterentwicklung der Fachkräfteausbildung überprüfen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sie wissen doch, was die Dualisierung ist!)

Dabei wird es mit uns, liebe Kollegin Hamburg, keine qualitätsgeminderte Ausbildung geben. Darauf können Sie sich verlassen - heute und auch in der Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werden wir uns auch den Aufgabenkatalog der Kolleginnen und Kollegen ansehen müssen. Dabei stellt sich dann auch die Frage nach Entlastung und eventuell nach Arbeitsumverteilung, die, wie ich glaube, am Ende notwendig sein wird. In nicht wenigen Kindertageseinrichtungen ist es so, dass Erzieherinnen und Erzieher, die wir an der Basis mit Kindern als hervorragend erlebt haben und zu KitaLeitungen weiterentwickelt haben, am Ende hinter Computern verschwinden. Ob das so bleiben muss, ist die Frage. Zu diesem Thema fallen mir hier und da noch andere Beispiele ein.

Sie fordern in Ihrem Antrag andere Formen der betrieblichen und berufsbegleitenden Ausbildung, lehnen aber ein wie auch immer geartetes duales System ab. Ich freue mich, wenn wir im Ausschuss einmal genau hingucken. Im Koalitionsvertrag haben wir uns für die Prüfung eines Modells für die duale Berufsausbildung ausgesprochen. Wir wollen uns das genau angucken.

Uns geht es ja nicht darum, sozusagen ab sofort dual auszubilden. Denn wir müssen sehen - das ist hier auch von den Vorrednern angesprochen worden; da hat Herr Försterling uneingeschränkt recht -, welche Einbußen sich dann ergäben. Vielmehr muss es darum gehen, dass wir es auch im Bereich der Ausbildung für die Kolleginnen und Kollegen, die den schweren Beruf der Erzieherinnen und Erzieher erlernen wollen und danach darin gute Arbeit leisten, erreichen, dass sie während der Ausbildung eine vernünftige Vergütung erhalten. Das ist eine der Motivationen, die wir haben, um da noch einmal die Lupe draufzulegen.

Außerdem wollen wir die Qualität und den gewonnenen Status nicht mindern.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Aber Sie wissen das doch!)

Das lassen wir nicht zu. Darüber können wir, glaube ich, gut miteinander reden.

Wir werden auch den Blick auf andere Bundesländer werfen, um deren Auseinandersetzungen mit der Ausbildung zu bewerten und eigene Schlüsse daraus zu ziehen.

Im Koalitionsvertrag wird die Schulgeldfreiheit zugesagt. Deren Umsetzung gelingt in dieser Legislaturperiode. Ich finde - manche in diesem Haus sehen das etwas anders; das wundert mich -, das ist ein wirklich guter Koalitionsvertrag, der sich auf die Qualitätsverbesserungen einlässt, der deutliche Schwerpunkte auch im frühkindlichen Bereich setzt und den Herausforderungen, die wir mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu meistern haben, zugewandt ist, damit wir diese tatsächlich bewältigen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke den Grünen für die Initiative, diesen Antrag zu stellen. Ich erlebe ihn als Unterstützung für unseren Koalitionsvertrag. Viele der Dinge, die wir im Koalitionsvertrag haben, finde ich in Ihrem Antrag wieder. Über Dinge, bei denen unsere Positionen noch auseinander liegen, werden wir im Ausschuss reden. Und wenn Herr Försterling hier heute sagt, dass wir das gemeinsam versuchen wollen, wäre das ein guter, fortschrittlicher und wichtiger Weg für die Kinder in Niedersachsen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Santjer. - Von den Fraktionen sehe ich keine weiteren Wortmeldungen, sodass jetzt der Kultusminister, Herr Tonne, das Wort nehmen kann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Hamburg, auch ich möchte mich recht herzlich für den Entschließungsantrag bedanken. In ihm steht viel Richtiges. Das haben wir in der Debatte eben schon festgestellt. Ich glaube, wir sind uns hier auch schon einig gewesen, dass wir in der Zielsetzung überhaupt nicht auseinander liegen. Spannend ist aber der Weg dorthin. Dazu wird verständlicherweise - weil dies das Schwierige ist - auch im Entschließungsantrag nichts richtig Konkretes gesagt. Das ist aber etwas, was wir gemeinsam entwickeln wollen.

Ein breites, qualitativ hochwertiges Angebot an Einrichtungen der frühkindlichen Bildung verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einerseits und eröffnet den Kindern Bildungs- und Teilhabechancen andererseits. In den über 5 000 niedersächsischen Kindertagesstätten - Krippen, Kindergärten - wird der Grundstein für eine erfolgreiche Bildungs- und Erwerbsbiografie der Kinder und Jugendlichen gelegt und Eltern ermöglicht, ihrem Beruf nachzugehen, während der Nachwuchs gut betreut und gefördert wird. Ich finde, genau das rechtfertigt jede politische Anstrengung in diesem Hause.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Dass das so gut ist, ist das Verdienst der sozialpädagogischen Fachkräfte, der Betreuungskräfte in unseren Kindertageseinrichtungen, in der Kindertagespflege. Für deren Engagement bedanke ich mich hier ganz ausdrücklich.

Die Eltern in Niedersachsen haben Vertrauen in unsere Fachkräfte. Das zeigt auch der starke Aufwuchs in den Betreuungszahlen sehr eindrucksvoll. Dieses Vertrauen ist auch absolut gerechtfertigt. Das Personal, das in den niedersächsischen Kindertageseinrichtungen arbeitet, ist bestens ausgebildet und vorbereitet auf die Arbeit mit und für die Kleinsten in Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen setzt die bundesweiten Vorgaben der Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz konsequent um und sichert die Ausbildungsqualität. Erzieherinnen und Erzieher sind die Experten für Bildung, für Erziehung und für Betreuung - und das soll auch so bleiben. Die letzten Jahre haben einen Aufwuchs der Zahlen mit sich gebracht. Das ist eine gute Entwicklung. Aber genau das ist auch der Grund, weswegen mehr benötigt werden.

Dabei darf es bei der Frage, wie wir zu diesem Mehr kommen, keine Denkverbote geben. Wir dürfen nicht den Fehler machen, Wege von vornherein auszuschließen, ohne sie zu überprüfen. Notwendige Debatten über die Zukunft des Erzieherinnen- und Erzieherberufs werden allerdings, Frau Kollegin Hamburg - ich sage es auch hier wieder ganz deutlich, wie auch im Ausschuss -, nicht zulasten von Qualitätsstandards geführt. Ich habe gerade eben noch einmal im vorläufigen Protokoll gelesen, weil Sie gesagt haben, Sie hätten es mit Schrecken zur Kenntnis genommen. Wir haben es im Ausschuss ganz deutlich gesagt. Auf Ihre Frage habe ich noch einmal ausgeführt, dass

all das, was passieren wird, eben nicht zulasten der Qualität geht. Das sage ich hier auch noch einmal ganz ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Sehr wohl wollen wir aber eine Debatte darüber führen, wie wir das Tätigkeitsfeld für junge Menschen noch attraktiver machen können; denn es ist völlig klar: Wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher in Niedersachsen, und zwar möglichst schnell. Dabei ist es ganz egal, ob man in der Vergangenheit gesagt hat, dass es gut oder mittel gelaufen ist oder ob es noch besser hätte laufen können. Das ist nicht die Frage. Jetzt ist der Blick nach vorne zu richten, wie wir den Anforderungen gerecht werden. Das erfordert in der Tat kräftige und vielfältige Anstrengungen. Auch die Überschrift - ob es ein Masterplan, ein Paket oder was auch immer ist - können wir beiseiteschieben.