Wir sind der Auffassung, dass wir mal eher in Richtung Handeln kommen müssen. Führen wir uns die Zahlen noch mal vor Augen: Allein in Deutschland werden 18 Millionen t Lebensmittel jährlich weggeworfen. In Niedersachsen sind das heruntergebrochen 1,8 Millionen t. Wenn man es auf die Fläche umrechnet, bedeutet das, dass in Niedersachsen 70 000 ha umsonst bewirtschaftet werden. Es geht auch um Energieeinsatz und den Ressourceneinsatz - wir diskutieren ja über Pestizide und alles Mögliche -, und das Zeug landet dann im Müll.
Ethisch besonders fragwürdig wird es natürlich dann, wenn es um tierische Lebensmittel geht. Der Verein „Provieh“ hat ausgerechnet, dass, wenn man das weggeworfene Fleisch hochrechnet, 230 000 Rinder und 4,1 Millionen Schweine jährlich umsonst sterben. Das sind Zahlen, die dringend politisches Handeln erfordern.
Wir haben wahrgenommen, dass es auf Bundesebene eine Initiative von Frau Klöckner gab, die sagt: Ja, das ist ein wichtiges Thema. - Allerdings fehlen uns da konkrete Vorgaben. Damit sollen wir uns wieder freiwillig befassen und überlegen, wie wir alle - auch so ein bisschen moralisch - weniger wegwerfen können. Ein hoher Prozentsatz an Lebensmitteln wird in den Privathaushalten weggeworfen. Da ist sicherlich die Verbraucherbildung ein Ansatz.
Einige Nachbarländer zeigen uns, wie man wirklich etwas machen kann. 2016 ist in Frankreich ein Gesetz beschlossen worden, wonach Supermärkte ab einer bestimmten Größenordnung der Verkaufsfläche Lebensmittel nicht mehr wegwerfen dürfen, wenn sie noch verzehrfähig sind, sondern sie an Hilfsorganisationen abgeben müssen. Es werden Verträge abgeschlossen; das wird auch kontrolliert und sanktioniert.
Tatsächlich kann man feststellen, dass es praxistauglich war. Das hat natürlich in Frankreich bei den Supermarktbetreibern zunächst auch nicht zu großem Hurra geführt, aber man kann feststellen,
dass 22 % mehr Lebensmittel den Tafeln und Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Das sind Größenordnungen, wenn man das hochrechnet, bei denen es sich wirklich lohnt, tätig zu werden.
Andere Länder haben nachgezogen. Tschechien hat ein ähnliches Gesetz, auch noch mit hoher Strafandrohung. Italien hat auch ein Gesetz in dieser Richtung, allerdings nicht mit Strafandrohung, sondern mit steuerlichen Anreizen für die Supermarktbetreiber.
Wir wollen nicht konkret sagen, wie das Gesetz aussehen soll, aber wir fordern in unserem Antrag die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass ein Gesetz verabschiedet wird, das die Supermärkte in Deutschland dazu verpflichtet, diese Lebensmittel nicht mehr wegzuwerfen.
Zu dem anderen Punkt, den wir in der Überschrift zu unserem Antrag genannt haben. Wir wollen, dass das Containern und das sogenannt Bändern entkriminalisiert werden.
Der Begriff „Containern“ ist ja mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen und bedeutet, dass sich Leute aus ethischen oder finanziellen Gründen an einem Container, z. B. eines Supermarkts, an weggeworfenen Lebensmitteln - bei uns vor Ort war es mal eine Schokoladenfabrik - bedienen.
Wir möchten mit unserem Antrag erreichen, dass diese Menschen nicht von der Polizei oder der Justiz verfolgt werden. Es ist natürlich richtig: Es darf keine Sachbeschädigung stattfinden, man darf keinen Zaun aufbrechen oder so etwas. Das ist selbstverständlich. Wenn man einfach nur das Gelände betritt, dann würde das heute eventuell unter Hausfriedensbruch fallen. Wenn man irgendwo über den Zaun klettert, ist es schwerer Hausfriedensbruch. Zudem ist die Rechtsprechung sehr unterschiedlich. Je nachdem, an wen man sozusagen vor Gericht gerät, kommt es zu einem Verfahren und zu einer Geldstrafe in Tagessätzen usw. oder eben auch nicht. Es wird sehr häufig wegen Geringfügigkeit eingestellt.
Auch das ist für uns ein Grund, warum wir es entkriminalisieren wollen, da es so keinen Sinn macht. Ich glaube, auch die gesellschaftliche Akzeptanz ist dafür gegeben. Alle ärgern sich über weggeworfene Lebensmittel. Ich gehe nicht davon aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, dass die
Das sogenannte Bändern muss ich vielleicht auch noch kurz erklären. Das ist an den Universitäten und ihren Mensen derzeit ein großes Thema, weil sich Studierende an dem Band bedienen, auf das die Tabletts mit den Tellern, auf denen sich zum Teil noch halbe Portionen befinden, abgestellt werden. Das wird zum Teil auch verfolgt.
Dieses Bändern ist gerade unter den jungen Leuten, die sich glücklicherweise sehr mit Ressourcenschutz etc. befassen, ein großes Thema und hat ein starkes Bewusstsein hervorgerufen. Es ist die Sache der Leute selber, ob sie diese Lebensmittel noch verspeisen möchten oder nicht. Da sollte sich der Staat nicht einmischen. Insofern fordern wir auch hier eine Entkriminalisierung. Ich hoffe auf eine konstruktive Debatte.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es folgt für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Veronika Koch. Frau Koch, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Lebensmittel retten - Containern und ‚Bändern‘ entkriminalisieren“, so lautet der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit dem wir uns heute beschäftigen.
Zunächst möchte auch ich kurz auf die Begrifflichkeiten zu sprechen kommen; denn es ist vielleicht nicht allen klar, worum es hierbei geht:
Von „Containern“ haben Sie grundsätzlich bestimmt schon einmal gehört. Man spricht davon, wenn jemand weggeworfene Lebensmittel aus Abfallcontainern mitnimmt, aus Abfallcontainern beispielsweise von Lebensmittelmärkten. Nicht selten werden diese dabei gewaltsam geöffnet. In Deutschland ist das Containern verboten.
„Bändern“ hingegen ist ein Begriff, der weniger geläufig ist. Ich musste ihn tatsächlich recherchieren. Wir haben es eben schon gehört: Wenn Stu
denten in der Mensa ihren Teller nicht vollständig abessen und ihn dann mit den Speiseresten zurück auf das Laufband für die Küche stellen, gibt es wiederum Menschen, die sich diese Teller ergattern, um sich an den Resten zu bedienen. Für mich ist das eine recht ungewöhnliche Vorstellung, aber offenbar scheint dies in den Mensen eine geläufige Praxis zu sein.
Der vorliegende Antrag zielt darauf ab, diese Vorgänge zu entkriminalisieren, um damit der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken.
Meine Damen und Herren, wir dürfen uns darüber freuen, dass wir im Hinblick auf die Qualität unserer Lebensmittel immer besser werden. Das haben wir auch gestern wieder gehört, als es um die Direktvermarktung bei uns in Niedersachsen ging.
Allerdings haben wir ein Luxusproblem; denn es werden zu viele Lebensmittel einfach weggeworfen. In Deutschland sind dies im Schnitt 55 kg Lebensmittel, die jeder Einwohner pro Jahr in den Müll wirft. Das sind natürlich alarmierende Zahlen. Insbesondere angesichts von weltweit 800 Millionen hungernden Menschen ist die Verschwendung von Lebensmitteln zum einen natürlich ein großes ethisches Problem. Zum anderen werden die Produkte aber auch von unseren Landwirten in Niedersachsen mit hohem persönlichen und beträchtlichen Ressourceneinsatz erzeugt. Auch aus diesem Grund ist die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung für uns ein wichtiges Anliegen.
Die Ursachen sind komplex und vielfältig. Allein rund 60 % der Abfälle werden den Privathaushalten zugeschrieben. Doch auch bereits zuvor in der Landwirtschaft, im Handel, bei der Verarbeitung oder auch bei der Außerhausverpflegung besteht Einsparpotenzial. Wir haben das Problem in Deutschland erkannt, und es gibt hier bereits gute Initiativen, um die Lebensmittelverluste nachhaltig zu verringern. Ich nenne zum einen das Projekt „Zu gut für die Tonne“, das sich bereits seit einigen Jahren etabliert, und recht aktuell ist nun die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ auf den Weg gebracht worden. Niedersachsen ist in dem Bund-Länder-Gremium zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung übrigens aktiv dabei.
Meine Damen und Herren, unsere Landwirtschaftsministerin, Barbara Otte-Kinast, hat seit Beginn dieser Legislaturperiode das Zentrum für Ernäh
Hier werden wir in Niedersachsen u. a. gezielte Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung entwickeln, zum einen im Bereich der Produktion, des Transports und der Lagerung von Lebensmitteln, zum anderen aber auch durch mehr Bildung und Informationen an den Verbraucher, was ich persönlich als sehr wichtig erachte.
In unserer Gesellschaft ist zunehmend die Wertschätzung unserer Güter verloren gegangen. Meine Großmutter hätte lieber eine Magenverstimmung in Kauf genommen, als dass sie Lebensmittel weggeworfen hätte. Leider hat sie eben auch andere Zeiten kennengelernt, als sie in Kriegszeiten Hunger leiden musste. Nun sind wir natürlich froh, dass wir seit vielen Jahren in Frieden leben dürfen. Das hat aber leider auch dazu geführt, dass wir die Wertschätzung unserer Lebensmittel zunehmend verloren haben.
Mit dem Zentrum für Ernährung und Hauswirtschaft werden wir diese Sinne und auch die Alltagskompetenzen der Menschen wieder mehr schärfen.
Ich persönlich halte es für fragwürdig, ob die Entkriminalisierung von Containern und Bändern der richtige Weg zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung ist. Es hängt vom Willen des Entsorgers ab, ob er die Lebensmittel, die vielleicht abgelaufen sind oder nicht mehr den Handelsbestimmungen genügen, wegwirft oder freiwillig zur Verfügung stellt. Beim Containern kann der Straftatbestand des Diebstahls oder sogar des Hausfriedensbruchs erfüllt sein. Wenn ein Eigentümer nicht will, dass die Reste an andere weitergegeben werden, muss dies grundsätzlich erst einmal respektiert werden.
Falls, wie hier gefordert, eine Ausnahme vom Straftatbestand geschaffen werden sollte, könnte eine dann nötige Gesetzesänderung möglicherweise unvereinbar mit dem Eigentumsgrundrecht unseres Grundgesetzes sein, was rechtlich zu beleuchten ist.
Ich bin der Auffassung, dass grundsätzlich die Vermeidung von Abfällen im Vordergrund stehen sollte. Erst an zweiter Stelle stehen für mich Fragen nach der Weitergabe oder Verwertung der Reste, bei denen es auch um Hygieneanforderun
gen geht. Aber wir werden darüber im Ausschuss beraten und dort sicherlich interessante Diskussionen führen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Koch. - Die Kollegin Staudte möchte im Wege einer Kurzintervention auf Ihre Rede eingehen. Frau Staudte, Sie haben 90 Sekunden zur Verfügung. Sie kennen das. Bitte sehr!
Herzlichen Dank. - Ich möchte nur auf einen Aspekt eingehen. Sie sagten, das, was im Container liege, sei Eigentum des Entsorgers. Ich denke, hierzu gibt es sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen. Wir schließen uns der an, die da sagt: Wer es in den Mülleimer geworfen hat, der hat das Eigentum daran aufgegeben.