Vielen Dank, Herr Minister Hilbers. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen nicht vor.
Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Verbot von Lebendtiertransporten in Drittländer - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/3265
Zur Einbringung erteilte ich für die AfD-Fraktion der Fraktionsvorsitzenden, Frau Abgeordnete Guth, das Wort.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema Lebendtiertransporte in Drittländer ist ein politischer Dauerbrenner für das allseits beliebte Parlamentspingpong.
Grundsätzlich möchte natürlich jeder Politiker und jede Partei immer Abhilfe für die betroffenen Tiere schaffen. Nur entscheiden möchte niemand. Zu groß sind wirtschaftliche Interessen, zu groß mitunter auch dahinterstehende Lobbygruppen.
Man muss sich vergegenwärtigen, dass jährlich mehr als 1,4 Milliarden lebende Tiere innerhalb der EU transportiert werden. Das kann die Fahrt zum Zuchtbetrieb im Nachbarbundesland, der Transport zum nächstgelegenen Schlachthof, aber auch eine Tour über Hunderte Kilometer quer durch Europa sein. Sollte sich jemals jemand die Mühe machen, die Kilometer, den Dieselverbrauch, den Schaden für die Umwelt, aber auch die CO2-Bilanz auszurechnen, ich glaube, nicht nur die Grünen würden in einen ökologischen Veitstanz verfallen.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich denke, es gibt den Klimawandel gar nicht! Warum interessiert Sie dann die CO2- Bilanz?)
Wir wollen uns aber gar nicht mit dem europäischen Binnenmarkt beschäftigen. Es gibt ebenfalls Lebendtiertransporte nach außerhalb der EU, in sogenannte Drittländer. 238 Millionen lebende Tiere wurden bereits 2015 aus der EU heraustransportiert - Tendenz: steigend.
Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, kommt relativ schnell zu folgender Argumentation: Es sind die Schlachttiertransporte, die bedenklich sind. Zuchttiertransporte sind völlig in Ordnung, handelt es sich doch für den Empfänger um eine wertvolle Ware.
Das alles hört sich supergut an. Wenn man also davon ausgeht, dass im ersten Schritt keine lebenden Schlachttiere mehr in Drittländer zu versenden sind, um das schlimmste Leid zu beenden, erwartet einen eine Überraschung.
Meine Anfrage ans ML wurde am 11. Februar 2019 wie folgt beantwortet: Im Jahr 2018 wurden 85 Rinder mit zwei Transportgenehmigungen in den Libanon zum Zweck der Schlachtung verbracht. - Die Entfernung von Hannover nach Beirut beträgt 3 797 km, reine Fahrzeit - ohne Pause - mit einem Pkw 41 Stunden.
85 Rinder, meine Damen und Herren, können wir auch in Deutschland schlachten. Es dürfte an keiner Stelle eine existenzbedrohende Situation auslösen, wenn diese Tiere nicht in den Libanon kämen.
Das wirft jedoch eine ganz andere Frage auf: Woher kommen dann die irrsinnig hohen Zahlen bei den Transporten? Fast 23 000 Rinder wurden im vergangenen Jahr aus Niedersachsen in Drittländer exportiert. - Es bleiben nur die Zucht- und Nutztiertransporte. Mit der Mär von dem wertvollen Frachtgut, das sowohl beim Transport als auch beim Empfänger wie ein rohes Ei behandelt wird, dürfte damit Schluss sein.
Nun muss man folgende Fragen stellen: Erstens. Woher kommen die alarmierenden Berichte über massenhaft qualvolle Tiertransporte? Zweitens. Und wo kann man die endlosen Farmen in den Empfängerländern besichtigen? Wenn Jahr für Jahr Millionen Zuchttiere importiert werden, müsste es ja einerseits riesige Bestände und andererseits erfolgreiche Zuchtbetriebe in den Ländern geben, die einen zusätzlichen Import deutlich absinken lassen würden.
Ganz offensichtlich stellt sich diese Frage nicht nur mir. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf verweigerte die Erteilung eines Gesundheitsattestes für trächtige Rinder, die „zu Zuchtzwecken“ nach Algerien versendet werden sollten, mit der Begründung, man befürchte, dass sich die Amtstierärzte der Beihilfe oder Mittäterschaft schuldig machten, falls die Tiere im Empfängerland geschächtet würden. Zuchttiere?
Die gleichen Bedenken bestanden in SchleswigHolstein und Bayern. Fast 20 000 Menschen haben sich mittlerweile per Petition an unser eigenes ML gewandt.
Die Entscheidung in Hessen wurde gerichtlich kassiert, allerdings nicht wegen Tierschutzbedenken. Nein, der Transport sollte nämlich wohin gehen? - Nach Niedersachsen! Und damit war der hessische Amtstierarzt verpflichtet, die Transportgenehmigung auszustellen. Die Tiere gehen nämlich erst einmal nach Niedersachsen, in sogenannte Sammelstellen.
Während also in Bundesländern wie Hessen, Schleswig-Holstein und Bayern inzwischen aktiver Widerstand gegen die Lebendtiertransporte in Drittländer geübt wird, macht Niedersachsen die Augen zu. Man verlagert die Entscheidungen komplett auf die Veterinärämter, damit natürlich auch die Haftung für rechtliche Konsequenzen.
Der Tierschutzbeirat in Niedersachsen forderte bereits im März 2018, den Export von Zucht-, Nutz- und Schlachttieren in Länder mit bekannten Risiken außerhalb der EU zu verbieten. Die Begründung: Es kann nicht in unserem Sinne sein oder im Sinne des Tierschutzgesetzes, aus rein wirtschaftlichen Gründen Zucht- und Schlachttiere tage- bis wochenlang unter tierschutzwidrigen Umständen zu transportieren, um sie im Bestimmungsland unter Methoden zu schlachten, die in Deutschland strafrechtlich verfolgt würden.
Im Februar 2019 forderte der Tierschutzbeirat Niedersachsen die Landesregierung auf, sich dem Vorgehen in Schleswig-Holstein anzuschließen und vorläufig Transporte in bestimmte Drittländer zu untersagen.
Ich frage Sie ganz ehrlich: Warum haben wir diesen Beirat, wenn Aufforderungen über Monate, teils über Jahre schlichtweg ignoriert werden?
Unser Antrag umfasst die Punkte, die nötig sind, um hier schnell eine Lösung zu finden und Rechtssicherheit für Veterinärämter herzustellen.
Wir bitten darum, dass das Land Niedersachsen eine Liste mit Staaten außerhalb der EU erstellt, in denen nicht sichergestellt werden kann, dass deutsche Tierschutzstandards auf dem Transportweg und in den Zielländern eingehalten werden.
Wir bitten darum, im Zuge der Zusammenarbeit Auskünfte aus Bayern anzufordern. Denn Bayern hat eine solche Liste bereits erstellt. Die wird sich dort niemand ausgedacht haben. Es wird dort Material geben, das belegen kann, warum gerade diese Länder auf die Liste gekommen sind.
Für alle Länder, zu denen man diese Einschätzung teilt, wird unverzüglich der Lebendtiertransport untersagt.
Das Land Niedersachsen baut eine Datenbank für alle Veterinärämter auf, um Prüfungs- und Genehmigungsbedingungen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Das würde den Veterinärämtern Entlastung schaffen.
Und natürlich: Die Landesregierung fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für ein generelles Verbot von Lebendtiertransporten ins Ausland einzusetzen. Ausnahmegenehmigungen für Zuchttiere sollten nur unter strengen Auflagen mit engen Kontrollen, auch beim jeweiligen Empfänger, möglich sein.
Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, die Diskussion im Ausschuss darüber nicht auf Monate auszudehnen. Ich wäre wirklich dankbar, wenn sich das ML bis dahin zu einer vorübergehenden Aussetzung der Transporte in Risikoländer durchringen könnten.
Vielen Dank, Frau Guth. - Nun hat für die CDUFraktion Herr Kollege Dr. Mohrmann das Wort. Bitte, Herr Kollege!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Moderne Agrarpolitik zeichnet sich durch einen Dreiklang aus fachlicher Zielerreichung - in diesem Fall: der Erreichung des Tierwohls -, Berücksichtigung der Interessen der Bäuerinnen und Bauern sowie - das ist heute ganz wichtig - gesellschaftlicher Akzeptanz. Dafür stehen wir in Niedersachsen ein. Darauf kann sich die niedersächsische Bevölkerung verlassen. Darauf können sich alle verlassen, die in der Landwirtschaft tagtäglich fleißig von morgens bis abends ihre Arbeit tun.
Ganz besonders im Fokus der gesellschaftlichen Debatte steht hierbei zu Recht das Wohlergehen der Tiere. Es ist einer aufgeklärten Zivilgesellschaft wie der unsrigen nicht mehr würdig, wenn es noch immer vorkommt, dass Tieren unnötiges Leid zugefügt wird. Hier geben wir bei Verstößen gegen das Tierschutzrecht, bei Tiertransporten ebenso
wie bei Schlachtstätten, wiederholt das unmissverständliche Signal, dass wir dergleichen in Zukunft nicht dulden werden.
Die deutlichen Worte, die wir hier in Plenum im letzten Jahr zu nicht akzeptablen Vorgängen bei Schlachtungen fanden, haben zu erkennbaren Veränderungen in der Branche geführt. Davon konnte ich mich bei mehreren Besuchen überzeugen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Ministerin OtteKinast hat bereits in der Fragestunde aufgezeigt, dass aktuell beim Transport lebender Tiere in Drittländer tierschutzrelevante Mängelhinweise vorliegen. Das nehmen wir für unsere Forderung zum Anlass, die Umstände derartiger Transporte auf den Prüfstand zu stellen, um solche Geschehnisse zukünftig nicht mehr möglich sein zu lassen. Dabei, meine Damen und Herren, spielt es im Übrigen keine Rolle, ob Tiere zur weiteren Zuchtverwendung oder zur Schlachtung transportiert werden. Die Unversehrtheit der Tiere ist so oder so sicherzustellen.
Eines will ich deutlich sagen: Wenn man in Drittländern Fleisch aus Niedersachsen oder meinetwegen auch aus Deutschland essen will, dann ist das schön und gut. Aber das kann in Zukunft auch gefroren geschehen, damit wir die Tiere hier schlachten können und wissen, wie das funktioniert.
Um die Tiertransporte in Zahlen zu fassen - wir haben es gehört -: Aus Niedersachsen wurden 2018 nahezu 190 000 Rinder in Länder außerhalb Deutschlands verbracht, hiervon ca. 23 000 Rinder in Drittländer. Wichtige Abnehmerländer sind derzeit die Russische Föderation und Usbekistan.
Wissen muss man dabei - auch das darf man hier einmal sagen -, dass niedersächsisches Zuchtrindvieh in den Empfängerländern in der Regel den Grundstock für die Etablierung einer gesicherten heimischen Lebensmittelerzeugung darstellt. Durch den Zuchtviehverkauf findet gleichzeitig für die Empfängerländer auch der Import wertvoller Genetik statt. Dies ermöglicht der dortigen Landwirtschaft, am hier realisierten Zuchtfortschritt teilzuhaben.
Statt von heute auf morgen gleich ein Verbot des Verkaufs in alle Drittländer zu fordern, sollte hier nach Tierarten und Transportmitteln differenziert werden. So dürfen Rinder eben keine schlechteren
Abgesehen davon hatte Frau Ministerin Otte-Kinast bereits ausgeführt, dass weder die bezogene EU-Verordnung Nr. 1/2005 noch nationale Tierschutzvorschriften den Behörden eine Befugnis geben, lange Tiertransporte generell zu verbieten. Es sind immer Einzelfallentscheidungen. Zukünftig sollte dabei auf Alternativen zu Langstreckentransporten gesetzt werden. Den Zuchtfortschritt kann man in diese Länder auch genauso durch den Export von Gefriersperma und Embryonen tragen.
Die regierungstragenden Fraktionen begrüßen ausdrücklich, dass Niedersachsen zusammen mit weiteren Ländern - wie gehört - das Thema Transporte in Drittländer auf die Tagesordnung der nächsten Agrarministerkonferenz im April gebracht hat. Auch hieran wird abermals klar, dass sich Niedersachsen als Agrarland Nummer eins auch über die Ländergrenzen hinaus seiner Verantwortung stellt. Wir fordern dabei eine gemeinsame und harmonisierte Vorgehensweise aller Bundesländer - im Idealfall EU-weit -, die sicherstellt, dass das Wohl der Tiere bei Transporten innerhalb der EU ebenso wie bei Transporten in Drittländer bis zum Bestimmungsort sichergestellt wird, ganz unabhängig davon, ob es Zucht- oder Schlachttiere sind. Technisch ist das alles möglich. Frau Staudte, da gebe ich Ihnen ausdrücklich recht.
Wir werden hierzu im Ausschuss weiter beraten. Ich sehe dem mit entsprechender Erwartungshaltung entgegen.