Protokoll der Sitzung vom 11.09.2019

Ich muss jetzt kurz die Stelle suchen, an der ich weitermachen wollte.

Ich hoffe - da bin ich bei Ihnen, Herr Becker -, dass wir hier im Landtag niemals über einen solchen Fall reden müssen. Aber alle hier in diesem Haus, die die Beschaffung von Naloxon für unsere Polizeikräfte ablehnen, sollten sich noch einmal ernsthaft die Frage stellen, ob dies wirklich eine kluge Entscheidung ist oder ob die Fürsorgepflicht nicht sogar eine Beschaffung von Naloxon für unsere Beamten von uns verlangt. Die Polizeibeamten, die dieser Debatte hier heute folgen, haben bestimmt ihre ganz eigene Meinung dazu, aber sie werden nicht gefragt.

Noch können Sie unserem Antrag zustimmen. Darum möchte ich hier noch einmal bitten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Nun hat sich für die Fraktion der SPD der Kollege Karsten Becker zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind in ihrem täglichen Dienst den verschiedensten Gefahren ausgesetzt. Ihr beruflicher Alltag ist vom Umgang mit Waffen ebenso bestimmt wie vom Umgang mit Gefahrgut, Explosivstoffen oder eben auch mit Drogen der verschiedenen Gefährdungsstufen.

In der Konsequenz bedeutet dieser Umgang natürlich nicht weniger als eine mehr oder weniger konkrete Gefährdung der persönlichen Gesundheit unserer Beamtinnen und Beamten. Dementsprechend ausgeprägt sind auch die Arbeitgeberpflichten zur Ausgestaltung des Arbeitsschutzes für die niedersächsischen Polizeibeamtinnen und -beamten. Diesen Arbeitgeber- und Fürsorgepflichten - auf diese Feststellung lege ich Wert - kommen die Polizeibehörden in Niedersachsen mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein und einer hohen Wirksamkeit nach.

Meine Damen und Herren, wenn man diese Verantwortung ernst nimmt, dann kann der erste Schritt zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit im Umgang mit Fentanyl jedenfalls nicht in die unreflektierte Ausgabe von Nasensprays münden. Der erste Schritt eines verantwortungsvollen Arbeitgebers ist eine konkrete und in diesem Fall polizeispezifische Gefährdungsbeurteilung.

Meine Damen und Herren, das ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung. Eine differenzierte Gefahrenbeurteilung ist vor allen Dingen eine wesentliche Voraussetzung für die mittel- und langfristige Akzeptanz von Arbeitsschutz- oder Eigensicherungsmaßnahmen.

Der aktuellen Gefahrenbeurteilung für Niedersachsen können wir zunächst einmal entnehmen, dass es im europäischen Raum erste Sicherstellungen von Fentanyl bzw. Fentanylderivaten gibt. Für Niedersachsen sind allerdings bisher keine Fälle bekannt. „Bisher nicht bekannt“ - damit gehe ich auf das mir fälschlicherweise zugeschriebene Zitat ein - bedeutet nicht, dass das für die Zukunft weiterhin gilt. Das kann sich selbstverständlich ändern. Aber zu einer Gefahrenprognose gehört zunächst einmal, dass man beschreibt, was ist, und dass man dann daraus Rückschlüsse zieht, was werden kann und wie man sich darauf vorbereitet.

Zweitens. Wir kommen zu der konkreten Prävention, zu dem, was Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in einem solchen Fall tun können, tun müssen. Es ist im Fall eines unbeabsichtigten Kontakts mit Fentanyl im Rahmen von polizeilichen Einsätzen von einer Aufnahme über die Haut auszugehen - und nicht über die Schleimhäute. Wegen der langsamen Absorption des Stoffes durch die Haut verbleibt dann eine ausreichende Zeit für eine wirksame Dekontamination durch Abwaschen oder durch mechanisches Abtragen, also Abbürsten.

Meine Damen und Herren, auch wenn es in Niedersachsen bis heute noch nicht zu einer Sicherstellung von Fentanyl oder Fentanylderivaten gekommen ist, sind die niedersächsischen Polizeibehörden vor dem Hintergrund einer möglichen stärkeren Verbreitung über mögliche potenzielle Gefährdungsaspekte bereits informiert und auf einen risikoreduzierenden Umgang mit diesen Stoffen hingewiesen worden. Die Polizeibehörden haben ihren Einsatzkräften bereits konkrete Präventionshinweise für die denkbaren polizeispezifischen Einsatzlagen an die Hand gegeben. Es ist ausdrücklich nicht so, dass hier die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landespolizei vor einem Phänomen stünden, über das sie nicht bereits informiert seien.

Eines will ich hier deutlich sagen: Alarmismus ist das Schlechteste, was man in einer solchen Situation tun kann, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit vernünftigen praktikablen Hinweisen auf solche Szenarien vorbereitet werden müssen.

Herr Kollege, Entschuldigung! - Es liegen die Wünsche zu zwei Zwischenfragen vor, nämlich vom Kollegen Ahrends und von der Kollegin Guth. Lassen Sie die zu?

Ich lasse die gerne zu, wenn Sie die Uhr anhalten.

Das machen wir grundsätzlich so.

(Karsten Becker [SPD]: Danke schön!)

Bitte schön, Herr Kollege Ahrends!

Herr Präsident, vielen Dank. Herr Becker, auch Ihnen danke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Sie bezieht sich auf das Abbürsten von Carfentanyl von der Haut. Sie sprachen davon, dass die Absorption über die Haut länger dauert. Wie schätzen Sie diesen Zeitraum ein? Konkret gefragt: Wie viel Zeit hat ein Beamter, sich die Hände zu waschen oder diese Killerdroge abzubürsten?

Bitte schön!

Ich beziehe mich mit meinen Äußerungen auf die Erkenntnisse und auf die Verfahrensvorschläge, die von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung auch an die Bundesländer weitergeleitet wurden und die an unsere Landesbehörden und somit an die Polizeibeamtinnen und -beamten in Form von Merkblättern übermittelt wurden. Die Drogenbeauftragte hält diese Art und Weise der Dekontamination für ausreichend.

Sie empfehlen, ein Nasenspray einzusetzen. Sie haben im Ausschuss gesagt - jetzt möchte ich Sie einmal zitieren -, das sei kinderleicht. Nun bin ich nicht der Meinung, dass man das Kindern überantworten sollte, aber es ist insoweit richtig, als die Anwendung angelernten Laien möglich ist. Das setzt aber in jedem Fall voraus, dass die Vorerkrankungen der Person, der dieses Nasenspray injiziert werden soll, bekannt sind und dass die Gesamtmedikation dieser Person ebenfalls bekannt ist, weil die Wechselwirkungen überhaupt nicht abgeschätzt werden können.

Die Darstellung, das sei kinderleicht und ohne jedes medizinische Risiko, ist eindeutig eine Beurteilung, die in Ihren Fraktionsstuben geboren sein mag, aber einer medizinischen Überprüfung schlechterdings nicht standhält. Ich empfehle, sich mit diesen Sachverhalten auseinanderzusetzen, bevor Sie solche Dinge in Entschließungsanträge schreiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Das war jetzt die Beantwortung der ersten Frage, auch wenn die Uhr weitergelaufen ist. Sie hätten nach meinen Unterlagen noch 1:30 Minuten.

(Karsten Becker [SPD]: Nein, das war über 1:50 Minuten!)

- Okay, ich wollte nur runden. Es ist ja bald Mittag.

Jetzt spricht die Kollegin Guth.

Vielen Dank. - Auch ich bedanke mich für die Zulassung der Zwischenfrage.

Ich habe nur eine Verständnisnachfrage. Wir reden über die Polizei, über Menschen, die im Dienst scharfe Waffen tragen. Sie bezeichnen es hier tatsächlich als Risiko, diese Menschen mit einem im Zweifelsfall lebensrettenden Nasenspray auszustatten. Das verstehe ich nicht ganz. Es wäre lieb, wenn Sie darauf noch einmal eingingen.

Vielen Dank.

Bitte, schön, Herr Kollege!

Nun habe ich Ihre Frage nicht verstanden. Ich weiß nicht, in welchem Kontext Sie hier das Tragen von Waffen erwähnen.

Es ist natürlich bei einer möglicherweise kontraproduktiven Medikation einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters aus dem Polizeidienst gesundheitlich kritisch, wenn man einen Wirkstoff einsetzt, der in eine negative Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, die die Person möglicherweise nimmt, kommt. Damit setzen Sie sich in Ihrem Antrag nicht auseinander, und das halte ich für sehr fahrlässig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Gestatten Sie denn noch eine Zwischenfrage des Kollegen Ahrends?

(Belit Onay [GRÜNE]: Er hätte sich im Ausschuss so rege beteiligen sollen! Das wäre hilfreich gewesen!)

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Becker, dass Sie die Frage auch noch zulassen. Auch ich möchte in die Mittagspause, aber der Punkt ist mir eben wichtig.

Ich habe es gegoogelt:

„Sehr häufige Nebenwirkungen von Naloxon sind Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckanstieg, akutes Entzugssyndrom und - bei operierten Patienten, die ein Opioid-Schmerzmittel erhalten haben“ - - -.

(Ulf Thiele [CDU]: Googeln Sie das auch, bevor Sie ins Krankenhaus ge- hen?)

Meine Frage an Sie: Kennen Sie weitere Nebenwirkungen? Wenn ja, welche?

Vielen Dank.

Ich würde Ihnen empfehlen, den gleichen Forschungsehrgeiz schon an den Tag zu legen, wenn Sie Ihre Anträge schreiben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für mich ist das ein deutlicher Beleg dafür, dass es Ihnen um Aktionismus geht, um Panikmache und die Ableitung des Eindrucks, Sie würden sich um den Aspekt der inneren Sicherheit in besonderem Maße bemühen.

(Zustimmung bei der SPD)