Protokoll der Sitzung vom 23.10.2019

keine Abkehr von der Schuldenbremse aufgrund des Zinsniveaus ableiten.

(Zustimmung bei der CDU)

Es wäre auch falsch, aus Gründen der Herausforderungen z. B. im ökologischen Bereich eine Umkehr bei der Schuldenbremse einzuleiten. Die Schuldenbremse ist elementar. Wir müssen unsere Aufgaben lösen, obwohl uns die Schuldenbremse die Leitplanken dafür bietet.

Wir dürfen auf keinen Fall die finanzielle gegen die ökologische Nachhaltigkeit, die ökologische gegen die finanzielle Nachhaltigkeit und entsprechende Themen ausspielen. Wir müssen erreichen, dass wir in unserem Land nachhaltig investieren und gleichzeitig die Rahmenbedingungen der Schuldenbremse einhalten, also die politischen Felder nicht auf Kosten der Neuverschuldung bearbeiten, sondern sie nachhaltig bewirtschaften.

(Beifall bei der CDU)

Diesen Umstand nutzen wir im Rahmen der Umschuldung aktiv und tragen damit im Wesentlichen zur Stabilisierung der Finanzpolitik und zum Abbau der Schuldenstandsquote bei, weil wir die niedrigen Zinsen auch dazu nutzen, uns Spielräume zu eröffnen. Denn wenn Sie aufgrund von Negativzinsen und aufgrund des niedrigen Zinsniveaus der Kreditpolitik das Wort reden, dann müssen Sie zwangsläufig zwei Fragen beantworten:

Die erste Frage ist: Was machen Sie mit den Krediten, wenn sie eines Tages wieder getilgt werden sollen? Auch Kredite zu Negativzinsen, auch Kredite zum Nullzins wollen wieder zurückgezahlt werden und sind Hypotheken für die nächste Generation.

Die zweite Frage lautet: Wie wollen Sie denn Vorsorge dafür treffen, wenn eines Tages das Zinsniveau wieder ansteigt, Sie dann höhere Kredite mit höheren Zinsen zu bedienen haben und dann höhere Belastungen haben?

(Christian Grascha [FDP]: Das müs- sen Sie Ihren Koalitionspartner fra- gen!)

Nein, das ist nicht nachhaltig. All die Jahre ist unsere Verschuldung kontinuierlich angestiegen. Sie ist auch nie wieder zurückgeführt worden, wenn die Investitionen erledigt waren. Im Gegenteil, je mehr Investitionen aus Krediten finanziert worden sind, desto mehr Anteile des Haushalts sind konsumtiv ausgegeben und nicht in Investitionen gelenkt worden.

Deswegen ist es ein ganz zentraler Punkt, dass die Finanzmittel auch für Investitionen herhalten müssen. Die Logik der Schuldenbremse ist ein ausgeglichener Haushalt, der sich aus laufenden Einnahmen speist und nicht aus Kreditaufnahmen für Investitionen zur Verfügung steht.

(Christian Grascha [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Dass wir das schaffen, haben wir bewiesen. Wir haben hier in der Koalition bewiesen, dass wir sowohl Altschulden tilgen als auch gleichzeitig keine neuen Schulden aufnehmen können, dass wir sowohl unsere Investitionen deutlich steigern als auch die Zukunftsaufgaben anpacken können.

Lassen Sie mich noch einen Satz zur Altschuldentilgung sagen.

(Christian Grascha [FDP]: Frage!)

Ja, wir nehmen die Altschuldentilgung nicht in die Verfassung auf. Das ist auch klug. Das hat übrigens kaum ein anderes Bundesland. Nach der bayerischen Regelung werden ebenfalls keine festen Beträge aufgenommen. Die bayerische Regelung besagt nur, dass die Altschuldentilgung gewährleistet werden soll. Das ist bei uns auch so. Wir haben bewiesen, dass wir das tun. Eine Regelung in der Verfassung würde uns nur zusätzlich einengen. Im Übrigen könnte sie unter wirtschaftlich guten Bedingungen sehr unterambitioniert sein, unter anderen Bedingungen könnte sie nicht leistbar sein. Deswegen ist es schlecht, einen fixen Betrag einzustellen. Der kann im Zweifel nur falsch sein.

Herr Minister Hilbers, ich komme nicht so richtig dazwischen. Es liegt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Grascha vor.

Ja, gerne.

Bitte, Herr Grascha!

Vielen Dank, Herr Finanzminister.

Ich habe eine Frage zu den Ausnahmetatbeständen und zu den auch von Ihnen angesprochenen 0,5 % des Haushaltsvolumens, die jetzt mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. Gelten

diese 0,5 % pro Haushaltsjahr, gelten sie pro Beschluss, oder gelten sie pro Ereignis?

Vielen Dank.

Das hat der Kollege Thiele Ihnen eben doch schon erklärt.

(Christian Grascha [FDP]: Das steht aber nicht im Gesetz!)

- Je mehr Sie nachfragen, desto mehr klären wir es hier in den Parlamentsdebatten. Die werden immer mit herangezogen, wenn es um die Auslegung solcher Fragen geht. Damit stärken Sie also unsere Auffassung, dass das klar geht.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ja, wie denn?)

Im Übrigen will ich Ihnen zu dieser Frage sagen: Eine Naturkatastrophe redet man doch nicht politisch herbei, weil man möglichst viele Ereignisse zur Schuldenaufnahme haben will. Eine Naturkatastrophe ereignet sich.

(Christian Grascha [FDP]: Aber eine Notsituation!)

Dann wird ein Katastrophenstab eingerichtet. Dann gibt es einen Katastrophenschutzplan. Dann gibt es entsprechende gesetzliche Vorgaben, und dann können Sie bei einem solchen Ereignis die Dinge bis zu einem gewissen Moment mit der einfachen Mehrheit gestalten.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ja, bis zu welchem Moment?)

- Bis diese Größenordnung erreicht ist.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Also pro Ereignis?)

- Glauben Sie denn, dass die Ereignisse der Reihe nach vom Himmel fallen, jeden Monat eines?

(Beifall bei der CDU - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: Das kann ja passieren! Was ist denn die Antwort darauf?)

- In Ihrem kuriosen Denken kann so etwas passieren.

(Zuruf von der FDP - Gegenruf von Anja Piel [GRÜNE]: Das ist der Fi- nanzminister!)

- Das ist eindeutig ausgestaltet. Sie wissen ganz genau, dass Sie hier theoretische Diskussionen führen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Dazu hätte ich gern mal das Protokoll!)

Ich kann Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, dass die Ausgestaltung dieser Regelung nur die Ausnahme von der zusätzlichen parlamentarischen Hürde einer Zweidrittelmehrheit ist. In vielen anderen Bundesländern können sie Naturkatastrophen in voller Höhe mit einfacher Mehrheit bedienen, egal in welcher Höhe.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist doch keine Antwort auf meine Frage!)

Das ist doch nur eine Frage der Ausgestaltung dieses Schutzmechanismus Zweidrittelmehrheit.

(Christian Grascha [FDP]: Unsauber formuliert! Der Finanzminister weiß es offenbar selbst nicht!)

Deswegen sind wir in Niedersachsen mit einer harten Schuldenbremse unterwegs.

Herr Grascha, es besteht immer die Möglichkeit, zusätzliche Redezeit zu beantragen, nachdem der Minister geredet hat. Nehmen Sie sich diese Zeit, und rufen Sie nicht so dazwischen!

Da Sie die Frage der Altschuldentilgung in Ihrem Änderungsantrag noch einmal deutlich thematisiert haben, sage ich Ihnen: Als ich den Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung hier einbringen durfte, betrug der Schuldenstand in Niedersachsen

61,352 Milliarden Euro. Wenn wir heute, mit dem Jahresabschluss 2018, auf die Schuldenuhr

schauen, sehen wir dort noch 60,666 Milliarden Euro. Wir haben mit der Altschuldentilgung ernst gemacht!

Sie sehen, dass wir uns beim Schuldenstand auf dem richtigen Weg befinden. Am Ende ist entscheidend, was dabei herauskommt - ob die politische Kraft da ist, Altschulden abzubauen, oder nicht. Wir werden das in der Tat tun. Wir haben vereinbart, in dieser Legislaturperiode mindestens 1 Milliarde Euro Altschulden zu tilgen, aber gleichzeitig die Investitionen nicht zu vernachlässigen.

Denn Schuldentilgung darf nicht auf Kosten von Investitionen stattfinden. Die Altschuldentilgung muss man auch bei den laufenden Ausgaben im Blick haben; dafür muss man sich Spielräume erarbeiten. Und man muss auch z. B. mit Sondervermögen bei wichtigen Investitionen vorankommen können.

Ich sage das deswegen so deutlich, weil vielfach der Eindruck erweckt wird, die Schuldenbremse sei ein Hinderungsgrund für Investitionen. Das ist bei Licht betrachtet überhaupt nicht so. Ich will Ihnen das anhand von Zahlen belegen: Wir haben die Investitionsausgaben in Niedersachsen gegenüber dem Haushaltsplan 2017 um 32 % gesteigert - das sind 450 Millionen Euro -, obwohl wir Altschulden getilgt und die Schuldenbremse 2019 in Niedersachsen eingehalten haben.