Protokoll der Sitzung vom 19.11.2019

(Jens Nacke [CDU]: Zu spät!)

Was kommt auf uns zu? - Wir wissen es nicht. Im Moment sind die Rahmenbedingungen schlecht. Sie haben gerade eine sehr weiche Schuldenbremse verabschiedet, und ich habe einfach die Befürchtung, dass diese Schuldenbremse, jedenfalls die kleine, in Zukunft unter z. B. einer grün-rotroten Regierung - und das kann ja sein - gelöst wird. Denn diese wachsweiche Formulierung von der Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht, kann alles Mögliche sein: ein Wolf, der nicht abgeschossen werden kann - eine Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht -, ein zu warmer Sommer - eine Notsituation, die sich natürlich auch der Kontrolle des Staates entzieht.

Also, es ist ganz klar: Jetzt ist die Zeit zu handeln! Jetzt sind die fetten Jahre, in denen man tilgen kann. Von daher ist der Antrag genau richtig. Er wird natürlich mit genau denselben Begründungen leider, leider, wieder abgelehnt. Nichtsdestotrotz ist es für das geschichtliche Wissen - das wird ja alles dokumentiert - genau richtig, das hier zu besprechen und sich klar zu positionieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Lilienthal. - Ich darf um Ruhe bitten, damit es weitergehen kann. Es folgt

jetzt Kollege Christian Fühner für die CDU-Fraktion. Bitte!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung liegen nun seit einigen Tagen vor. Daraus wird deutlich, dass wir in den nächsten Jahren mit weniger Geld auskommen müssen, als es bisher geplant war. Diese Entwicklung hat sich in den vergangenen Monaten eigentlich abgezeichnet und ist vor allem auf internationale Faktoren zurückzuführen. Handelsstreit zwischen USA und China, das Brexit-Dilemma - das alles hemmt natürlich auch bei uns in Niedersachsen die wirtschaftliche Entwicklung. Aber - auch das gehört zur Wahrheit - das alles ist kein Grund, lieber Christian Grascha, in Panik zu verfallen. Denn wir müssen uns auch klar werden, was dieses Ergebnis der Steuerschätzung uns sagt. Wir reden immer noch über Steuermehreinnahmen, über wachsende Steuereinnahmen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist ja richtig, was die Liberalen sagen: Wir erwarten auch im Jahr 2019 einen Jahresüberschuss. Und die FDP will nun mit einem Nachtragshaushalt diesen Jahresüberschuss oder einen Teil des Jahresüberschusses schon jetzt, bevor die genaue Höhe dieses Überschusses wirklich feststeht, verplanen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das gibt mir die Chance, direkt am Anfang meiner Rede auch das Fazit zu ziehen: Ihr Gesetzesvorschlag könnte maximal aus dem Lehrbuch der Finanzkosmetik kommen und ist zu diesem Zeitpunkt völlig unnötig. Deshalb wird er auch nicht von uns unterstützt.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Fühner, Herr Grascha möchte eine Zwischenfrage stellen!

Herr Grascha, sehr gerne.

Aus technischen Gründen müssen wir ihn nach vorne bitten. Die Saalmikrofone sind unverändert nicht intakt. Wir stellen gleich mindestens zwei Stative auf, aber einstweilen müssen wir uns so behelfen. Das geht in aller Lockerheit. Bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege.

Ich habe auch eine relativ einfache Frage, und zwar frage ich Sie - da Sie unseren Gesetzentwurf als Finanzkosmetik bezeichnen -, warum Ihre Fraktion und meine Fraktion - im Dezember 2012 war es meines Erachtens - genau dieses Instrument gewählt haben, um mit den Steuermehreinnahmen, die damals vorlagen, Nettokreditaufnahmen entsprechend auszubuchen.

Bitte, Herr Fühner!

Herr Kollege, herzlichen Dank.

Wenn ich die Finanzpolitik des Jahres 2012 einigermaßen nachvollziehe, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es nötig war, einen Nachtragshaushalt aufzulegen. Denn da wollten wir eine rotgrüne Finanzpolitik korrigieren. Es war unsere Aufgabe, mit der FDP zusammen rot-grüne Haushaltspolitik zu korrigieren. Das ist in diesem Fall anders, da wir eine solide Finanzpolitik betreiben.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei Helge Limburg [GRÜNE])

Lieber Herr Kollege Grascha, lassen Sie uns doch gemeinsam die Entwicklung der Finanzen bis zum Jahresende beobachten. Wir laden Sie gern dazu ein, erst einmal abzuwarten, wie der Jahresüberschuss denn genau definiert wird. Und im Rahmen des Jahresabschlusses entscheiden wir dann, welche Folgerungen zu ziehen sind.

Wir - die CDU und die SPD - haben unsere Ziele klar formuliert. Natürlich zählt für uns auch weiterhin der Schuldenabbau dazu. Aber gleichzeitig - und das lässt Ihr Gesetzesvorschlag eigentlich vermissen - wollen wir auch unsere Investitionen erhöhen. Wir wollen Investitionen in Klimaschutz und auch in Innovation tätigen.

Wir halten mit unserer Finanzpolitik zwei Grundsätze ein - Herr Lilienthal, um das noch einmal deutlich zu sagen -: Geld, das man nicht hat, gibt man auch nicht aus, und in guten Zeiten wird für schlechte Zeiten vorgesorgt. Das ist das, was wir in den vergangenen zwei Jahren als positive Finanzpolitik in der Bilanz vorweisen können, und auch die Perspektive der mittelfristigen Finanzplanung sagt aus, dass wir eine äußerst glückliche Situation haben und entstandene Spielräume auch im kommenden Jahr effizient nutzen können - mit

Investitionen in Bildung, in Infrastruktur, in Forschung und Innovation. Diese Ausgaben müssen nicht erst dann, wenn sich die Konjunktur etwas abschwächt, sondern vor allem jetzt, in dieser heißen Phase für die Wirtschaftskraft unseres Landes, umgesetzt werden.

Lassen Sie mich noch auf die beiden Vorschläge der FDP eingehen! Die Zuführung von weiteren Mitteln zum Sondervermögen zur Finanzierung unserer Universitätsmedizin ist ja kein neuer und - wie ich finde - auch kein besonders kreativer Vorschlag

(Christian Grascha [FDP]: Da wird halt Geld benötigt!)

und im Grunde eine Kopie der bisherigen Finanzpolitik, die die Landesregierung hier umsetzt. Denn wir haben mit dem Gesetz zu Zukunftsinvestitionen das Sondervermögen ja erst auf über 1 Milliarde Euro angehoben. Natürlich - da stimme ich zu - müssen wir auch die Baukostensteigerungen im Blick behalten. Aber auch dafür ist absolut kein Nachtragshaushalt notwendig.

Und Ihr zweiter Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ist ebenfalls nicht besonders kreativ, wenngleich die Finanzpolitik der Landesregierung im Kern dadurch unterstützt wird. Denn Sie wollen 500 Millionen Euro Schulden tilgen. Ihr jüngster Vorschlag vor gut einem Jahr war 1 Milliarde Euro, gut, das gibt der Spielraum im Moment nicht her, darüber kann man streiten. Ihr Haushaltsvorschlag für 2019 war 250 Millionen Euro, und im Mai 2018 sprachen Sie noch von 600 Millionen Euro Schuldenabbau. Die Grundlage der Forderung ist für mich nicht wirklich erkennbar, man scheint das ein bisschen beliebig zu sagen. Aber sei es drum. Vernachlässigen wir das!

Sie werfen uns vor, dass alles, was wir an Schulden bisher abgebaut haben, noch nicht reicht. Schauen wir einmal in die Landesparlamente, in denen die FDP mit in der Landesregierung sitzt! Rheinland-Pfalz hat 2019 90 Millionen Euro getilgt. In Schleswig-Holstein sollen in diesem Jahr 95 Millionen Euro getilgt werden. Nordrhein

Westfalen, immerhin eine schwarz-gelbe Landesregierung, hat schon 542 Millionen Euro getilgt. Und jetzt schauen wir die Bilanz unseres Landes an: 2018 100 Millionen Euro! In diesem Jahr 686 Millionen Euro plus 100 Millionen Euro Tilgung in der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft! Mindestens 1 Milliarde Euro Schuldentilgung als klar definiertes Ziel dieser Landesregierung und dieses Finanzministers!

Herr Grascha, Sie sprachen von einer Vorbildfunktion. Angesichts dieser Zahlen kann man sagen, dass Niedersachsen beim Schuldenabbau vorweggeht. Der Schuldenberg in Niedersachsen schrumpft. Das ist historisch, das ist nachhaltig, das ist verantwortungsvoll, und - um dem Titel Ihres Gesetzentwurfes gerecht zu werden - das ist generationengerecht.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und leb- hafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Fühner. - Herr Kollege Grascha möchte mit einer Kurzintervention aufwarten. Bitte sehr!

(Unruhe)

- Ich darf um Ruhe bitten!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Fühner, ich habe mich wegen zweier Punkte noch einmal zu Wort gemeldet.

Was die Daten angeht, wann Rot-Grün in diesem Land regiert hat, sind Sie wohl etwas durcheinandergeraten. Rot-Grün hat ja erst nach uns regiert. Scherben von Rot-Grün mussten wir da also gar nicht aufräumen.

(Zurufe von der CDU: Vorbeugend! - Prävention!)

- Ach, Sie sind schon 2012 davon ausgegangen, dass Sie im Januar 2013 die Wahl verlieren? Ich würde sagen, wir vertiefen das nicht weiter. Das könnte noch unangenehm für Sie werden.

Der zweite Punkt ist eigentlich noch viel wichtiger: Sie, Herr Fühner, haben sich hier mit der Bilanz der rot-schwarzen Landesregierung gebrüstet, was den Bereich des Schuldenabbaus angeht, und haben ausgeführt, dass wir Schulden in Höhe von insgesamt 1 Milliarde Euro abgebaut haben.

Dazu haben Sie interessanterweise 100 Millionen Euro bei der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft gezählt. Wenn Sie diese Rechnung aufmachen, Herr Kollege, dann müssen Sie natürlich die 1,5 Milliarde Euro, die wir zur Kapitalstärkung in die NORD/LB geben, abziehen. Wenn wir das machen - was eine faire Rechnung wäre, weil das letztlich vom Steuerzahler zu garantieren und zu

verantworten ist -, dann liegen wir eben bei minus 500 Millionen Euro. Also nichts mit Schuldenabbau!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Grascha. - Herr Fühner möchte nicht replizieren, sodass wir in der Debatte fortfahren können. Für die SPD-Fraktion rufe ich Kollegin Dörte Liebetruth auf. Frau Dr. Liebetruth, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, wenn Sie die von Ihnen, Herr Grascha, angesprochene Tradition fortführen und - wie heute und im vergangenen Jahr - von nun an jedes Jahr im Herbst den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Generationengerechtigkeit vorlegen wollen,

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ma- chen wir so lange, bis es funktioniert!)

dann habe ich einen Vorschlag: Denken Sie doch einmal ganz gründlich über den Begriff „Generationengerechtigkeit“ nach! Bisher machen Sie es sich da ein wenig zu einfach.

Sie meinen in dieser Wahlperiode: Das Land müsste trotz der Niedrigzinszeiten einfach in großen Schritten die auch zu Ihren Regierungszeiten angehäuften Schulden tilgen, und alles würde gut.