Eines ist, glaube ich, sehr gut deutlich geworden: Sie stellen sich eine Feier mit nationalem Pathos zum Gedenken an die Ereignisse von 1989 vor. - Wir brauchen keine Feier mit nationalem Pathos. Wir brauchen ein Fest der Demokratie, -
- das wir in Demut und Dankbarkeit begehen - Dankbarkeit vor allem gegenüber denen, die das möglich gemacht haben. Dazu gehören auch unsere Freunde aus Polen, Tschechien und Ungarn. Sie haben schließlich damals den Eisernen Vorgang eingerissen.
Vielen Dank, Herr Kollege Bratmann. - Nun hat Herr Innenminister Pistorius für die Landesregierung das Wort. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 9. November 1989 hat unser Land verändert. Es wuchs zusammen, was zusammengehört, wie Willy Brandt sagte. Dieser Tag hat unsere Welt verändert.
Die Menschen in der DDR lehnten sich an diesem Tag gegen das SED-Unrechtsregime auf, getrieben von der Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie - und das alles ohne Blutvergießen. Eine friedliche Revolution! Dieser Mut und dieser Wille haben vielen Menschen die Freiheit gebracht, sie aus systematischer Unterdrückung, Überwachung, Willkür und Gewalt befreit. Mit der Mauer fiel auch das Symbol kommunistischer Unterdrückung im 20. Jahrhundert - eine großartige historische Leistung.
Natürlich sind 30 Jahre Mauerfall deshalb ein Grund zu feiern. Die Menschen in Niedersachsen haben aus nächster Nähe zu spüren bekommen, was die lange Trennung von Ost- und Westdeutschland bedeutet hat. Die DDR hatte den längsten innerdeutschen Grenzverlauf zu unserem Bundesland. Diese Grenze riss Familien auseinander, sie zerstörte Biografien und kostete viele Menschenleben. Auf etwa 1 400 Grenzkilometern gab es Schießbefehle, Todesstreifen und Selbstschussanlagen. Insgesamt starben über 300 Menschen an der innerdeutschen Grenze. Viele weitere starben an der Ostblockaußengrenze oder in der Ostsee. Diese Grenze nahm vielen Menschen ihre Freiheit. Mehr als 200 000 politische Gefangene waren über die Jahrzehnte inhaftiert. Bis zu 100 000 Menschen wurden wegen Fluchtversuchen verhaftet und bestraft.
Viele Opfer leiden bis heute unter den Folgen von Haft und Unterdrückung. Es war und ist deshalb wichtig, die politischen Opfer des SED-Regimes zu rehabilitieren und zu unterstützen. Um möglichst viele Betroffene über bestehende Hilfs- und Leistungsangebote zu informieren, organisiert mein Haus z. B. jedes Jahr regionale Beratungstage. Das kann vergangenes Unrecht nicht ungesche
Meine Damen und Herren, das alles wäre ohne den 9. November 1989 undenkbar. Dieser Tag markiert das Ende eines Unterdrückungssystems. Dieser Tag hat Familien wiedervereint, er hat das Töten an der Mauer und der innerdeutschen Grenze beendet, und er hat den Menschen ihre Freiheit wiedergegeben. Über 300 000 DDR-Bürger haben Niedersachsen schon am ersten Wochenende der Grenzöffnung besucht - nicht nur Braunschweig, sondern auch andere Orte. Eine Welle der Solidarität, eine Welle des Glücks - kann man sagen - und der Befreiung im doppelten Sinne ging durch unser Land. An jeder Ecke war die Euphorie greifbar.
Ich war 29 und stand kurz vor meinem zweiten Staatsexamen. Ich gehöre zu denjenigen, die die DDR auch von innen erlebt haben. Ich hatte Verwandte in der DDR, war jedes Jahr über längere Zeit mit meiner Familie bei Angehörigen dort und weiß - wie einige andere hier im Saal wahrscheinlich auch -, was dieses Land mit den Menschen gemacht hat und wie es das Leben jedes Einzelnen bis ins kleinste Dorf hinein beeinflusst hat. Der Tag der Grenzöffnung, an dem ich das alles erlebt habe, war einer der schönsten und glücklichsten Tage in meinem Leben.
Aber wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich im Jahre 2019 als Innenminister am Redepult des Landtags stehen werde und mich mit einer Instrumentalisierung dieses Tages durch eine in Teilen rechtsextreme Partei auseinandersetzen müsste, dann hätte ich das nicht für möglich gehalten, meine Damen und Herren -
eine Partei mit Vertretern in den ostdeutschen Bundesändern, von denen einer sogar als „Faschist“ bezeichnet werden kann,
eine Partei mit Vertretern, die nichts mit dem November 1989 zu tun hatten, die aber heute so tun, als seien sie Freiheitskämpfer der ersten Stunde gewesen. Meine Damen und Herren, das ist einfach perfide und eine billige Instrumentalisierung.
sein, was damals geschafft worden ist. Ich spare mir jetzt eine Aufzählung aller Veranstaltungen, die aus Anlass dieses Feiertages durchgeführt worden sind. Ich hatte mich darauf vorbereitet. Aber erstens haben die Vorredner die Veranstaltungen schon aufgezählt, und zweitens wissen wir nach Ihrer Einlassung, Frau Guth, dass es Ihnen darum gar nicht ging. Es ging Ihnen um das, worum es Ihnen immer geht: Sie haben nichts anderes getan, als wieder etwas zu missbrauchen, was Ihnen vordergründig zu nutzen scheint.
- Ob Sie das von sich weisen oder nicht, ist relativ egal. Es ist offensichtlich wieder das gleiche Schema: Sie spalten überall da, wo Sie eine Möglichkeit dafür sehen, und schrecken nicht einmal davor zurück, das vor dem Hintergrund der früheren und überwundenen Spaltung dieser Nation zu tun.
Wenn Sie dann auch noch „Wir sind das Volk!“ im Munde führen, dann - Entschuldigung, dass ich das so sage - wird mir einfach nur noch schlecht.
Sie brandmarken demokratische Parteien dafür, dass frühere Vertreter der SED in ihnen Mandate ausüben oder tätig sind. Der Unterschied ist: Bei Ihnen sind das ehemalige oder aktuelle Nazis und Faschisten. Diejenigen, die sich anderen Parteien von links angeschlossen haben, haben sich demokratischen Parteien angeschlossen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der AfD - Gegenruf von Anja Piel [GRÜNE]: Da hat er wohl einen wunden Punkt getroffen! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Meine Damen und Herren, natürlich darf nicht verschwiegen werden, dass es im Freudentaumel nach Mauerfall und Wiedervereinigung auch Fehler gegeben hat. Das ist heute sichtbar. Die Wirtschaftskraft im Osten ist heute schwächer als im Westen. Der Abstand zur westdeutschen Wirtschaft beträgt noch immer 30 %.
Die Löhne sind niedriger. Bis zu gleichwertigen Lebensverhältnissen und einer langfristigen finanziellen Perspektive liegt noch einiges an Arbeit vor uns, was die deutsche Einheit angeht. Aber diese Probleme und Versäumnisse dürfen nicht die historische Leistung schmälern, und schon gar nicht dürfen sie bei solchen Anlässen dazu genutzt werden, die Nation aufs Neue zu spalten, nachdem vor 30 Jahren eine Spaltung überwunden wurde, meine Damen und Herren.
Der Mauerfall hat den Menschen ihre Freiheit zurückgegeben - darum geht es. Auch der wirtschaftliche Aufbau dürfte im Übrigen wirtschaftsgeschichtlich weltweit beispiellos sein. Diese Freiheit, meine Damen und Herren - - -
- Ja, ich weiß, Ihnen ist das nicht genug. Sie hätten das alles bestimmt viel besser gemacht. So dunkel kann meine Fantasie gar nicht sein, mir das vorzustellen.
Diese Freiheit, meine Damen und Herren, haben Sie den mutigen Menschen zu verdanken, die im November 1989 die Mauer friedlich zu Fall gebracht haben. Sie haben es denen zu verdanken, die bei Aufständen in der DDR 1953, in Ungarn 1956 und in Prag 1968 zum Teil mit ihrem Leben für ihren Mut bezahlt haben.
Deswegen, meine Damen und Herren, feiern wir diesen Tag, diese Menschen und alles das, was sie erreicht haben. Diese Menschen haben Geschichte geschrieben - eine Geschichte von Mut und Hoffnung, eine Geschichte von Frieden und Freiheit. Das ist für uns alle ein einzigartiges Geschenk. Es ist aber auch eine großartige und immense Verantwortung, diese Geschichte weiterzuschreiben. Ich bin davon überzeugt: Das werden wir tun, und das können wir.
Meine Damen und Herren, diejenigen, die Hass säen, die spalten wollen und die versuchen, diese historische Leistung zu instrumentalisieren, werden am Ende nicht mehr als eine winzige Fußnote in der Geschichte sein.
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die von der AfD beantragte Aktuelle Stunde hiermit schließe.
b) Herausforderungen durch IS-Rückkehrer ernst nehmen - Strafrecht konsequent anwenden - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/5133
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung geht von 14 Männern und Frauen aus, die in türkischer Haft verweilen, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und Bezüge zum IS aufweisen. Dazu kommen 15 Kinder. Die Zahl der in Syrien und im Nordirak inhaftierten Deutschen ist weit höher. Man geht von 95 Personen aus. Gegen 26 Personen liegen Haftbefehle vor. Hinzu kommen noch einmal 250 Kinder. Schließlich ist auch eine Rückkehr all jener noch lebenden und sich weiterhin im Ausland aufhaltenden rund 1 000 Islamisten leider nicht auszuschließen, die nach Angaben der Bundesregierung seit 2013 die Bundesrepublik in Richtung Nahost verlassen haben.
Wir sprechen also heute Morgen über eine Herausforderung für den deutschen Staat, die weit höher ist als in der aktuellen Situation hinsichtlich der Abschiebung Einzelner aus der Türkei, die recht geordnet und für den deutschen Staat auch planbar ist.