Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage vor dem Hintergrund, dass durch den Versand der Beitragsbescheide erhebliche Unruhe entstanden ist: Plant die Landesregierung eine nachträgliche Anschubfinanzierung mit dem Ziel und Zweck, die Beitragsfreiheit bis zur Evaluation herzustellen?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Im Nachhinein und aus heutiger Sicht und Perspektive war es ein Fehler, diese Anschubfinanzierung nicht vorzusehen. Allen Ländern, die sich jetzt auf den Weg begeben, kann man das an dieser Stelle entsprechend als Beispiel nennen. In den Haushalt ist zurzeit aber nichts eingestellt.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Landesregierung: Wie bewerten Sie die unterschiedlichen Angaben zur Kalkulation der Einnahmen des Beitragsjahres 2018 in der Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage in der Drucksache 18/4814? Dort wurden Einnahmen in Höhe von 2,17 Millionen Euro angegeben. Auf der Internetseite der Pflegekammer Niedersachsen werden Einnahmen in Höhe von 3,453 Millionen Euro angegeben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Bothe, für Ihre Anfragen ermitteln wir immer die aktuellen Werte bei der Kammer. Diese teilen wir Ihnen dann auch mit.
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage kommt aus der SPD. Kollegin Immacolata Glosemeyer, bitte sehr! Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie steht der Bund bzw. die Bundesregierung zur Pflegekammer?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe ja gerade schon ausgeführt, dass in vielen Ländern Pflegekammern gebildet werden. Auf der Bundesebene sprechen sich nicht nur zahlreiche Verbände, sondern auch der Deutsche Pflegerat, der Bundesgesundheitsminister und der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, klar für eine Errichtung von Landespflegekammern und darauf aufbauend für eine Bundespflegekammer aus. Auch in den letzten Gesetzgebungsvorhaben - das MDK-Gesetz ist an dieser Stelle zu nennen - hat der Bund den Landespflegekammern einen Sitz in den neuen Verwaltungsräten der Medizinischen Dienste als gleichberechtigte Mitglieder neben den Landesärztekammern gegeben. Also geht der Bund davon aus, dass die Landespflegekammern Bestand haben und sich auch weitere in den Bundesländern bilden werden.
Vielen Dank. - Eine weitere Zusatzfrage kommt von Frau Piel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist insgesamt die letzte aller möglichen Zusatzfragen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass die fehlende Anschubfinanzierung ein Fehler gewesen ist und die Beitragsfreiheit sicherlich Befriedungspotenzial hätte: Wie sieht die Landesregierung die Chance, noch im laufenden Haushaltsverfahren Geld dafür einzustellen, um bei den Pflegekräften auch wieder für ein bisschen Ruhe zu sorgen?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich habe ja gesagt, dass im Nachhinein und aus der heutigen Perspektive sehr klar ist, dass das ein Fehler war. Sie wissen alle viel besser - weil Sie selbst dabei waren -, wie diese Entscheidung seinerzeit zustande gekommen ist. Zum jetzigen Zeitpunkt - das muss man klar sagen - ist das in der Hand des Haushaltsgesetzgebers. Die Haushaltsberatungen laufen ja.
Meine Damen und Herren, die Möglichkeiten zu Zusatzfragen sind ausgeschöpft, sodass wir jetzt in die Aussprache übergehen können. Die Landesregierung - das nur als Zwischeninformation - ist noch knapp im Limit von maximal gewünschten 15 Minuten. Die Redezeit für jede Fraktion beträgt bekanntlich vier Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits die Einführung der Pflegekammer war ja mit - so kann man sagen - massenhaften Protesten gegen sie und insbesondere gegen die Zwangsmitgliedschaft und die Beitragspflicht verbunden.
Frau Ministerin, nach Ihren Ausführungen kann ich feststellen: Wenn ungefähr zwei Drittel der Mitglieder der Pflegekammer gemahnt werden müssen,
dass sie ihre Beiträge zu zahlen haben, und wenn sie auch die Beiträge vom letzten Jahr noch nicht gezahlt haben, dann zeigt das, dass die Akzeptanz der Pflegekammer nach wie vor nicht gegeben ist und dass diese Proteste weiter aufrechterhalten werden.
Dies liegt an vielerlei Dingen. Ich denke, das eine ist sicherlich die Frage nach dem Sinn und Zweck der Kammer, die bei uns bis heute nicht verstanden werden. Sie kennen unsere Position dazu. Wir lehnen die Kammer ab. Das konnte aber auch den Mitgliedern bis heute nicht vermittelt werden. Hinzu kommen zahlreiche Verhaltensweisen seitens der Kammer, die nach meiner Wahrnehmung als rücksichtslos, mindestens aber als unsensibel wahrgenommen werden müssen. Das Ganze führt natürlich dazu, dass eine Akzeptanz nicht zu erwarten ist.
Ich will nur stichwortartig an die Beitragserhebung im vergangenen Jahr zu Weihnachten erinnern, bei der man mit dem Höchstbeitrag eingestiegen ist und in rechtlich komplizierten und dann auch aus meiner Sicht nicht ganz nachvollziehbaren Verfahren gesagt hat: „Ihr könnt das noch mindern!“ Wenn dann diese Selbsteinstufungen kommen, werden sie nicht ordnungsgemäß bearbeitet. Die Kammer ist nicht erreichbar. Es gibt auch zahlreiche Hinweise darauf - wir nehmen sie ernst und glauben den Einwendern und Einsendern -, dass man dort mit den Mitgliedern in einer Art und Weise umgeht, die schlicht unverschämt ist, die zumindest im Einzelfall so wahrgenommen wird. Alles das zeigt, dass diese Kammer nicht dabei ist, in irgendeiner Weise Vertrauen zu gewinnen.
Diese Unprofessionalität und Unsensibilität, die da zu Tage treten, werden sich nach unserer Einschätzung auch nicht ändern. Deshalb ist auch nicht zu erwarten, dass sich an dieser Situation etwas ändert. Ich habe auch in Ihren Äußerungen keinen Akzent gehört, mit dem Sie das aufgreifen und sagen: Wir können das verändern. - Insofern sind wir der Auffassung, dass es jetzt endlich zu einem Schlussstrich und - vielleicht können wir auch sagen - Neuanfang kommen soll, zu dem wir gerne auch politisch die Hand reichen und die Initiative ergreifen wollen.
Sie alle kennen auch die Initiative von ver.di, die unter dem Stichwort „Vereinigung der Pflegenden“ ein anderes Modell aufgreift. Wir sind der Über
zeugung, dass wir in diesem Parlament das Signal senden können, dass das ein Weg ist, den man vielleicht gemeinsam mit all den Punkten, die dort vorgeschlagen sind, gehen kann: dass man sie insbesondere als berufsfachliche Vertretung ausgestaltet, gerne auch als Körperschaft des öffentlichen Rechts, aber mit einer Mitgliedschaft auf freiwilliger Basis und mit einer öffentlichen Finanzierung - was auch von den Grünen immer angemahnt wird -, um die Handlungsfähigkeit sicherzustellen.
Dann müssen wir den Aufgabenkatalog, der von ver.di gemeinsam mit Pflegenden erarbeitet worden ist, tatsächlich mit Leben füllen. Er ist dann etwas anderes als das, was man bisher hatte. Aber er stellt insbesondere den Aspekt der Freiwilligkeit in den Vordergrund. Ein Modell auf dieser Basis wäre sinnvoll. Wir wollen gerne vorschlagen, hier gemeinsam diesen Weg zu gehen. Wir werden uns noch heute auch schriftlich an die Fraktionen wenden und um ihre Unterstützung bitten, um diesen Weg gemeinsam zu gehen.
Denn am Ende müssen wir - ich denke, das ist das Entscheidende - aus dieser sehr verhärteten Diskussion herauskommen, bei der nicht absehbar ist, dass sie sich auflöst. Wir müssen den politischen Blick in Niedersachsen wieder mehr auf die wahren Probleme in der Pflege und weniger auf Organisationsstrukturen richten.
Wir dürfen uns nicht allein auf das katastrophale Verhalten einer Kammer konzentrieren, sondern müssen den Pflegekräften auch wieder die Gelegenheit geben, sich um das zu kümmern, was ihnen wichtig ist, nämlich erstens um ihr Privatleben und zweitens natürlich auch um ihren Beruf.
Insofern sollten wir uns politisch den Raum verschaffen, gemeinsam mit den Pflegenden über die Verbesserung der Situation in der Pflege zu streiten, zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu finden, damit wir hier vorankommen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Jetzt folgt für die SPD innerhalb der Aussprache Kollegin Dr. Thela Wernstedt. Bitte sehr! Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Montagmorgen hatten wir eine Anhörung im Rahmen der Enquetekommission zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens und zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung in Niedersachsen. Die Sitzung der Enquetekommission begann mit der Erinnerung an eine Krankenschwester, die Weltruhm erlangt hat, nämlich Florence Nightingale. Wir haben uns mit der Situation der stationären Pflege in Niedersachsen beschäftigt. Drei Expertinnen und Experten aus verschiedenen Krankenhäusern haben uns sehr fachkundig Auskunft gegeben und alle unabhängig voneinander betont, dass eine Kammer aus ihrer Sicht eine wichtige Vertretung für die Pflege ist.
Wenn man sich einmal die englische und die deutsche Tradition der Krankenpflege ansieht, stößt man auf sehr interessante Entwicklungen und auch auf Unterschiede.
Mit Florence Nightingale hat in England im 19. Jahrhundert ein wichtiger Entwicklungsschub stattgefunden. Sie hat als berühmteste Aktion im Krimkrieg wesentliche Aspekte zur Neuordnung des Sanitätswesens im Militär beigetragen - als Frau, die mit Militär früher nie etwas zu tun hatte. Insgesamt hat sie wichtige Impulse für die Krankenpflege, für die Hygiene, für die Altenpflege und für die Armenfürsorge in England gegeben, und zwar auf einer säkularen Basis.
In Deutschland ist die Krankenpflege hingegen durch die Konfessionen geprägt. Es gab ganz viele Nonnen und auch Priester und Mönche, die sich darum gekümmert haben. Nach der Reformation gab es auch ganz viele Diakonissen, die sich in die Krankenpflege und Armenfürsorge eingebracht haben. Sie haben das damals für Gotteslohn getan.
Warum erwähne ich das alles so ausführlich? - Zu der Zeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es innerhalb der Krankenpflege einen erbitterten Streit darüber, ob diese Art der Arbeit überhaupt bezahlt werden darf, weil Frauen zunehmend diesen Beruf ergriffen haben, um schlichtweg ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen. In dieser Auseinandersetzung herrschte
eine solche Erbittertheit, wie ich sie heute auch in der Auseinandersetzung um eine legitime Vertretung in Form einer Kammer wahrnehme. Herr Kollege Birkner hat das gerade auch angesprochen und gesagt, dass wir wieder zu anderen Formen der Auseinandersetzung um die wichtigen Fragen kommen sollten. Dem kann ich mich nur anschließen.