Protokoll der Sitzung vom 17.12.2019

Die Resozialisierung der Inhaftierten ist uns sehr wichtig. Deshalb stocken wir die Straffälligenhilfe um 400 000 Euro auf und geben für die Konfliktschlichtung Oldenburg und die WAAGE Hannover zusätzlich 300 000 Euro aus. Die Konfliktschlichtung und die WAAGE sind wichtige Anlaufstellen für die Vermittlung zwischen Täter und Opfer.

Auch den Opferschutz stocken wir um 148 000 Euro auf. Das Thema hatten wir im letzten Plenum, als wir Herrn Pfleiderer als neuen Opferschutzbeauftragten begrüßt haben.

Ich danke dem Ministerium für die gute Zusammenarbeit, und ich danke natürlich auch allen im Ausschuss für die gute Zusammenarbeit. Ich denke, wir tun gemeinsam viel.

Ich spreche noch einen Punkt aus dem Bereich Recht an, der mir besonders am Herzen liegt. Er betrifft die drei Stellen für Sozialrichter, die wir zusätzlich schaffen. Ich finde das sehr wichtig. Ich hatte hier viele Gespräche und erlebe es als Rechtsanwältin selbst, wie nötig es ist, dort durch mehr Richter Abhilfe zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Justiz ist und bleibt tragende Säule des demokratischen Rechtsstaates. Jede Investition lohnt sich. Dafür werden wir uns auch künftig einsetzen - mit Sicherheit!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Kollegin Niewerth-Baumann. - Jetzt kommt für die FDP-Fraktion der Beitrag von Dr. Marco Genthe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Rechtsstaat ist die tragende Säule unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft. Ohne den Rechtsstaat funktioniert alles andere nicht mehr. Über viele andere Bereiche der Politik wie z. B. die Wirtschaftspolitik oder die Sozialpolitik müssen wir uns gar keine weiteren Gedanken machen, wenn der Rechtsstaat nicht mehr funktioniert - er ist Grundlage von allem.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Ich dachte eigentlich, an dieser Stelle seien sich alle einig. Insoweit, meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Zitat aus der Koalitionsvereinbarung beginnen. Dort heißt es:

„Die unabhängige Justiz ist Garant für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden in unserem Land. Leistungsfähigkeit und Bürgerfreundlichkeit sind die Bausteine eines modernen Rechtsstaates. SPD und CDU wollen die Voraussetzungen für schnelle, verständliche und nachvollziehbare Verfahren verbessern sowie einen modernen und sicheren Justizvollzug gewährleisten.“

Soweit, meine Damen und Herren, der Koalitionsvertrag.

Stellen wir dieses Zitat doch einmal der Realität gegenüber. Die Kreiszeitung berichtete letzte Woche von einem Verfahren vor dem Landgericht Verden. Angeklagt ist dort ein besonders schwerer Fall von Gewalt gegen Frauen. Das Opfer war eine 18 Jahre alte Schülerin. Laut Anklageschrift wurde sie äußerst brutal und in hohem Maße erniedrigend vergewaltigt. Nach Anklageerhebung dauerte es vier Jahre, bis der Prozess eröffnet wurde. Der Vorsitzende Richter begründete diese Verfahrensverzögerung mit einer - so wörtlich - Flut von Haftsachen. Vier Jahre, meine Damen und Herren!

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Furchtbar!)

So sieht die Realität aus. Das erklären Sie mal den Menschen da draußen! Als Abgeordneter der Regierungsfraktionen von SPD und CDU wäre ich angesichts eines solchen Verfahrensverlaufs beschämt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das grundsätzliche und fundamentale Versprechen der Großen Koalition sehen wir jedenfalls in weite Ferne gerückt. Wie Justizministerin Havliza selbst einräumte, ist der Justizhaushalt ja auch einer der bescheidensten. Und: Wir hätten uns an der Stelle deutlich mehr Engagement gewünscht.

Trotz des anhaltenden Personalmangels an unseren Gerichten war für das Jahr 2020 keine einzige neue Stelle für Staatsanwälte eingeplant. Über die politische Liste werden nun immerhin neun neue Stellen für Staatsanwälte zur Bekämpfung der Clan- und Hasskriminalität geschaffen.

Wir freuen uns insoweit, dass man unserem Antrag „Konsequentes Vorgehen gegen kriminelle Familien-Clans“ gefolgt ist, nachdem sich dieser nun über ein Jahr im Ausschuss befindet und zunächst auf sehr viel Ablehnung gestoßen ist. Mittlerweile hat man sich offenbar unserer Meinung angeschlossen, dass die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften sinnvoll ist, um dem Phänomen „Clan“ Herr zu werden.

Und, Herr Kollege Calderone, das gehört auch zur Wahrheit: Im Rechtsausschuss wurde uns vonseiten des MJ erklärt, dass Schwerpunktstaatsanwaltschaften nicht möglich seien. Erst als die FDP in einer Anhörung mit entsprechenden wissenschaftlichen Unterstützungen nachweisen konnte, dass dies sehr wohl möglich ist, sind Sie jetzt plötzlich umgeschwenkt und sagen: Ja, Schwerpunktstaatsanwaltschaften richten wir ein. - Das ist richtig so. Am Ende kommt es auf das Ergebnis

an. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie das gemacht haben.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Aber - und das ist dann auch gleich das Wasser im Wein - neun Stellen sind natürlich deutlich zu wenig. Allerdings soll es auch bei den Richtern lediglich elf neue Stellen geben, wobei acht Stellen als Ausgleich für die Mehrbelastung durch die Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu den sogenannten Fünf-Punkt- und Sieben-Punkt-Fixierungen dienen. Netto sind es also nur drei.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Diese niedrige Zahl ist für uns angesichts der extremen Arbeitsbelastung, mit welcher unsere Gerichte zu kämpfen haben, keineswegs nachvollziehbar. Verfahrensabläufe wie das in Verden, meine Damen und Herren, lassen sich so jedenfalls nicht verhindern.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Bis 2030 gehen bundesweit etwa 40 % aller Staatsanwälte und Richter in den Ruhestand. Wie mit dieser Haushaltspolitik ein Kollaps vermieden werden soll, ist äußerst fraglich.

SPD und CDU wollten sich angeblich für eine angemessene Ausstattung der Justiz einsetzen. Am Personalbedarfsberechnungssystem sollte festgehalten werden. Ziel sei PEBB§Y 1,0 über das gesamte System. Aber wo, meine Damen und Herren, findet sich diese Zielsetzung in diesem Haushaltsentwurf wieder? Von PEBB§Y 1,0 sind wir meilenweit entfernt. Es herrscht ein Fehlbedarf von 585,94 Vollzeiteinheiten in der Justiz, meine Damen und Herren. Ein Personalaufbau ist hier also ganz dringend geboten.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Wir haben aus diesem Grund in unserem Haushaltsentwurf weitere 28 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte und auch für entsprechende Mitarbeiter. Es ist begrüßenswert, dass dieses Jahr mehr Polizeibeamte eingestellt wurden. Es genügt aber nicht, dass Täter gefasst werden, sie müssen auch vor ein Gericht gestellt und dann gegebenenfalls auch schnell verurteilt werden. Verfahrensverzögerungen wie in Verden sind eine Schande, meine Damen und Herren.

Nach einer Verurteilung muss der Straftäter außerdem zeitnah in eine Justizvollzugsanstalt kommen. Es ist wichtig, dass genügend Haftplätze vorhanden sind und vor allen Dingen genügend Personal. Zwar wurde über die politische Liste nachgebessert, da zunächst überhaupt keine neuen Stellen für Justizvollzugsbedienstete vorgesehen werden. Aber auch hier ist dringend mehr Personal notwendig. Wir haben daher hierfür zehn weitere Stellen in unserem Haushaltsentwurf.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dazu, meine Damen und Herren, einmal ein kurzes Beispiel aus der Praxis. Die Ausführungen zu Ärzten außerhalb der Justizvollzugsanstalten sind mit einem enorm hohen Personal- und übrigens auch Kostenaufwand verbunden und begründen zudem ein Sicherheitsrisiko. Eine Ausfahrt dauert zwei bis vier Stunden pro Gefangenem. Es werden stets mindestens zwei, manchmal sogar drei Vollzugsbeamte als Begleiter eingesetzt. Die fehlen dann in den Anstalten. Sie sind rechnerisch da, aber rein praktisch fehlen sie in den Anstalten. Um hier eine Erleichterung sowohl für das Personal als auch für die Insassen zu erreichen, haben wir einen Entschließungsantrag eingereicht, der die Einführung der Telemedizin in den Justizvollzugsanstalten vorsieht. Wir freuen uns, dass offensichtlich auch diesem Antrag entsprochen wird und zumindest über die politische Liste hierfür 50 000 Euro eingestellt wurden.

Meine Damen und Herren, eine weitere Koalitionsvereinbarung bezog sich auf die Sicherheit an den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Als Ziel wurde genannt, dass tägliche Sicherheitskontrollen an den Gerichten und Staatsanwaltschaften durchgeführt werden sollen. Aber auch dieses Ziel ist in weiter Ferne. Gerade einmal 28 der dafür benötigten neuen Wachtmeister soll es im Jahr 2020 geben. Tägliche Vollkontrollen werden daher auch im nächsten Jahr nicht möglich sein. Wir fordern, dass jährlich zumindest 50 neue Stellen geschaffen werden. Daher setzen wir uns für weitere 22 Stellen in diesem Bereich ein.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir wollen einen starken Rechtsstaat, der Sicherheit schafft und Rechte wahrt. Ein starker Rechtsstaat muss handlungsfähig sein und verlässlich für den Schutz seiner Beamten und Bürger sorgen. Die Leistungsfähigkeit der Justiz darf nicht nur in Sonntagsreden beschworen werden, sondern sie muss sich auch in

der Praxis wiederfinden. Nur so kann die Justiz das Fundament für den Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft tatsächlich legen.

Selbstverständlich liegt die konkrete Rechtsprechung ausschließlich in den Händen der Justiz. Ihre Ausgestaltung mit Personal und Sachmitteln liegt jedoch in den Händen des Finanzministers, der Regierungsfraktionen und der Justizministerin. Mit diesem Haushalt, meine Damen und Herren, werden Sie Ihrer Verantwortung jedenfalls nicht gerecht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Dr. Genthe. - Für die SPDFraktion hat sich der Kollege Ulf Prange zu Wort gemeldet.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Justizhaushalt im Einzelnen eingehe, gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Zunächst möchte ich mich herzlich bedanken bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien, in der Landtagsverwaltung und in den Fraktionen für die Unterstützung bei den Haushaltsberatungen. Ich möchte mich zudem herzlich bedanken bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Justiz, in unseren Gerichten, in den Staatsanwaltschaften, in den Justizvollzugsanstalten und in den justiznahen Bereichen. Vielen Dank für die wichtige Arbeit, die Sie tagtäglich für unser Land leisten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Rechtsstaatsprinzip und Rechtsstaatlichkeit sind tragende Säulen unserer Demokratie. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass eine unabhängige Justiz nicht selbstverständlich ist.

Seit einigen Jahren ist auch in unserer Gesellschaft eine Entwicklung hin zu einem Vertrauensverlust in den Staat und seine Institutionen feststellbar, die auch vor unserer Justiz nicht haltmacht. Dieser Entwicklung müssen wir mit einer klaren Haltung und dadurch begegnen, dass wir eine bürgerfreundliche und leistungsfähige Justiz sicherstellen.

SPD und CDU haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Justiz besser auszustatten. Herr

Dr. Genthe, das ist kein Kurzstreckenlauf, sondern

bedarf kontinuierlicher Anstrengungen. Mit den beiden letzten Haushalten wie auch mit dem jetzt vorliegenden Haushaltsentwurf sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Mit den zusätzlichen Mitteln aus der politischen Liste gehen wir diesen Weg weiter und halten Kurs.