Protokoll der Sitzung vom 25.02.2020

Herr Dr. Genthe, genauso wie Sie stehen auch wir regelmäßig mit unseren Kommunalos im Austausch. Wir haben alle gemeinsam auf Ihren Wunsch hin eine Unterrichtung aus dem Innenministerium zu der Frage bekommen. Diese Unterrichtung hat einwandfrei ergeben, dass es keine Probleme gegeben hat, dass wir hier einen Einzelfall haben und dass die Punkte betroffen sind, die ich hier gerade versucht habe zu referieren.

Und noch mal: Wenn wir verschlanken wollen, eine schlankere Gesetzeslandschaft schaffen wollen, dann kann es nicht angehen, dass wir immer mehr Paragrafen hinzufügen und alles noch weiter aufblähen. Ich denke, es ist in Weyhe eine einvernehmliche und gute Regelung getroffen worden, und dabei soll es bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Andreas Bovenschulte ist übrigens der erste und einzige Bürgermeister aus Niedersachsen, der es in die Bremische Bürgerschaft und auch an die Spitze des Bundeslandes geschafft hat. Ich finde, das ist auch einmal einen herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle aus wert.

(Beifall bei der SPD - Johanne Mod- der [SPD]: Sehr gut!)

Alle Beteiligten haben eine gute und vor allem schnelle und praktikable Lösung gefunden, und ich denke, Herr Dr. Genthe, der Stadt Weyhe ist kein Schaden entstanden. Wir wollen niemanden daran hindern, von hier aus für ein Parlament in einem anderen Bundesland zu kandidieren, und insbesondere auch nicht unsere Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamte. Und ganz wichtig: Die Angelegenheit taugt überhaupt nicht für einen politischen Skandal.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Lynack. - Es folgt jetzt für die CDU-Fraktion Abgeordneter Bernd-Carsten Hiebing. Bitte sehr!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tagesordnungspunkt, das Niedersächsische Beamtengesetz anzufassen, ist auf Initiative der FDPFraktion Gegenstand der Debatte hier. Der Anlass für diese, wie ich finde, inzwischen auch durchaus sachlich geführte Debatte ist ein konkreter Fall aus Bremen, der Mitte des vergangenen Jahres, Herr Dr. Genthe, durchaus für viel Wirbel gesorgt hat. Das wurde durchaus richtig beschrieben.

Andreas Bovenschulte, inzwischen längst Bürgermeister in Bremen, war vor seinem Wechsel in die Hansestadt lange Jahre Bürgermeister der niedersächsischen Nachbargemeinde Weyhe. Nach der Wahl hat er zunächst Mandatsurlaub ohne Bezüge bis zum Ende seiner Amtszeit in Weyhe beantragt. Das ist beamtenrechtlich so durchaus korrekt. Das ist nicht nur legitim, sondern nach § 69 des Niedersächsischen Beamtengesetzes auch so vorgesehen.

Im Detail heißt es hier nämlich, dass einer Beamtin oder einem Beamten, die oder der in die Volksvertretung eines anderen Landes gewählt worden ist und deren oder dessen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis nicht nach Absatz 2 Satz 1 ruhen, zur Ausübung des Mandates auf Antrag die Arbeitszeit entweder zu verkürzen oder Urlaub zu bewilligen ist. Dieser Passus - so die Idee der

FDP - sollte angepasst und in Zukunft nicht mehr auf kommunale Beamte angewandt werden.

Meine Damen und Herren, seien Sie sich darüber im Klaren: Die Frage, ob das in den niedersächsischen kommunalen Spitzenverbänden diskutiert worden ist, will ich ausdrücklich mit einem Ja beantworten. Interessieren wird es die kommunalen Spitzenverbände unisono. Zu der Frage, ob man sie hätte anhören müssen, sage ich Ihnen - ob es Ihnen gefällt oder nicht -: Sie sind der Meinung, man solle es so lassen, wie es jetzt ist; es habe sich weitestgehend bewährt.

(Beifall bei der CDU)

Die genauen Beweggründe für diesen Vorstoß der Freien Demokraten ergeben sich aus den Umständen rund um den Wechsel von Herrn Bovenschulte. In Weyhe war er bis zum Oktober 2021 gewählt. Die Stelle wäre dann noch zweieinhalb Jahre blockiert gewesen. Ich denke, das will niemand. In Weyhe hat man das erkannt und sich dazu entschlossen, mit einer Abwahl auf das drohende Führungsvakuum zu reagieren, auch wenn dafür eigentlich ein irreversibel gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeindevertretung gegeben sein muss. Das war natürlich nicht so. Ich glaube, das weiß jeder hier im Saal.

Die Gemeinde hat sich mit der Abwahl also zu einem nicht ganz rechtskonformen Vorgehen gezwungen gesehen, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Ich würde sagen, das ist eine äußerst unglückliche Situation. Trotzdem hat der Mandatsurlaub seine Berechtigung. Eine Alternative wäre die Doppelausübung des Amtes gewesen. Das würde nicht funktionieren. Eine weitere Alternative wäre die Entlassung gewesen. Diese Variante wäre auch nicht angemessen gewesen; denn Herr Bovenschulte hat in Weyhe durchaus seine Verdienste erworben.

Zum Glück ist die Konstellation des Falles Bovenschulte nahezu einzigartig. In der Regel existieren sogenannte Inkompatibilitätsregelungen, also Regelungen zur Unvereinbarkeit von Amt und Mandat. Das gilt für Niedersachen, für andere Bundesländer, gerade für Bremen, aber nicht. Deshalb sollten wir in Niedersachsen nicht glauben, etwas ändern zu müssen. Es bleibt, Gott sei Dank, richtigerweise so, wie es jetzt ist.

Wir haben in Niedersachsen keinen Regelungsbedarf. Den hat das Land Bremen. Dabei sollte man es dann auch belassen. Ich glaube schon, dass wir in Niedersachsen gute Regelungen für diese

kommunal wichtigen Fragen haben. Wenn das Regelungsrecht aufseiten der Bremer liegt, kann man vielleicht mit einem freundlichen Hinweis an den Bremer Senat darauf hinwirken, dass das Land Bremen solche Voraussetzungen in der Zukunft schaffen könnte. Vor allem wenn man gute Kräfte aus Niedersachsen haben will, ist es gut, wenn es dafür gute Regelungen gibt.

In diesem Sinne werden wir den Antrag der FDP ablehnen. Ich glaube, dafür gibt es gute Gründe. Vielleicht haben Sie auch Verständnis dafür.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hiebing. - Es folgt jetzt die Abgeordnete Susanne Menge, Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Menge. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Lynack hat ausführlich zu den rechtlichen Rahmenbedingungen ausgeführt. Das MI hat im Innenausschuss zum Wechsel des Regierenden Bürgermeisters von Bremen die rechtliche Einschätzung nach dem Niedersächsischen Beamtengesetz dezidiert dargelegt.

Was hat der Rat in Weyhe gemacht? - Er hat im gesetzlichen Rahmen die Einleitung des Abwahlverfahrens beantragt, mit Rücksicht auf das öffentliche Wohl den Bürgermeister abgewählt, drei Monate später einen neuen gewählt. Der Abwahlantrag - das ist wichtig - musste nicht begründet werden. Bei einer Abstimmung darüber muss es auch keine Aussprache geben. - So weit dazu.

Das MI hat im Ausschuss betont, dass die Wahl nach § 82 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes weder rechtsmissbräuchlich

noch rechtswidrig war und auch aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

(Johanne Modder [SPD]: Dann ist doch alles klar!)

Damit - Sie hören es - weiche ich etwas von dem Standpunkt meines Kollegen Herrn Meyer ab, der hier noch auf Enthaltung plädiert hat. Nach der Ausschusssitzung plädiere ich dafür, diesen Antrag abzulehnen.

Denn was wäre passiert, würden wir die Konsequenzen aus Ihrem Vorgehen ziehen, werter Herr Genthe? - Ich erzähle Ihnen eine Geschichte, die dazu passt, und betone, sie ist rein fiktiv und ausgedacht.

Es war einmal ein Regierender Bürgermeister in Bremen, der gleichzeitig Bürgermeister in Weyhe war. Er erleidet einen ersten Zusammenbruch und muss ins Krankenhaus. In der Reha empfiehlt man ihm psychologische Gesprächstermine. Herr

Bovenschulte möchte es, so sagt er es dem Psychologen, allen recht machen, sowohl den Bremerinnen und Bremern als auch den Menschen in Weyhe; er sei ja nun einmal Bürgermeister in Weyhe und Regierender Bürgermeister in Bremen.

Warum er denn nicht in Bremen Teilzeit arbeiten oder unbezahlten Urlaub nehmen könne, fragt der Psychologe. Herr Bovenschulte erklärt dem

Psychologen die Grundsätze der Kommunalverfassung Niedersachsens, die auf Drängen der FDP geändert worden sei.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Er taucht ein in die Aufgabenfülle der Hansestadt: die komplizierten Verfahren zur Weservertiefung, der Verlust großer Investoren aufgrund des drohenden Abstiegs von Werder Bremen und die aufwendige Sanierung der Bremer Stadtmusikanten.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der FDP)

Auf den JadeWeserPort möchte er jetzt nicht auch noch eingehen, er könne einfach nicht mehr.

Und in Weyhe? - Dort sind die Menschen inzwischen sehr sauer auf den ehemals beliebten Bürgermeister. Er hetze nur noch von Termin zu Termin, wirke blass und fahrig und sei in den Ratssitzungen ziemlich angespannt. „So geht es nicht weiter“, rufen sie. „Wir wählen ihn ab.“

Wenn diese Geschichte wahr wäre, wäre sie ein tolles Beispiel dafür, wie Politikverdrossenheit entsteht und wie man gute Verhältnisse zum Nachteil einer intakten Gemeinde- oder Stadtgesellschaft stört. Liebe FDP, das können Sie nicht wollen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Menge. - Jetzt ist noch die AfD dran. Kollege Jens Ahrends, bitte sehr! - Ich darf um Ruhe bitten, meine Damen und Herren. - Herr Ahrends, bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute geht es erneut um die Frage, ob kommunale Wahlbeamte weiterhin die Rechte aus § 69 Abs. 3 des Niedersächsischen Beamtengesetzes beanspruchen können sollen, also ob ihnen auf Antrag Arbeitszeit zu ermäßigen oder sogar unbezahlter Urlaub zu bewilligen ist. Die AfD sieht das an dieser Stelle kritisch und wird daher dem Antrag der FDP folgen.

Auch nach der Unterrichtung durch die Landesregierung im Innenausschuss sehen wir die Gefahr, dass sich Vorgänge wie der in Weyhe wiederholen könnten und sich somit Politikverdrossenheit unter den niedersächsischen Bürgern ausbreiten könnte. Es ist nicht vermittelbar, dass sich ein beliebter Bürgermeister einem Abwahlverfahren stellt und ihm das Vertrauen scheinbar entzogen wird, nur um ihm private Vorteile zu verschaffen. Wer sich zur Wahl stellt und ein Amt annimmt, sollte dies grundsätzlich für die Dauer der vorgesehenen Zeit bekleiden. Entscheidet er sich aus privaten Gründen dagegen, dann steht es ihm frei, von diesem Amt zurückzutreten.

Das Argument, es handele sich hier bislang um einen Einzelfall, der keiner Gesetzesänderung bedürfe, überzeugt uns nicht. Wenn offenbar wird, dass es die Gesetzeslage ermöglicht, derart Druck auf ein politisches Gremium auszuüben, dass es entgegen der eigentlichen Überzeugung abstimmt, dann besteht Handlungsbedarf. Die Hände in den Schoß zu legen in der Hoffnung, dass sich das schon nicht wiederholen werde, ist dem Bürger nicht vermittelbar.

Abschließend möchte ich unser Unverständnis darüber ausdrücken, dass nicht einmal die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände eingeholt wurde, obwohl diese sicherlich ein besonderes Interesse an dem Vorgang haben und zur Diskussion hätten beitragen können und wohl auch wollen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön, Herr Kollege Ahrends. - Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Innenminister Boris Pistorius. Herr Minister, bitte sehr!