Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 5. Februar 2020 war ein schwarzer Tag für die Demokratinnen und Demokraten in diesem Land. Am 5. Februar hat eine demokratische Partei, die FDP in Thüringen, es zugelassen, dass eine Fraktion, deren Vorsitzender nach einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden darf, bestimmt, wer in einem Bundesland Ministerpräsident wird. Sie hat sich von diesen Kräften abhängig gemacht und damit den Konsens der Demokratie der letzten 70 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufgekündigt, niemals wieder mit Feinden unserer Demokratie zusammenzuarbeiten.
Herr Minister Pistorius, Herr Abgeordneter Emden bittet darum, eine Zwischenfrage stellen zu können.
Alle, die daran beteiligt waren, haben in ihrem Handeln jede Form von Haltung oder Kompromiss vermissen lassen.
Demokratie und Parlamentarismus leben von Inhalten. Demokratie und Parlamentarismus leben von Formen. Demokratie und Parlamentarismus leben aber auch von einer Haltung, die von innen kommen muss.
Wenn man diese Haltung gehabt hätte, dann wäre der erste Reflex innerhalb von Sekunden gewesen, zu erklären: Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl nicht an.
Umso wichtiger, meine Damen und Herren, ist aber: Menschen in ganz Deutschland sind anschließend dagegen aufgestanden. Sie haben protestiert. Sie haben klargemacht: Hier wurde eine Grenze überschritten.
Dagegen zu demonstrieren, ist eben nicht undemokratisch. Es ist auch nicht ein Zeichen irgendeiner Art von Demokratiedefizit. Ganz im Gegenteil, das ist ein zutiefst demokratischer und begrüßenswerter Vorgang.
Das gilt allerdings ausdrücklich nicht für die Beleidigungen, Bedrohungen und sogar Angriffe insbesondere auf Parlamentarier nach den Ereignissen von Erfurt. Ich habe deshalb, direkt nachdem diese Vorfälle bekannt geworden sind, sehr deutlich gemacht, dass für jede Demokratin und jeden Demokraten selbstverständlich sein muss: Politischer Streit darf niemals - egal aus welchen Beweggründen heraus - mit Gewalt oder Drohung geführt werden.
(Beifall bei der SPD und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN - Dana Guth [AfD]: Oh!)
Meine Damen und Herren, aber alles andere, was wir gesehen haben - die Proteste, der offene Widerspruch auch aus den Reihen der Politik heraus -, ist gelebte Demokratie.
Meine Damen und Herren von der AfD, hier ein Demokratiedefizit zu unterstellen, zeigt lediglich einmal mehr, welche Rolle für Sie die Demokratie in unserem Land spielt,
Frau Guth, bei Ihrer Rede fragt man sich unwillkürlich: War Herr Höcke Ghostwriter dieser Rede, als Vorbote der Übernahme durch den „Flügel“?
Anders ist ja das Herunterrattern von despektierlichen Formulierungen Ihrerseits überhaupt nicht zu verstehen.
Schon die Anwendung der Begriffs „Staatsratsvorsitzende“ für die Bundeskanzlerin verortet Sie noch weiter rechts in Ihrem Spektrum - wenn das überhaupt noch geht.
Meine Damen und Herren, wenn in diesem Land eine Partei ein problematisches Verhältnis zur Demokratie hat, dann ist das nicht die SPD,
Es sind die Vertreterinnen und Vertreter der AfD, die immer wieder die Fundamente unseres freiheitlichen demokratischen Systems, unserer Grundordnung infrage stellen. Es ist ihr Fraktionsvorsitzender in Thüringen, für den das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“ ist,
der „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordert. Es ist ihr Fraktionsvorsitzender im Bund, der die Kanzlerin „jagen“ will. Es ist die Jugendorganisation Ihrer Partei, die vom Verfassungsschutz in Niedersachsen zum Beobachtungsobjekt bestimmt wurde
(Zurufe von der AfD - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Seien Sie jetzt mal ruhig, und hören Sie sich das an!)
Herr Minister, ich darf Sie noch einmal kurz unterbrechen. Herr Emden bittet wiederholt darum, eine Frage stellen zu können.
Meine Damen und Herren, es ist ein AfD-Landtagsvizepräsident - wir haben es gehört -, der in Brandenburg nach dem Anschlag von Hanau eine Debatte über Rechtsterrorismus verhinderte. Ja, wo leben wir denn, meine Damen und Herren?
Und es sind die Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Partei, die jeden Tag aufs Neue versuchen, diese Gesellschaft zu spalten.
Das zeigen Sie auch mit dieser Aktuellen Stunde wieder sehr, sehr eindrucksvoll. Sie versuchen weiter, Öl in das Feuer zu gießen, das Vertreter Ihrer Partei in Thüringen selbst gelegt haben.