Protokoll der Sitzung vom 26.02.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 5. Februar 2020 war ein schwarzer Tag für die Demokratinnen und Demokraten in diesem Land. Am 5. Februar hat eine demokratische Partei, die FDP in Thüringen, es zugelassen, dass eine Fraktion, deren Vorsitzender nach einem Gerichtsurteil als Faschist bezeichnet werden darf, bestimmt, wer in einem Bundesland Ministerpräsident wird. Sie hat sich von diesen Kräften abhängig gemacht und damit den Konsens der Demokratie der letzten 70 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufgekündigt, niemals wieder mit Feinden unserer Demokratie zusammenzuarbeiten.

Herr Minister Pistorius, Herr Abgeordneter Emden bittet darum, eine Zwischenfrage stellen zu können.

Ich habe ja noch nicht einmal angefangen!

Dann fahren Sie fort!

Alle, die daran beteiligt waren, haben in ihrem Handeln jede Form von Haltung oder Kompromiss vermissen lassen.

(Zuruf von Klaus Wichmann [AfD])

Das war geschichtsvergessen, meine Damen und Herren, und das war auch gefährlich.

Demokratie und Parlamentarismus leben von Inhalten. Demokratie und Parlamentarismus leben von Formen. Demokratie und Parlamentarismus leben aber auch von einer Haltung, die von innen kommen muss.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Wenn man diese Haltung gehabt hätte, dann wäre der erste Reflex innerhalb von Sekunden gewesen, zu erklären: Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl nicht an.

Umso wichtiger, meine Damen und Herren, ist aber: Menschen in ganz Deutschland sind anschließend dagegen aufgestanden. Sie haben protestiert. Sie haben klargemacht: Hier wurde eine Grenze überschritten.

Dagegen zu demonstrieren, ist eben nicht undemokratisch. Es ist auch nicht ein Zeichen irgendeiner Art von Demokratiedefizit. Ganz im Gegenteil, das ist ein zutiefst demokratischer und begrüßenswerter Vorgang.

Das gilt allerdings ausdrücklich nicht für die Beleidigungen, Bedrohungen und sogar Angriffe insbesondere auf Parlamentarier nach den Ereignissen von Erfurt. Ich habe deshalb, direkt nachdem diese Vorfälle bekannt geworden sind, sehr deutlich gemacht, dass für jede Demokratin und jeden Demokraten selbstverständlich sein muss: Politischer Streit darf niemals - egal aus welchen Beweggründen heraus - mit Gewalt oder Drohung geführt werden.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN - Dana Guth [AfD]: Oh!)

Meine Damen und Herren, aber alles andere, was wir gesehen haben - die Proteste, der offene Widerspruch auch aus den Reihen der Politik heraus -, ist gelebte Demokratie.

Meine Damen und Herren von der AfD, hier ein Demokratiedefizit zu unterstellen, zeigt lediglich einmal mehr, welche Rolle für Sie die Demokratie in unserem Land spielt,

(Dana Guth [AfD]: Ja, freie Wahlen, genau!)

welche Rolle der Parlamentarismus für Sie spielt,

(Zuruf von Klaus Wichmann [AfD])

wie Sie Ihre Rolle in diesem demokratischen System sehen.

Frau Guth, bei Ihrer Rede fragt man sich unwillkürlich: War Herr Höcke Ghostwriter dieser Rede, als Vorbote der Übernahme durch den „Flügel“?

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Anders ist ja das Herunterrattern von despektierlichen Formulierungen Ihrerseits überhaupt nicht zu verstehen.

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

Schon die Anwendung der Begriffs „Staatsratsvorsitzende“ für die Bundeskanzlerin verortet Sie noch weiter rechts in Ihrem Spektrum - wenn das überhaupt noch geht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn in diesem Land eine Partei ein problematisches Verhältnis zur Demokratie hat, dann ist das nicht die SPD,

(Lachen bei der AfD)

dann sind das nicht die Grünen,

(Lachen bei der AfD)

dann ist das nicht die CDU und nicht die FDP - und auch nicht die Linkspartei der Gegenwart.

(Lachen bei der AfD - Zurufe von der AfD: Oh!)

- Ihr Gejohle von rechts außen gibt mir recht. Vielen Dank für den Beifall.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der FDP)

Es sind die Vertreterinnen und Vertreter der AfD, die immer wieder die Fundamente unseres freiheitlichen demokratischen Systems, unserer Grundordnung infrage stellen. Es ist ihr Fraktionsvorsitzender in Thüringen, für den das Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande“ ist,

(Klaus Wichmann [AfD]: Diesen Be- griff hat Rudolf Augstein geprägt!)

der „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordert. Es ist ihr Fraktionsvorsitzender im Bund, der die Kanzlerin „jagen“ will. Es ist die Jugendorganisation Ihrer Partei, die vom Verfassungsschutz in Niedersachsen zum Beobachtungsobjekt bestimmt wurde

(Dana Guth [AfD]: „Krebsgeschwür“, „Gesindel“ und „Abschaum“!)

und auf Bundesebene zum Verdachtsfall erhoben wurde.

(Zurufe von der AfD - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Seien Sie jetzt mal ruhig, und hören Sie sich das an!)

Herr Minister, ich darf Sie noch einmal kurz unterbrechen. Herr Emden bittet wiederholt darum, eine Frage stellen zu können.

Nein.

Damit wird das abgelehnt.

Auf Bundesebene gilt das auch für den „Flügel“ Ihrer Partei.

Meine Damen und Herren, es ist ein AfD-Landtagsvizepräsident - wir haben es gehört -, der in Brandenburg nach dem Anschlag von Hanau eine Debatte über Rechtsterrorismus verhinderte. Ja, wo leben wir denn, meine Damen und Herren?

(Zuruf von Dana Guth [AfD])

Und es sind die Vertreterinnen und Vertreter Ihrer Partei, die jeden Tag aufs Neue versuchen, diese Gesellschaft zu spalten.

Nein, meine Damen und Herren, es sind nicht die anderen, die ein Demokratiedefizit haben.

(Wiard Siebels [SPD]: So ist es!)

Das zeigen Sie auch mit dieser Aktuellen Stunde wieder sehr, sehr eindrucksvoll. Sie versuchen weiter, Öl in das Feuer zu gießen, das Vertreter Ihrer Partei in Thüringen selbst gelegt haben.