Protokoll der Sitzung vom 27.02.2020

Mit dem Abstand von 1 000 m haben einige von Ihnen sicherlich ein Problem; denn in Niedersachsen allein sind über 1 500 Windkraftanlagen mit einem Abstand unter 400 m zur Wohnbebauung aufgebaut, das ist der bisherige Status.

Wir haben also hier ein Abstandsproblem, und wenn ein solcher Mindestabstand hier so häufig unterschritten wurde und Sie der Meinung sind, dass das nicht so schlimm sei, frage ich Sie, warum es inzwischen über 1 000 Bürgerinitiativen gibt, die sich gegen solche Windkraftanlagen wenden.

(Zuruf von Imke Byl [GRÜNE])

Mit der Akzeptanz kann es nicht so weit her sein. Von da höre ich schon einen leisen Protest.

(Zuruf von Imke Byl [GRÜNE])

Ich greife dann die andere Idee unseres Antrages auf, keine Windkraftanlage in den Wald zu stellen,

(Beifall bei der AfD)

nichts davon in Wald und Forst aufzustellen. Das ist Umwelt- und Naturschutz, eigentlich Ihre Domäne, auch im übertragenen Sinne. Sie sprechen ja selber nicht mehr davon.

Es geht tatsächlich darum, mit solchen Anlagen in die Wälder zu gehen. Hierbei geht es nicht um Kleinzeug, wie man glauben sollte, es geht nicht um einzelne verträumte Masten, die aufgestellt werden sollten, sondern da werden Hausnummern genannt, gerade aus Ihren Reihen. Das meine ich tatsächlich wörtlich, gerade aus den Reihen der hiesigen CDU werden Zahlen genannt, wonach 10 % der niedersächsischen Waldfläche zur Aufstellung von Windkrafträdern geeignet sein werden.

Was heißt das? - Das sind dann 120 000 ha, 10 % von unseren 1,2 Millionen ha, wobei Niedersachsen nicht gerade mit überdurchschnittlich viel Wald gesegnet ist, sondern anteilig eher wenig hat. Diese 120 000 ha wollen Sie jetzt für Windkraftanlagen mit ins Spiel bringen.

Wir alle erinnern uns noch ganz gut an die Dramen, die wir hier wegen der Sturm- und Dürreschäden in Nationalpark Harz erlebt haben. Da ging es nur um 12 000 ha, um einfach mal die Dimension zu haben. Es kam auch schon der Vorschlag, auf sturmgeschädigten Flächen Windkrafträder aufzubauen. Ich hoffe, Sie meinten nicht den Nationalpark, Herr Bäumer. Das kann ich mir zwar vorstellen, aber möglich ist ja alles.

Was kommt noch dazu? - Es ist gar nicht so unrealistisch, von solch riesigen Flächen und Flächenverbräuchen zu sprechen. Sie brauchen Schwerlastwege, die verdichtet werden müssen, um mit den Transportern und eventuell später auch mit den Feuerwehren heranfahren zu können. Sie brauchen die eigentlichen Stellflächen, und Sie brauchen das Volumen von mehreren Tausend Tonnen Stahlbeton, der dort für die Fundamente verbaut wird, ganz abgesehen vom Brandschutz, der in Ihren Ideen nicht vorkommt.

1 000 m Abstand und dann trotzdem in den Wald bauen - ich denke, mit Ihrer Idee, die Sie als Papier verteilt haben, geben Sie den Bürgern die Wahl zwischen Pest und Cholera. Für den Wald sind viele Deutsche. Er soll nicht angetastet werden. Wir sehen das genauso.

Die 1 000-m-Abstandsregelung ist inzwischen abgeräumt, dann bleibt noch die Frage, ob sich die Leute das vor die Nase setzen lassen wollen.

Nicht mit uns! Sie haben heute die Möglichkeit, sich klar zu entscheiden. Wie gesagt, es sind Ihre Impulse, die da besprochen werden. Wir haben eben diesen Antrag, mit Windkraftanlagen aus dem Wald und aus den Forsten herauszubleiben, eingebracht. Das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, einen Abstand von 1 000 m zur Wohnbebauung zu halten, ist zu beschließen, und Sie können das bei diesem Antrag mittragen und mitentscheiden.

(Imke Byl [GRÜNE]: Wie wäre es mit 1 000 m zum nächsten AfD-Stand!)

- Dann kaufe ich morgen jede Menge AfD-Stände, das kriegen wir auch noch hin.

(Beifall bei der AfD)

Wir haben ein bisschen in der Portokasse. Sie wissen ja, manchmal ist das mit dem Geld eine Glücksache. Das können wir einrichten, wenn Sie den Vorschlag machen.

Aber warum sind denn 400 m zu wenig? - Ich kann es Ihnen sagen. Wir haben eine Anfrage gestellt und von der Landesregierung eine Antwort bekommen. Im Brand- oder Katastrophenfall, wenn Bruch oder Brand an einer Windkraftanlage eingetreten sind, sind Glasfasern und noch mehr die Carbonfasern eine Gefahr. Dann muss um die Schadensstelle eine Fläche mit einem Radius von 500 m unzugänglich gemacht werden. Für den Fall, dass dort ein Haus steht, frage ich Sie: Ab wann können die Leute es wieder betreten? Wann ist dekontaminiert? Wer sorgt dafür? Wer bezahlt das? - Allein deswegen sind die 400 m unzureichend. Sie sollten das wesentlich höher ansetzen.

Gerade Sie von der CDU äußern Ideen: Entweder im Wald oder einfach näher an die Häuser heran. - Und man hört es ja auch gerne von der Landesregierung und vonseiten der SPD: Das machen wir dann nach Bedarf, Intelligenz und Wellenschlag.

„Wellenschlag“ ist ein gutes Stichwort, denn auch die TA Lärm, die als Genehmigungsgrund immer bemüht wird, arbeitet inzwischen mit einer veralteten DIN-Norm, der DIN 45680. Diese ist von 1997. In der Neubearbeitung geht es eindeutig auch schon um tieffrequente Effekte, um Störungen durch tieffrequente Ereignisse, Infraschall wird gern genannt. Auch das ist aber in der bisherigen TA Lärm noch nicht oder nicht mehr aktuell berücksichtigt. Das müsste überarbeitet werden. Wir stellen deshalb diesen Antrag.

Zwei planlose Ausstiege aus Energieversorgungssystemen, und Sie haben keine tragfähige Alternative. Wenn Sie tatsächlich Klimaziele erreichen wollen - was keine Wirkung haben wird -, dann erreichen Sie sie so nicht. Und selbst wenn Sie sie erreichen, macht es leider international keinen Effekt.

Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu! Wir freuen uns darauf.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Volker Senftleben zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Senftleben!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der heute hier vorgelegte Antrag thematisiert einzelne Herausforderungen im

Rahmen der Energiewende. Leider suggeriert der Antrag, dass die Energiewende zulasten der Gesundheit der Menschen geht und eine Gefahr für den Wald darstellt. Hinsichtlich der Belegbarkeit dieser Thesen ist allerdings Fehlanzeige festzustellen, und auch die jüngsten Meldungen aus Berlin haben den Antrag in weiten Teilen überholt.

Die SPD-Fraktion steht uneingeschränkt zur Energiewende. Die Energiewende bedeutet, dass wir unseren Energiehunger nachhaltig und im Einklang mit unserer Umwelt befriedigen müssen. Für die SPD-Fraktion ist dabei unstrittig, dass damit keine schädlichen Beeinträchtigungen für die Bevölkerung einhergehen.

Nachhaltigkeit können wir aber nur dann erreichen, wenn wir die Windenergie als wesentlichen Bestandteil der Energiewende akzeptieren und auch realisieren. Die Windkraft bedeutet CO2-freie Energiegewinnung und kann zudem Ausgangspunkt für eine ökologisch sinnvolle Energiespeicherung und Transformation sein. Damit ist Windkraft für Niedersachsen mehr als nur eine Energiequelle. Windkraft stellt in vielfältiger Weise einen Garant für nachhaltigen Wohlstand und gute Arbeitsplätze in Niedersachsen dar.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Windenergie kann für Niedersachsen die Marktführerschaft in eben dieser Branche bedeuten und zudem Ausgangsplattform und Rückgrat für eine zügig zu entwickelnde Wasserstoffinfrastruktur sein. Genau aus diesem Grund sprechen wir uns deutlich gegen eine pauschale Abstandsregelung für Windenergie in Niedersachsen aus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Der Abstand muss sich an konkreten Beeinträchtigungen für die betroffenen Bereiche orientieren. Nur durch individuelle Anpassung an die tatsächlichen Betroffenheiten - wie beispielsweise Lärm oder eine mögliche optisch bedrängende Wirkung - wird der erforderliche Zubau von Windenergie realisierbar sein. Dabei ist klar, dass die Windenergie für Niedersachsen der wesentliche Block sein wird, um das Bundesziel der 65 % erneuerbaren Energie bis 2030 erreichen zu können.

Hinsichtlich der seitens der Antragsteller skizzierten großflächigen Rodungen von Wäldern in Niedersachsen will ich ganz deutlich sagen: Das ist völlig realitätsfern. Ich will aber auch deutlich sa

gen, dass ein grundsätzliches Tabu von Windenergie im Wald nicht zwingend ist. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen dabei logischerweise nicht über naturnahe, ökologisch wertvolle Wälder. Wir sprechen auch nicht über Wälder mit komplett fehlender und ungeeigneter Wegestruktur.

(Martin Bäumer [CDU]: Sehr richtig!)

Wir sprechen dabei über riesige Flächen, wie sie beispielsweise durch flächigen Windbruch oder Schädlingsbefall in den letzten Jahren in bisher unvorstellbaren Dimensionen angefallen sind. Und es spricht auch aus Expertensicht nichts dagegen, diese Flächen während des langsamen Prozesses der Aufforstung und des Aufwuchses eines neuen ökologisch wertvollen Waldes temporär für Windenergiegewinnung zu nutzen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ganz im Gegenteil: Warum sollen wir bei der Wiederherstellung von wertvollen Lebensräumen in unserer heimischen Naturlandschaft nicht die finanziellen Vorteile der Windenergie konkret nutzen und die Naturlandschaft profitieren lassen? Ich denke, dass wir in Niedersachsen gerade an einer Schlüsselstelle, ja, sogar an einer ganz besonderen Wegmarke, angelangt sind. Genau jetzt können wir nämlich die Weichen für eine nachhaltige Energiegewinnung stellen. Damit können wir den Menschen in Niedersachsen gute Arbeit und Wohlstand sichern und gleichzeitig an den Herausforderungen durch die Klimafolgenanpassung der heimischen Lebensräume für Flora und Fauna arbeiten.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Senftleben.

Ich möchte zusammen mit meiner Kollegin Schriftführerin und meinem Kollegen Schriftführer daran erinnern, die Zweiergespräche und das Herumlaufen im Plenarsaal einzustellen. Das ist in der Debatte sehr störend.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Abgeordnete Imke Byl. Bitte schön, Frau Byl!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der AfD-Fraktion gelesen habe, habe ich - ehrlich gesagt - gelacht. Ich finde es auch weiterhin eigentlich witzig - wenn es nicht ein bisschen traurig wäre -, dass sich die AfD hier für die 1 000-m-Abstandsregelung einsetzt.

Wenn es nach der AfD gehen würde, dann könnten an der Zahl sicherlich noch ein paar Nullen mehr hängen; denn für Sie als AfD-Fraktion ist doch jede einzelne Windenergieanlage, die in unserem Land steht, das Hassobjekt Nummer eins. Sie machen fleißig Stimmung gegen die Windenergie, aber dabei schauen wir nicht tatenlos zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Nächste, woran ich nicht gedacht hätte: Ich stehe hier und muss sagen, dass die AfD recht hat.

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Hey! Was?)

Eine pauschale 1 000-m-Abstandsregelung für ganz Niedersachsen wäre tatsächlich ein riesengroßes Problem für die Windenergie, die sowieso schon in einer Riesennotlage steckt. 1 000 m pauschal über die ganze Landesfläche oder - wie einige wollen - sogar für ganz Deutschland - das würde den Großteil unserer Potenzialflächen - auch in Niedersachsen - nicht mehr nutzbar machen, und das in einer Zeit, in der der Windenergieausbau doch schon praktisch zum Erliegen gekommen ist, in einer Zeit, in der wir einen Nettorückbau für die nächsten Jahre erwarten müssen, falls wir nicht endlich Regelungen für Repowering und auch für den Umgang mit den Altanlagen, die jetzt aus der Förderung fallen, finden.