Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Deshalb müssen wir wieder dahin kommen, dass die Produktivität, die Steuerkraft, die Wirtschaftskraft wieder nach vorne kommen. Natürlich müssen wir aus dem Shutdown herauskommen, aber mit Verantwortung. Verantwortungsvolle Öffnungen, da, wo sie nach Infektionsgeschehen möglich sind, regional differenziert, und alle Beschränkungen und Grundrechtseingriffe immer nach Maßgabe des konkreten Infektionsschutzes und vor dem Hintergrund des Infektionsrisikos und nicht so pauschal, wie wir sie heute auch noch in Niedersachsen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Dann müssen wir noch die Frage stellen, wer das Ganze bezahlen soll. Was von den ganzen Lasten zahlt die Allgemeinheit insgesamt, was soll der Einzelne tragen? - Aus unserer Sicht gibt es da eine klare Priorisierung. Zunächst müssen wir diejenigen entschädigen, die wir konkret in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit behindert haben, wo wir Verbote ausgesprochen haben, die dazu führten, dass sie gar keine Chance hatten, etwas zu erwirtschaften. Für diesen Fall brauchen wir eine vernünftige Entschädigungsregelung.

Dann benötigen wir branchenspezifische Hilfen für die jeweiligen Problembereiche wie Tourismus - TUI meldet heute, dass jede zehnte Stelle abge

baut werden muss -, für den Gastronomiebereich, für den Veranstaltungssektor, zu dem ganz viele Soloselbstständige gehören, für Schaustellerbetriebe, für den öffentlichen Personennahverkehr,

(Glocke der Präsidentin)

für Werften, für die Luftfahrt, um jetzt nur einige ganz große Highlights zu nennen, bei denen wir große Probleme haben. Hier brauchen wir branchenspezifische Hilfestellungen, die maßgeschneidert sein müssen.

Drittens werden Impulse für konjunkturelle Stimulationen benötigt, damit die Nachfrage wieder steigt; denn wer Existenzängste hat, kauft sich nicht nur kein Auto, sondern er kauft auch andere Dinge nicht. Wir müssen die Belastungen der Familien, der Einzelnen reduzieren. Das kann bei der Stromsteuer passieren, das kann durch entsprechende andere steuerliche Maßnahmen geschehen. Es können übrigens auch betriebliche Investitionen durch veränderte AfA, durch Bürokratieabbau, durch Beschleunigung etc. ausgelöst werden. Hier gibt es ganz viel.

Zum Schluss, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil es die Grünen wieder gesagt haben: Keine Dividendenzahlung bei staatlicher Hilfe. Das ist ja eine ganz nette Forderung, liebe Freunde von den Grünen, aber das ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist das Wesen der sozialen Marktwirtschaft, dass zunächst einmal der Unternehmer das, was er selber tun kann, tut.

Deshalb erwarte ich von der Landesregierung übrigens auch, dass bei VW, wenn sie nach einer Kaufprämie und staatlichen Hilfen rufen, keine Dividende ausgezahlt wird.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das wäre gar nicht verantwortbar, wenn das passieren würde. Insofern muss die Landesregierung bei den eigenen Gesellschaften tatsächlich tätig werden. Das wäre richtiges Handeln. Wir müssen dann auch helfen und klären, wie wir den Wissenschaftsminister bei Forschung und Entwicklung unterstützen, weil das VW-Vorab nicht mehr geführt wird.

Jetzt der letzte Satz!

Staatliche Hilfen fordern und dann bei VW Dividenden auszahlen, passt nicht zusammen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Bode. - Wir haben eine Wortmeldung des Wirtschaftsministers Dr. Bernd Althusmann vorliegen, dem ich jetzt gleich das Wort erteile.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Bitte sehr, Herr Minister!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags! Zunächst eine kleine Korrektur zu der Aussage des Abgeordneten Jörg Bode. Mir ist nicht bekannt, dass VW bisher staatliche Hilfen beantragt hätte.

(Jörg Bode [FDP]: Was ist denn eine Kaufprämie? - Helge Limburg [GRÜ- NE]: Das hat er nicht gesagt!)

- Ich wusste genau, dass Sie diesen Zusammenhang herstellen. Es geht dabei nicht um eine direkte Unterstützung der Automobilindustrie oder eines Unternehmens, sondern es geht darum, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern des Landes, in Deutschland, möglicherweise Kaufanreize dadurch geschaffen werden, dass mit Blick auf den CO2Preis entsprechende Ermäßigungen für den Erwerb eines Fahrzeuges vorgesehen werden. Es handelt sich nicht um eine direkte Unterstützung eines Konzerns, aber das sei nur am Rande bemerkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Coronavirus hat in den letzten Monaten unser Leben drastisch verändert, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch weltweit. Der Shutdown war unbestritten extrem hart, äußerst tiefgreifend und als Einschnitt in unser wirtschaftliches, aber auch in unser gesellschaftliches Leben historisch einmalig. Die Folgen werden wir noch viele Jahre spüren. Ich habe in anderen Zusammenhängen darauf hingewiesen, dass es möglich sein könnte, dass

wir mit Blick auf die Verschuldung des Landes und die Gestaltungsmöglichkeiten des Landes mindestens zwei Wahlperioden erleben, die unter den Folgen der Corona-Pandemie noch entsprechende Schwerpunkte werden setzen müssen.

Insofern ist dennoch festzustellen, dass es ein richtiger und notwendiger Schritt war, das Leben kurzfristig herunterzufahren, um dadurch letztlich die Voraussetzungen zu schaffen, Leben zu schützen.

Ich möchte dennoch auf den Antrag der Fraktion der AfD zur Aktuellen Stunde sagen, dass ich mich schon gefragt habe, wann denn ein sehr konkreter Vorschlag im Rahmen Ihrer Rede kommen wird.

(Jens Nacke [CDU]: Ja, null! - Ste- phan Bothe [AfD]: Beendigung des Shutdowns!)

Herr Bothe, Sie haben Ihre Rede mit den Worten beendet: Warum erzähle ich Ihnen das? - Das habe ich mich auch die ganze Zeit gefragt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Warum erzählen Sie uns das? Warum erzählen Sie etwas, was wir alle wissen? - Die gesamte Republik, alle Bundesländer, Bund und Länder gemeinsam, tun alles - mit Förder- und Hilfsprogrammen -, die Wirtschaft zu unterstützen, die Betriebe zu retten, Existenzen zu sichern, wieder langfristige Perspektiven durch Stufenpläne zu schaffen, und Sie stellen sich hierhin und machen nichts anderes als eine Lagebeschreibung. Das ist ein bisschen wenig. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe die Vermutung, dass Sie als Fraktion der AfD, aber auch Ihre Partei in Wahrheit überhaupt nicht wissen, was es heißt, Verantwortung für ein Land zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ich glaube im Übrigen, Sie haben inzwischen bemerkt, dass es neben Ihnen eine neue politische Bewegung gibt,

(Dana Guth [AfD] lacht - Dana Guth [AfD]: Ach Gottchen!)

„Widerstand 2020“, die Ihnen offensichtlich Ihr gesamtes Wählerpotenzial streitig zu machen droht.

(Widerspruch bei der AfD - Dana Guth [AfD]: Jetzt haben wir ja richtig Angst!)

Das sind nämlich all die Menschen, die sich mit Blick auf ein ganz bestimmtes Thema in eine Widerstandsposition begeben. Ich vermute, dass Sie bei der AfD in großer Panik sein müssten,

(Lachen bei der AfD - Dana Guth [AfD]: Die Panik machen Sie hier!)

um letztendlich mit solch einfachen Parolen und dem alten Mittel der Provokation, Stichwort „Corona-Krieg“, oder was auch immer, „Diktatorin Merkel“, oder was Sie auch immer nach außen hin verbreiten, Politik zu machen.

(Dana Guth [AfD]: Wer macht denn hier die Panik?)

Sehr verehrte Frau Fraktionsvorsitzende, es war Ihre Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Frau Alice Weidel, die noch im März vor den Gefahren des Coronavirus gewarnt hatte, die im März schnellste Maßnahmen gefordert hat, und ihr altes und nach wie vor aktuelles Thema „Grenzschließungen“ als Erstes auf die Tagesordnung gehoben hat. Heute stellen Sie sich hierhin und fordern, dass der Lockdown schnellstmöglich wieder zurückgefahren werden soll. Sie sind unglaubwürdig, meine Damen und Herren,

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

und Sie ersetzen Inhalt durch Provokation.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Wo ist ei- gentlich die Taucherbrille von Herrn Wichmann geblieben?)

Was ist zu tun?

(Stefan Wirtz [AfD]: Im März waren Sie zu spät, jetzt sind Sie zu lang- sam!)

Niedersachsen hat inzwischen 165 000 Anträge in Bearbeitung, davon 117 000 Anträge für den gesamten Bereich der Wirtschaft an Zuschüssen und Liquiditätshilfen bewilligt. Wir liegen jetzt mit rund 956 Millionen Euro knapp unter 1 Milliarde Euro am heutigen Morgen.

(Dana Guth [AfD]: Steuern! - Weitere Zurufe von der AfD - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das war unsere Antwort von Bund und Ländern und dem Land Niedersachsen im Speziellen auf die Frage, wie wir den Betrieben der einzelnen Branchen besonders intensiv helfen. Wir alle wis

sen, dass die Wirtschaftsleistung in Niedersachsen womöglich um 8 % sinken wird. Da ist nicht irgendwas. Die Wirtschaftskraft des Landes lag vor der Corona-Krise bei rund 300 Milliarden Euro. Das heißt, irgendwo im 20er-Milliarden-Bereich wird die Wirtschaftskraft Niedersachsens sinken. Wir haben insgesamt 70 000 Anzeigen auf Kurzarbeitergeld, und andere Prognosen gehen davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in einzelnen Branchen um bis zu 15 % sinken könnte. Wir stehen bei 30 bis 40 % Existenznot bzw. Insolvenzbedrohung im Bereich des Einzelhandels. Wir haben 39 000 Unternehmen, und die weitreichenden Schließungen von dem einen auf den anderen Tag haben erwartungsgemäß hier Existenznot nach sich gezogen.

Wir haben im Bereich des Tourismus alleine in den beiden Monaten März und April 2 Milliarden Euro Umsatzausfälle gehabt. Deswegen meine Forderung an den Bund: Wir müssen hier gemeinsam mit Bund und Ländern eine zweite Zuschusswelle auslösen, die am Ende dafür sorgt, dass der Bereich des Tourismus mit über 293 000 Menschen, Gastronomie, Hotellerie, Tourismus in Gänze - in Niedersachsen ein Schwerpunkt unserer Wirtschaftskraft - wieder eine Perspektive erhalten. Das können wir als Land nicht alleine stemmen. Hier müssen Bund und Länder gemeinsam einen Schutzschirm über diesen Bereich spannen.