Protokoll der Sitzung vom 13.05.2020

Umsetzung der Corona-Hygieneschutzmaßnahmen kontrolliert?

3. Wie gedenkt die Landesregierung vor dem Hintergrund der beendeten Videoüberwachung eine effektive Überwachung und Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zum Tierschutz seitens der Schlachtbetriebe zu gewährleisten?

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Wie ich vernommen habe, wird für die Landesregierung Frau Dr. Reimann antworten.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Bitte, Frau Dr. Reimann!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Fragen sehr gern.

Lassen Sie mich vorweg eines bemerken: Die Landesregierung misst der Umsetzung der Arbeitsschutz- und Hygienestandards in Schlachtbetrieben in Verbindung mit der COVID-19-Pandemie maßgebliche Bedeutung bei. Aufgrund der besonderen Konzernstrukturen in fleischverarbeitenden Betrieben sind die Mitarbeitenden relativ häufig wechselseitig an mehreren Betriebsstandorten eingesetzt. Dort werden sie häufig auch für die jeweilige Zeit in Sammelunterkünften untergebracht.

Die beiden betroffenen Unternehmen betreiben auch in Niedersachsen Schlachthöfe. Um entsprechend vorbeugend auf die Situation einzuwirken und das Risiko von Ausbrüchen in Niedersachsen wie in den Nachbarländern zu minimieren, hat das Land am Montag per Erlass die Gesundheitsämter aufgefordert, den niedersächsischen Schlachtbetrieben das Durchwechseln der Beschäftigten sofort zu untersagen.

Die Landesregierung hat in der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auch in der letzten Fassung alle Unternehmen und landwirtschaftlichen Betriebe angewiesen, sicherzustellen, dass ihre Beschäftigten, die in Sammelunterkünften oder in betriebseigenen oder angemieteten Unterkünften untergebracht sind, auf

die aktuellen Hygieneregeln hingewiesen werden und sie diese auch verstanden haben.

Die Unternehmen und landwirtschaftlichen Betriebe haben die Einhaltung der Hygieneregeln regelmäßig zu überprüfen und zu dokumentieren. Die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebenen Infografiken mit den wichtigsten Hygienehinweisen sollen in allen Unterkünften gut sichtbar und für alle Bewohnerinnen und Bewohner zugänglich ausgehängt werden. Die Unterbringung soll möglichst nur in Einzelzimmern erfolgen. Küche und Bad sind so zu nutzen, dass eine ausreichende Distanz zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern gewährleistet ist. Das Sozialministerium hat die Kommunen am Montag per Erlass aufgefordert, eine explizite Überprüfung der Unterkünfte durchzuführen und speziell darauf hin- und einzuwirken, dass die Beschäftigten in Einzelzimmern untergebracht werden.

Des Weiteren hat das Land unter Beteiligung des NLGA, des LAVES, des MS und des ML auf Grundlage einer landesweiten risikoorientierten Strategie für Testungen in Schlachtbetrieben und anderen fleischverarbeitenden Betrieben ein entsprechendes Konzept erarbeitet. Das Konzept sieht vor, dass zunächst alle symptomatischen Werkvertragsarbeitskräfte unverzüglich zu testen sind. Darüber hinaus sind im Rahmen dieser Strategie sehr zeitnah Werkvertragsarbeitskräfte in Unternehmen, die Verbindungen zu einem der beiden betroffenen Schlachthöfe in NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein gehabt haben könnten, zu identifizieren und auch zu testen. Anschließend sollen auch alle anderen Werkvertragsarbeitskräfte getestet werden. Alle von den Gesundheitsämtern veranlassten Testungen können im LAVES und im NLGA durchgeführt werden.

Bereits zuvor hatte das Sozialministerium die Gewerbeaufsichtsämter angewiesen, Betriebe, die mehr als 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Basis von Werkverträgen beschäftigen, mit Verweis auf die Mitte April vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlichten Arbeitsschutzstandards zu kontaktieren. Die Unternehmen haben eine aktualisierte Gefährdungsbeurteilung vorzulegen und ihre Maßnahmen zu getroffenen Schutzmaßnahmen für die Minimierung des Infektionsrisikos an den innerbetrieblichen Arbeitsplätzen darzulegen.

In Niedersachsen arbeiten in 183 fleischverarbeitenden Betrieben rund 23 700 Beschäftigte. Bis

lang sind zwei Infektionen bei Mitarbeitern eines Betriebes aus dem Emsland bekannt.

Eine Kontrolle von Betrieben zur Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen erfolgt in der Regel durch die Gewerbeaufsichtsämter. Für den Arbeitsschutz in den Betrieben sind die Arbeitgeber verantwortlich, die sich von Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten beraten lassen. Ihnen obliegt in erster Linie die Umsetzung des Infektionsschutzes in ihren Betrieben.

Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben nach Arbeitsschutzgesetz grundsätzlich die Verpflichtung, Gefahren für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten am Arbeitsplatz zu beurteilen - das ist diese sogenannte Gefährdungsbeurteilung - und Maßnahmen hieraus abzuleiten. Im Rahmen der Pandemieplanung haben sie gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ermitteln und dann auch durchzuführen.

Für die Einhaltung der Hygieneregeln sind die Betriebe, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst verantwortlich. Kontrollen der Gesundheitsämter in den Betrieben können z. B. bei Begehungen gemeinsam mit der Gewerbeaufsicht erfolgen. Zur Erarbeitung und Durchführung von Hygienekonzepten beraten die örtlichen Gesundheitsämter.

Das ist der Kontext. Sie hatten jetzt gefragt, wie oft die Schlachthöfe kontrolliert wurden. Ich kann dazu sagen: Am 6. April 2020 wurde ein Geflügelschlachthof im Landkreis Celle kontrolliert. Es wurde bei der Kontrolle auch ein Hygienekonzept vorgelegt. Unter anderem gibt es dort Abstandsregelungen, und die Arbeitsplätze sind, soweit wie es möglich ist, durch Plexiglasscheiben voneinander getrennt. Bei Personen, die den Schlachthof betreten wollen, wird bei der Eingangskontrolle die Körpertemperatur gemessen, und es herrscht Maskenpflicht. Neue Mitarbeiter werden auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet. Beanstandungen wurden da nicht festgestellt.

Im Vorgriff auf die aktuelle Schwerpunktaktion der Gewerbeaufsicht wurden von einigen Ämtern bereits im Vorfeld Maßnahmen ergriffen. Hier ging es darum, Betriebe, die mehr als 100 Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer beschäftigen, auf Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen - insbesondere der Gefährdungsbeurteilung - zu überprüfen.

Im April wurde von den Gewerbeaufsichtsämtern in fünfzehn Betrieben eine Überprüfung begonnen:

im Bereich Oldenburg in elf Betrieben, im Bereich Cuxhaven in drei Betrieben und in Hannover in einem Betrieb. Das ist der Stand der Abfrage vom 28. April 2020.

Die Überprüfungen erfolgten - bis auf eine Ausnahme - in fernmündlicher und schriftlicher Form. Die Betriebe wurden aufgefordert, ihre aktualisierten Gefährdungsbeurteilungen - ich habe das gerade ausgeführt - und die getroffenen Schutzmaßnahmen in Bezug auf den Infektionsschutz an den Arbeitsplätzen vorzulegen.

In zwei Betrieben - einem Betrieb im Bereich und einem Betrieb im Bereich Hannover - wurden VorOrt-Kontrollen aufgrund von Beschwerden durchgeführt. Die Ergebnisse werden von den Ämtern zurzeit noch bearbeitet und liegen der Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.

Sie fragten, wie oft Unterkünfte im Bereich der Erntehilfe und der Schlachthöfe kontrolliert worden sind. Die Auswertung einer aktuellen Abfrage - Stand gestern - bei den Gesundheitsämtern der Landkreise zeigt: Das Vorgehen bezüglich der Unterkünfte von Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern ist in den einzelnen Landkreisen unterschiedlich. Das ist sowohl auf die unterschiedliche Art der Unterbringung als auch auf die unterschiedlichen Strukturen in den jeweiligen Landkreisverwaltungen und der Organisation vor Ort zurückzuführen. Außer den Gesundheitsämtern werden auch die Bauaufsicht, der Zoll und die Ordnungsbehörden eingebunden.

Wir haben aus den Landkreisen Rückmeldungen über das Vorgehen bekommen. Dazu würde ich Ihnen gern einen Überblick geben.

Beim Landkreis Celle soll zeitnah im Mai 2020 eine Überprüfung der Unterkünfte erfolgen. Im Landkreis Cloppenburg sind derzeit 295 Wohnstandorte bekannt, an denen Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer gemeldet sind. Diese werden seit 2013 bauordnungsrechtlich kontrolliert, und bei Bedarf wird die Gesundheitsaufsicht beteiligt.

Der Landkreis Cuxhaven bildet in Zusammenarbeit mit dem Gewerbeaufsichtsamt und den betroffenen Gemeinden derzeit eine Taskforce, um sämtliche Unterkünfte für Mitarbeiter der Schlachthöfe zu identifizieren und zu kontrollieren.

Nachdem in den letzten Wochen vom Landkreis Diepholz alle Betreiber von Saisonarbeitsunterkünften kontrolliert wurden, wird im Rahmen der in dieser Woche stattfinden Nachkontrolle eine Kon

trolle bei den Unterkünften für Werkvertragsarbeiter ergänzt. In diesem Zusammenhang werden alle Unterkünfte unangekündigt überprüft. Die Kontrollen werden durch Beschäftigte der Kreisverwaltung und des Zolls durchgeführt.

Die Grafschaft Bentheim hat zahlreiche lebensmittelverarbeitende Betriebe mit Werkvertragsarbeitenden angeschrieben und um Übersendung der Adressen der angemieteten und betriebseigenen Unterkünfte gebeten. Stichprobenartige Kontrollen sind vorgesehen, sofern Zweifel an der Tauglichkeit der Hygienekonzepte und Maßnahmen bestehen.

Werkvertragsarbeitende in der Region Hannover sind derzeit in Zwei- sowie in Dreibettzimmern untergebracht. Die Region Hannover prüft derzeit, ob und inwieweit die rechtlichen Vorgaben der Corona-Verordnung eine Auflage zulassen, vor Ort eine Unterbringung der Werkvertragsarbeitenden in Einzelzimmern zu verlangen. Darüber hinaus wird dem Betreiber auferlegt, das Personal in Hygienefragen zu schulen und außerdem Hygienepläne in den Unterkünften auszuhängen. Die Unterkünfte wurden in der letzten Woche vom Ordnungsamt der Stadt Laatzen im Rahmen einer Ortsbegehung geprüft. Dabei haben sich nach Kenntnis der Region Hannover keine Beanstandungen ergeben.

Im Landkreis Oldenburg hat eine Überprüfung von Unterkünften stattgefunden, die zu keinen Beanstandungen geführt hat.

Im Landkreis Peine werden die Unterkünfte für sogenannte Erntehelfer und für weitere Saisonarbeitskräfte durch das Ordnungsamt kontrolliert.

Im Landkreis Vechta sind Beschäftigte, Werkvertragsarbeitende und Beschäftigte von Subunternehmen der Schlachtbetriebe nicht in klassischen Sammelunterkünften untergebracht, sondern in Wohngemeinschaften in werkseigenen oder angemieteten Häusern oder Wohnungen. Die vor Ort bekannten Wohngemeinschaften wurden im Rahmen der Bauordnung geprüft.

Die Unternehmen wurden am 11. Mai 2020 aufgefordert, die Unterkünfte zu melden. Diese Meldungen liegen seit dem 12. Mai 2020 vor und werden derzeit hinsichtlich der Notwendigkeit einer Überprüfung der Unterkünfte analysiert. Als Ergebnis dieser Analyse wird ein Prüfplan erstellt.

Da während der Überprüfung der Unterkünfte die Bewohner anwesend sein sollen, werden die Prüftermine mit den Schlachtbetrieben abgestimmt, um

sicherzustellen, dass die Bewohner nicht bei der Arbeit sind. Die Ergebnisse der Überprüfungen werden dann dokumentiert. Etwaige Beanstandungen werden durch Anordnung geeigneter Maßnahmen von den Betrieben oder den Bewohnern zu beseitigen sein.

Die dritte Frage war zur Videoüberwachung. Darauf kann ich für die Landesregierung antworten: Die pauschale Aussage, die freiwillige Kameraüberwachung der Betriebe habe in fast allen Schlachthöfen aus datenschutzrechtlichen Gründen abgeschaltet werden müssen, ist so nicht zutreffend.

Die Vereinbarung des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit den Verbänden der Fleischwirtschaft, des Fleischerhandwerks, des Vieh- und Fleischhandels und dem Niedersächsischen Landkreis- und Städtetag über die Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in niedersächsischen Schlachthöfen aus dem Februar 2019 hat weiterhin Bestand.

Im Kern haben die unterzeichnenden Organisationen vereinbart, ihren Mitgliedern bis zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung die Installation von Kamerasystemen auf freiwilliger Basis zu empfehlen und die Unternehmen bei der Einführung, sofern das erforderlich ist, zu unterstützen.

Die kameragestützte Überwachung soll sich auf besonders tierschutzrelevante Bereiche im

Schlachthof konzentrieren und der zuständigen Behörde für amtliche Überwachungszwecke zur Verfügung gestellt werden.

In dem Bestreben nach der strikten Einhaltung der bestehenden tierschutzrechtlichen Vorgaben im Schlachthof haben sich die Unterzeichnenden verpflichtet, die ihnen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld bereits jetzt zur Verfügung stehenden Instrumente im Sinne des Tierschutzes konsequent anzuwenden. Dazu zählt etwa die betriebliche Eigenkontrolle, die Mitwirkung in Facharbeitsgruppen oder das regelmäßige Aktualisieren von bestehenden Arbeitsanweisungen und Leitfäden.

Für eine flächendeckende, bundesweite Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes bedarf es einer bundesgesetzlichen Regelung. Diese wurde - danach ist ja auch gefragt worden - im März 2019 mit der Bundesratsinitiative gefordert. In seiner Stellungnahme vom 31. März 2020 hat der Bund signalisiert, dass das BMEL

offen dafür sei, die Einführung einer Videoüberwachung zu prüfen. Die Frage der Verhältnismäßigkeit sei in diesem Zusammenhang aber von besonderer Bedeutung. Es sei daher eine Klärung durch die Länder erforderlich, ob der Problematik von Tierschutzverstößen in Schlachthöfen nicht durch verstärkte amtliche Vor-Ort-Kontrollen begegnet werden könne.

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium und die Landesbeauftragte für den Datenschutz beabsichtigen, ergänzend zu der oben genannten Vereinbarung einen gemeinsamen Leitfaden zur datenschutzrechtskonformen Umsetzung der Vereinbarung zu erstellen. Die vom Bund in Bezug genommenen Vor-Ort-Kontrollen haben EU- und bundesrechtlichen Vorgaben gemäß stichprobenartig und risikoorientiert zu erfolgen. Darüber hinaus gehende Vor-Ort-Kontrollen, die dann auch gebührenfinanziert erfolgen müssten, sind derzeit rechtlich nicht vorgesehen. Die amtlichen Kontrollen werden gemäß den rechtlichen Vorgaben durchgeführt.

In Bezug auf die Überwachung der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorgaben auf Schlachthöfen wurden daher sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene verschiedene Maßnahmen zur Prozessoptimierung ergriffen. Niedersachsen wird sich weiterhin mit Nachdruck im Sinne des Tierschutzes für die Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen einsetzen. Bestehende Regelungsspielräume im geltenden Gesetz sollen im Sinne des Tierschutzrechtes und des Tierschutzes ausgeschöpft werden.

Herzlichen Dank fürs lange Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)