Die Digitalisierung von Schulen. Man kann eigentlich nicht von „Digitalisierung“ sprechen. Man muss eigentlich von „Nicht-Digitalisierung von Schulen“ sprechen. Das ist doch verheerend. Natürlich haben die Lehrerinnen und Lehrer das Beste versucht - der eine so, der andere anders. Das gilt auch für die Schulleitungen. Natürlich war das für alle eine Belastung. Aber das, was vorher an politischen Fehlentscheidungen getroffen war, konnte doch in der kurzen Zeit gar nicht aufgeholt werden.
Wir haben immer wieder für die Bildungscloud, für Digitalisierung in Schulen geworben. Es wurde von Ihnen immer auf die lange Bank geschoben. Das rächt sich nun. Es ist das Ergebnis Ihrer verfehlten Bildungspolitik in den letzten Jahren, dass es keine Lehrkonzepte für digitale Bildung gibt, dass die technischen Voraussetzungen in den Schulen nicht vorhanden sind und dass es im Prinzip in den gesamten letzten drei Monaten in den Schulen
bzw. in den letzten Wochen, in denen es wieder Unterricht gab, mehr um Beschäftigung ging als um echten Unterricht.
Da gehen die Chancen künftiger Generationen flöten. Das muss man ganz klarmachen. Dazu aber äußern Sie sich auch nicht, sondern sagen, dass Sie das eigentlich ganz gut bewältigt hätten. Nein, Sie haben das nicht gut bewältigt. Es wird Zeit, dass diese Defizite schleunigst abgestellt und Perspektiven aufgezeigt werden.
Ein dritter Punkt, der meines Erachtens hervorsticht, ist die Beobachtung des Infektionsgeschehens. Wir hören im Prinzip schon seit Beginn der Pandemie: Testen, testen, testen! - Wir wollen wissen, wie sich das Infektionsgeschehen tatsächlich verhält, um die Dunkelziffern endlich aufzuklären. Gerade in den ersten Wochen war immer ein Riesenthema, dass wir gar nicht wissen, was wirklich passiert.
Bis heute - das haben wir in verschiedenen Anträgen, auch von unserer Fraktion, thematisiert - sind Sie in einer Art und Weise zurückhaltend, die ich für verantwortungslos halte.
Sie beschränken die Testungen auf ganz spezielle Fälle und sagen, dass dann, wenn sich ein Hotspot entwickelt, in Pflegeheimen, Krankenhäusern und sensiblen Bereichen getestet werden könne. Das aber ist viel zu wenig.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an Bayern. Es geht doch offensichtlich, wenn man nur will, dass man tatsächlich ein flächendeckendes Testprogramm durchführt. Uns ist schon klar, dass natürlich im nächsten Moment eine Infektion entstehen kann. Aber eine Testung gibt den Menschen Sicherheit - gerade denen, die in solchen sensiblen Bereichen arbeiten, in Kindergärten als Erzieher, in Schulen als Lehrkraft, in den Pflegeeinrichtungen, in den Krankenhäusern.
Warum sind Sie da so zurückhaltend? Die Kapazitäten sind doch da. Bei dem vielen Geld, das Sie in die Hand nehmen, sollten Sie Schwerpunkte für das setzen, was wirklich wichtig ist. In diesem Sinn würde es sich tatsächlich lohnen.
Meine Damen und Herren, unsere Erwartung im Hinblick auf das weitere Pandemiegeschehen und Infektionsgeschehen ist, dass wir diesen Weg des exekutiven Notrechts endlich verlassen. Auch dazu sagen Sie nichts, Herr Ministerpräsident. Sie scheinen sich weiter in der Rolle zu gefallen, weiter auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes des Bundes im Wege einer Ministerverordnung - nicht mal einer Kabinettsverordnung, sondern einer schlichten Ministerverordnung; mit der Unterschrift einer Ministerin wird sie in Kraft gesetzt - zu handeln.
Der Zeitdruck kann ja wohl nicht mehr der Grund sein; denn wir haben doch jetzt Zeit gewonnen. Wir sehen das an den zunehmenden Zeiträumen zwischen den Verordnungen. Man könnte, wenn man wollte, jetzt in ein aufwändigeres, längerfristiges Verfahren einsteigen, das eine parlamentarische Beteiligung nicht nur im Sinne von Information - „wir sagen euch mal, was wir vorhaben“ -, sondern echter Debatte ermöglicht. Dazu sagen Sie nichts. Das wollen Sie offensichtlich nicht.
Sie gefallen sich in der Rolle der exekutiven Notrechtskompetenz. Das ist aus unserer Sicht nicht länger hinnehmbar; denn es geht hier um wesentliche Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte. Dafür brauchen wir Parlamentsgesetze. Das hat einen guten Grund. Das hat sich über Jahrzehnte, im Prinzip über Jahrhunderte entwickelt, wird von Ihnen aber weiter schlicht ignoriert. Ich verstehe das nicht und nehme wahr, dass Sie dieses Parlament offensichtlich nicht hinreichend beteiligen wollen und dem Parlament auch nicht die notwendige Würdigung zukommen lassen.
Das führt mich zu dem nächsten Punkt im Umgang mit dem Parlament. Herr Ministerpräsident, eigentlich hätten wir erwartet, dass Sie sich hier als Erstes bei diesem Parlament entschuldigen -
nämlich dafür, wie Sie mit diesem Haus in den letzten Wochen umgegangen sind. Bezüglich der Corona-Verordnung waren doch die Pressekonferenzen informativer als das, was Sie uns gesagt haben.
Wir haben doch die Verordnungsentwürfe nach der Presse bekommen, d. h. das war Ihnen wichtiger, als das Parlament, den Souverän, die Volksvertretung, darüber zu informieren. Ihnen ging es um Ihre gute Darstellung, aber nicht um parlamentarische Legitimation und die Einbindung des Souveräns in diesem Hause.
Dabei geht es nicht nur um uns als Opposition, sondern es geht um den Parlamentarismus insgesamt. Das ist sozusagen eine ganze Reihe, wie sich mittlerweile zeigt. Es geht um Transparenz, es geht um Legitimation dessen, es geht um Akzeptanz in der Bevölkerung, es geht darum, dass man als Bürger dieses Staates weiß, dass es einen Ort gibt, wo alle diese Dinge, die einen selbst bewegen, offen und nachvollziehbar diskutiert werden. Das haben Sie mit dieser Art und Weise verhindert. Das Parlament wurde auf diese Art und Weise in dieser Corona-Zeit kaltgestellt.
Sie haben dabei wiederholt und wissentlich die Verfassung gebrochen. Artikel 25 ist das Stichwort. Denn Sie wussten doch, dass Sie unterrichten müssen. Es gibt dafür sogar einen Vordruck in der Staatskanzlei, mit dem Sie schlicht das hätten übersenden müssen. Den Vordruck haben Sie aber erst wiedergefunden, nachdem wir gemeinsam mit den Grünen vor dem Staatsgerichtshof Klage erhoben hatten. Daraufhin ist Ihnen eingefallen, dass es möglicherweise ein Erfordernis der Unterrichtung gibt.
Was dem Ganzen sozusagen die Krone aufsetzt, ist, dass Sie jetzt auf eine Anfrage, die wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der Grünen gestellt haben, geantwortet haben, dass bereits am 4. und 8. Mai Abgeordnete der Regierungsfraktionen, also von SPD und CDU, diese Information, um die wir sozusagen gekämpft haben, exklusiv von Ihnen erhalten haben. 4. und 8. Mai! Am 12. Mai hatten wir hier das Sonderplenum. Da haben wir noch angemahnt: Unterrichten Sie doch bitte den Landtag, den Landtag als Ganzes.
Das haben Sie ignoriert. Der Kollege Nacke hat uns noch erklärt, wir mögen doch bitte klagen, wenn das doch so wichtig sei. In der Zeit hatten
Das Parlament als Ganzes wurde ignoriert. Selbst bei der Verordnung vom 22. Mai, die nach dieser Plenarsitzung kam, haben Sie es nicht geschafft, auf den Absendeknopf des E-Mail-Programms zu drücken und zu sagen: Wenigstens kurz, bevor die Presse sie bekommt, bekommt sie dieses Hauses.
Ich weiß gar nicht, wie man noch stärker einen Landtag missachten kann, wie man die Rechte des Parlamentes noch offensichtlicher mit Füßen treten kann als mit dem, was Sie getan haben, Herr Ministerpräsident. Das ist absolut inakzeptabel.
Ich will Sie an dieser Stelle einmal daran erinnern, was Sie im November 2017 diesem Haus versprochen haben. Da haben Sie nämlich gesagt:
„Die Mitglieder der Landesregierung sind sich zugleich des Umstands bewusst, dass die sie unterstützenden Fraktionen eine überragende Mehrheit im Plenum des Landtages haben …. Zugleich biete ich den Mitgliedern der Oppositionsfraktionen eine faire und sachliche Zusammenarbeit an.“
Das Ganze ist am Ende eine Aushöhlung des Parlaments. Man möge mich korrigieren. Der Ministerpräsident hat natürlich ein Interesse, über den Koalitionsausschuss die Regierungsfraktionen einzubinden. Natürlich sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung in den Arbeitskreisen der Fraktionen. Das ist auch alles in Ordnung. Das will ich hier ausdrücklich sagen. Das war zu unseren Regierungszeiten auch so. Man muss Mehrheiten organisieren, man muss sozusagen den politischen Rückhalt haben.
Aber man darf nicht den zweiten Schritt unterlassen und die verfassungsmäßigen Rechte des gesamten Hauses ignorieren. Denn die Folge ist, wenn man diesen zweiten Schritt als Landesregierung nicht tut, dass ein Schattenparlament entsteht.
Aber in diesem Fall sind die Entwicklungen offensichtlich und eindeutig. Das, meine Damen und Herren, beschädigt die Demokratie als Ganzes. Ich will es ausdrücklich sagen: Es geht nicht ausschließlich um Oppositionsrechte. Es geht um das Parlament und die Demokratie im Gesamten.
Wir haben mit diesem Nachtrag einen Nachtragshaushalt von 7,8 Milliarden Euro zu beraten. Das sind 18 bis 19 % des Gesamthaushalts, wenn man alles addiert. Jetzt überlegen Sie mal, wie aufwändig und intensiv wir einen normalen Haushalt beraten. Über Monate haben wir die Gelegenheit, uns damit inhaltlich auseinanderzusetzen. Auch das ist kein Selbstzweck, das dient doch nicht der Bespaßung der Oppositionsfraktionen, sondern auch das hat einen guten Grund. Für diesen Nachtragshaushalt mit dem Volumen, den Sie jetzt vorlegen, werden uns vier Wochen Beratungszeit eingeräumt. Es gibt keine Beratung in den Fachausschüssen. Das ist nicht vorgesehen.
Damit wird aus unserer Sicht in diesem Fall das Recht des Parlaments einmal mehr missachtet und das Budgetrecht als Königsrecht des Parlaments völlig entkernt und ausgehöhlt. Davon bleibt am Ende nicht viel übrig, wenn man dem Parlament ein solches Beratungsverfahren zumutet.
Ich will für die FDP-Fraktion ausdrücklich sagen: Wir sind bereit, in der Sommerpause zu tagen. Wir wollen uns gerne damit in den Fachausschüssen intensiv auseinandersetzen. Aber offensichtlich - das ist unser Eindruck - war für die Planung eher die Sommerpausenplanung maßgeblich als tatsächlich das Gebot einer vernünftigen und seriösen Beratung dieses Haushaltsplans.
Wir befinden uns in Pandemiezeiten. Das heißt, auch das Parlament muss sich diesen Bedingungen stellen, und dann ist es eben so, dass wir auch im Sommer tagen müssen.
Noch ein paar Worte zum Haushaltsentwurf an sich; denn die Einbringung fand ja in den Ausschüssen statt. Der Ministerpräsident hat versucht, hier so etwas wie eine Alternative aufzuzeigen, nämlich diese Regierungserklärung als Einbringung zu nutzen, was offensichtlich von seiner eigenen Fraktion gar nicht gewollt war.