Im März, zu Beginn der Pandemie, standen andere Fragen im Raum: Wie können wir uns schützen? Wie meistern wir diese für uns alle neue Situation? Die damals katastrophale Lage in Italien wirkte wie ein Schock. Die hohen Todeszahlen und die überfüllten Krankenhäuser mitten in Europa waren uns mahnendes Beispiel. Aber statt angesichts der großen Herausforderungen in Schockstarre zu verfallen, haben wir mutig und schnell gehandelt und so das Infektionsgeschehen in den Griff bekommen. Auf den Lockdown folgte die Phase der Lockerungen, und mit ihr kam die Frage nach der Normalität. In eine echte Normalität werden wir wohl aber nicht ohne die Mitwirkung der Wissenschaft zurückkehren können.
Meine Damen und Herren, auf dem gesamten bisherigen Weg wurden wir von der Wissenschaft begleitet. Es ist nicht zuletzt den Empfehlungen der Epidemiologen und Infektiologen zu verdanken, dass wir die weltweite Pandemie bisher so gut gemeistert haben. Wir haben uns auf die Forscher verlassen. Aber was tun wir für die Forschung? Wie fördern wir die Wissenschaft?
Niedersachsen ist ein Land der Forschung. Die Region Braunschweig gehört zu den forschungsintensivsten Regionen in Europa. In unseren Laboren arbeiten Wissenschaftler, die in der ganzen Welt vernetzt sind. Es liegt also nahe, die Wissenschaftler vor unserer eigenen Haustür zu fragen: Was ist unser niedersächsischer Beitrag zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Corona?
Ich bin dieser Frage nachgegangen und habe Unternehmen und Universitäten besucht. Es hat mich beeindruckt, mit welchem Einsatz und auf welchem Niveau bei uns in Niedersachsen zu Corona geforscht wird. Sowohl in der Antikörperforschung als auch bei der Impfstoffentwicklung sind wir auch im internationalen Vergleich sehr weit.
Wir wollen mit unserem Entschließungsantrag die Forschung in Niedersachsen weiter stärken. In unserem Land finden wir dafür geradezu ideale Ausgangsbedingungen vor. Niedersachsen verfügt über eine herausragende Forschungslandschaft auf international hohem Niveau. Seit Beginn der Pandemie arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an der Herstellung von Impfstoffen und Therapeutika im Zusammenhang mit COVID19. So wird u. a. auf dem Science Campus in
Braunschweig in Zusammenarbeit mit der Firma YUMAB, der Technischen Universität Braunschweig und dem Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung ein sehr vielversprechender Ansatz in der Erforschung der Antikörpertherapie verfolgt, der schon in wenigen Monaten vielleicht - ich will es hoffen - zu Erfolgen führen könnte.
Auch an der Medizinischen Hochschule Hannover, am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen und weiteren niedersächsischen Forschungseinrichtungen wird unter Hochdruck in den Bereichen Impfstoffe, Genetik und Wirkstoffscreening geforscht.
Diese Vorhaben unterstützen wir mit Millionenbeträgen aus den beiden Nachtragshaushalten. Mein Vorredner hat es schon detailliert aufgeführt.
Die schnelle und unbürokratische Vergabe der Forschungsgelder war ein wichtiger und notwendiger Schritt. Um eine nachhaltige und bedarfsgerechte Förderung zu etablieren, brauchen wir jetzt einen detaillierten Überblick, wer von wem Gelder erhält und wofür diese genau verwendet werden. So stellen wir sicher, dass die Unterstützung dahin fließt, wo wir sie dringend benötigen und wo sie auch sinnvoll eingesetzt werden kann. Wer dem Vortrag von Herrn Plett zugehört hat, hat sicherlich feststellen können, wie viele verschiedene Forschungsgeldquellen es gibt: auf EU-Ebene, auf Bundesebene, auf Landesebene. Da würde ich mir in den Beratungen einen Überblick vom Ministerium wünschen, was wofür eingesetzt wird.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der Rückschau der Erfahrungen ist bei einer Pandemie der Faktor Zeit entscheidend. Je früher klar ist, welche Schritte eingeleitet werden müssen, um grundsätzlich einer Ausbreitung eines lebensbedrohlichen Virus zu begegnen, desto besser können negative Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben verhindert werden.
Wichtig ist auch, schnell Erkenntnisse über den Virustyp zu erhalten, nicht nur um zeitnah effektive Wirkstoffe zur Behandlung herstellen zu können, sondern auch um Schnelltests zu entwickeln. Denn wir haben gelernt, dass die frühzeitige, möglichst flächendeckende Durchführung von Schnelltests eine der wirksamsten Methoden ist, um eine Ausbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung einzudämmen. Wir haben das bei den Schlachthöfen thematisiert. Wir haben das Thema bei den Heimen. Wir haben es in den Krankenhäusern. Wir haben es letztendlich auch in den Schulen und allen öffentlichen Einrichtungen.
Meine Damen und Herren, für allgemeine Gefahrenlagen wie Brände, Stürme, Hochwasser gibt es in Niedersachsen Katastrophenschutzpläne. Gefahrenlagen werden theoretisch durchgespielt und entsprechende Pläne erstellt, um schnell handeln zu können.
Für Pandemien gibt es solche Pläne in der Wissenschaft bisher jedoch nicht. Trotz hervorragender Vernetzung der Wissenschaft verging wertvolle Zeit, bis klar war, wer wie und wann zusammenarbeitet. Dies hat wertvolle Zeit gekostet, in der sich täglich viele Menschen mit dem Virus angesteckt haben und sich die Pandemie immer mehr ausgeweitet hat.
Da leider davon auszugehen ist, dass auch in Zukunft Pandemien ausbrechen können, die wie COVID-19 erhebliche gesundheitliche Auswirkungen auf Menschen haben, scheint die Überlegung sinnvoll, ähnlich wie bei anderen Gefahrenlagen eine sogenannte Response Unit aufzubauen, also ein Netzwerk innerhalb der Wissenschaft, das schnell arbeitsfähig ist.
Eine bedarfsgerechte Förderung der Gesundheitswissenschaften ist eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen diese und jede zukünftige Pandemie.
Wir haben jetzt die Chance, die Weichen für eine wirksame Präventionsarbeit auf diesem Feld zu stellen.
Wie lässt sich meine Frage vom Anfang also beantworten? Wann kommt die Normalität zurück? - Solange eine erfolgreiche medikamentöse Behandlung oder gar eine flächendeckende Impfung gegen das neuartige Coronavirus nicht möglich ist, werden wir die gemeinsamen Anstrengungen zur Eindämmung fortsetzen müssen.
Deshalb müssen wir die Forschung in Niedersachsen stärken und finanziell unterstützen, nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schütze. - Für die FDPFraktion hat jetzt die Kollegin Susanne Victoria Schütz das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin!
Danke schön. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in diesem Plenum das Thema Infektionsforschung aus den Reihen der Regierungsfraktionen - aber recht haben sie! Das Virus wird uns noch viele Monate begleiten.
Alle Hoffnungen auf Rückkehr zum normalen Leben, wie auch immer das nach Corona aussehen wird - über die „Normalität danach“ hat Frau Schütze eben schon gesprochen -, ruhen auf der Entwicklung eines Aktivimpfstoffs, einer Art Passivimpfstoff durch Antikörper oder von Medikamenten, die den Krankheitsverlauf mildern und die Krankheit so beherrschbarer machen.
Der Antrag, über den wir hier in der ersten Beratung reden, benennt verschiedene Initiativen des Bundes und formuliert Forderungen an die Landesregierung. Gegen keine dieser Forderungen ist etwas einzuwenden.
Die Infektionsforschung muss gestärkt werden. Sie wird uns hoffentlich die Lösung liefern, um in den Normalbetrieb zurückzukehren.
Die Vernetzung zwischen den Akteuren muss verbessert werden. Wettbewerb - auch zwischen Wissenschaftlern - ist gut. Aber zurzeit sollte das gemeinsame Ziel Vorrang haben. Wir brauchen Vernetzung zwischen den Forschenden, um gegenseitig von Erkenntnissen zu profitieren.
Sich Gedanken über Pandemiepläne zu machen, die wir dann möglichst nicht - wie die von 2012 im Bund - ins Regal hängen, ist auch eine ausgesprochen sinnvolle Idee.
Erstens. Viele Wissenschaftler haben quasi das Reagenzglas fallen lassen und sich stattdessen der Corona-Forschung gewidmet. Der Antrag enthält einen Prüfauftrag, sich damit zu beschäftigen, was das bedeutet, welche Hilfen unter Umständen eingesetzt werden müssen. Das interessiert auch mich sehr.
Zweitens. Zur interdisziplinären Vernetzung und zur Ausweitung der Infektionsforschung insgesamt möchte ich einen konkreten Vorschlag machen. Keine Frage, die eigentliche Infektionsforschung wird uns hoffentlich retten. Aber bis dahin gilt es, sich mit den Ausbreitungswegen und möglichen Ansteckungen noch viel intensiver zu befassen, um massenhafte Ansteckungen zu verhindern und eine Verbreitung einfangen zu können.
Wir steuern auf die kältere Jahreszeit zu. Die Menschen werden sich mehr in Innenräumen aufhalten. Mehr Fenster werden geschlossen sein. Die Belüftung von Innenräumen, der dortige Verbleib von Aerosolen und die Frage, wie man die am besten vertreibt - das ist in meinen Augen noch eine offene Flanke.
Wir haben uns gefragt, was neben den Beschäftigungs- und besonders den Unterbringungsverhältnissen zu dem Problem in der Schlachtindustrie beiträgt, die uns vorhin schon beschäftigt haben. Was können Parallelen zu den Ausbrüchen sein, die wir punktuell in Paketzentren hatten? Häufig wurde auf einen Zusammenhang mit der gemeinsamen Nutzung von Aufzügen in Hochhäusern hingewiesen.
Für mich scheinen die Parallelen: wenig Frischluft, wenig Luftbewegung bzw. Bewegung von verbrauchter Luft, zum Teil - was die Schlachthöfe angeht - auch noch bei geringer Lufttemperatur. Da freut sich ein Aerosoltröpfchen - unter solchen Bedingungen hat es ein langes Leben vor sich. Damit ist eine höhere Ansteckungsgefahr verbunden.
Die FDP-Fraktion hat in der letzten Woche einen Antrag verabschiedet und auf den Weg gebracht - er ist direkt in den Ausschuss überwiesen worden -, der mehr Forschung für diesen Bereich, eine wirksame Kommunikation der Ergebnisse und Handreichungen für möglichst viele Bereiche fordert - von Schulen über Hochschulen, Arbeitsstätten, Fabriken und Großraumbüros bis hin zu Kulturstätten -: Wie lüften wir Räume sinnvoll? Wie müssen raumlufttechnische Anlagen nachgerüstet oder angeordnet werden? Der Wirtschaftsminister hat heute Morgen schon von Filteranlagen gesprochen. Es gibt noch Theorien, dass UV-Licht helfen kann. Was ist sinnvoll und rasch umsetzbar?
Wir in Niedersachsen haben hervorragende außeruniversitäre Forschungseinrichtungen - Frau Schütze hat sie eben aufgezählt - und Hochschulen mit Fakultäten, die hier wunderbar gemeinsam etwas beitragen können: Architekten, Bauingenieu
re, Maschinenbauer im Fahrzeugbau, Meteorologen - die beschäftigen sich ja auch mit Nebel - und Mediziner, zusammen mit Unternehmen, die sich ebenfalls fragen, wie sie sich und ihre Mitarbeiter heil durch diese Zeit bekommen. Einen solchen GAU, wie wir ihn in Nordrhein-Westfalen gerade sehen, möchte wohl niemand hier erleben.
Sorgen wir mit der Schaffung von Wissen vor, damit Menschen, Betriebe und Einrichtungen die Chance haben, zu reagieren und gesund zu bleiben!
Ganz herzlichen Dank, Frau Kollegin Schütz. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kann sich schon einmal die Kollegin Eva Viehoff auf den Weg machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich ist gegen den vorliegenden Antrag nichts einzuwenden; denn in Forschung zu investieren, ist immer richtig. Sicher ist auch, dass wir die Infektionsforschung und die Virologie lange nicht im Blick gehabt haben. Wir haben ja gedacht, wir hätten die Plagen der Menschheit besiegt. Corona hat uns allerdings etwas anderes gelehrt. Ich dachte aber, dass wir die Debatten über all die Wohltaten, die der Infektionsforschung jetzt zukommen, am 15. Juli 2020 führen, nämlich wenn wir über den Nachtragshaushalt diskutieren. Das wurde mit diesem Antrag jetzt vorgezogen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Forschung zukunftsfähig aufzustellen, darf nicht nur für die Infektions- und Pandemieforschung gelten. Es geht nicht nur darum, wie man Ergebnisse aus diesem Forschungsbereich verwerten kann. Vielmehr sehen wir doch gerade jetzt, wie wichtig auch die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sind - über die oft sehr kritisch diskutiert wird, weil sie keinen wirklichen Output haben.
Wir sehen aber auch, welche Defizite wir insofern haben, als dass wir nicht wissen, wie diese „neue Normalität“ oder der Shutdown gesellschaftlich wirken. Auch da muss mehr Forschung betrieben werden, weil - wie alle Vorredner gesagt haben - wir lange mit dieser anderen Normalität leben
müssen. Wir müssen lernen, was das mit uns einzelnen Menschen macht bzw. was es mit unserer Gesellschaft macht.
Außerdem dürfen wir, wenn wir jetzt in die Infektionsforschung investieren, nicht vergessen, dass die nächste Plage, die nächste Pandemie schon lang im Gange ist. Ich meine die Klimakrise. Auch dort und in der Energieforschung müssen verstärkt Forschungsgelder eingesetzt werden.
Die Forschung zukunftsfähig aufzustellen, heißt aber vor allem auch, in die Menschen in der Forschung zu investieren. Ich muss leider kritisch anmerken, dass der Eindruck, den der Antrag erweckt - die Bundesregierung habe so viele Segnungen über den Nachwuchs ausgeschüttet -, falsch ist. Nein, die Studierenden landen mit den Regelungen, die auf Bundesebene getroffen worden sind, in einer Schuldenfalle - in die sie nicht gehören, weil sie doch diejenigen sind, die zukünftig in der Forschung und in der Wissenschaft arbeiten werden. Auch die geschenkten sechs Monate aus dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz für