Protokoll der Sitzung vom 02.07.2020

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit der Clankriminalität ist das Gebot der Stunde. Die niedersächsische Polizei hat schon seit 2013 intern ein Lagebild Clankriminalität erstellt. Das erste öffentliche Lagebild zu Clankriminalität ist im Juni dieses Jahres vorgestellt worden.

Was ist ein Charakteristikum der Clankriminalität? Es ist zu konstatieren, dass clankriminelles Verhalten häufig dadurch gekennzeichnet ist, dass gegen Polizisten vorgegangen wird. Hierbei wird der Rechtsstaat in besonderer Weise herausgefordert. Angriffe auf Polizisten, die den Rechtsstaat repräsentieren, sind auch Angriffe auf uns alle und sind abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Hiergegen muss sich jeder von uns - auch wir alle zusammen - entscheiden. Wir müssen die Polizistinnen und Polizisten, die ihren Dienst tun, unterstützen.

In meiner Heimatstadt Peine sind zwei Polizisten von Clankriminellen bedroht worden. Die Peiner Polizei hat schnell und umsichtig reagiert. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie können wir es erreichen, dass unsere Polizistinnen und Polizisten noch besser geschützt werden? - Dabei fällt mir u. a. § 241 unseres Strafgesetzbuches ein. Dieser Paragraf stellt die Bedrohung eines Menschen unter Strafe, wenn dieser mit einem gegen ihn gerichtetes Verbrechen bedroht

wird. Eine solche Straftat wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet.

Allerdings wird diese Regelung durch die Clankriminellen auch ausgenutzt. Denn dieser Paragraf schützt z. B. nicht, wenn Clankriminelle hinter Polizistinnen und Polizisten herfahren und mehr oder weniger zum Ausdruck bringen: Wir wissen, wo du wohnst! Wir wissen, wo deine Kinder zur Schule gehen! - Deshalb müssen wir an § 241 StGB - Bedrohung - arbeiten, damit unsere Polizistinnen und Polizisten einen noch wirksameren Schutz durch das Strafrecht bekommen.

Zu berücksichtigen ist hierbei aber nicht nur die strafrechtliche Komponente, sondern es handelt sich auch um eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Diese Straftäter, diese Kriminellen lehnen den Rechtsstaat ab. Sie halten die Familienehre, den Familienverband für schutzwürdiger als unseren Rechtsstaat.

Ich will ein Beispiel bringen. Es hat eine Auseinandersetzung gegeben - sagen wir mal, in der Stadt S. Große Polizeieinheiten sind vor Ort, um den Streit zwischen Migranten und anderen, auch Deutschen zu schlichten. Es wird nachgefragt, wie sich dieser Streit entwickelt hat, was passiert ist. - Keiner redet. Am Ende erfolgt ein Post auf Facebook. In der Mitte sitzt ein Friedensrichter - links und rechts ein Vertreter der jeweiligen Streitpartei. Dieser Facebook-Eintrag wird ungefähr eine halbe Stunde lang auf Facebook gezeigt. Damit ist die Auseinandersetzung beendet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ist der Rechtsstaat herausgefordert; denn dies zeigt, dass der Rechtsstaat abgelehnt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Solche Vorkommnisse müssen uns sensibilisieren und herausfordern. Mein Vorredner, Christian Calderone, hat schon darauf hingewiesen: Wir als Koalition haben darauf hingewirkt und auch umgesetzt, dass 18 Stellen bei der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Clankriminalität eingerichtet werden. Das ist eine Maßnahme, um den Rechtsstaat zu stärken.

Die Polizei benötigt weitere Handlungsmöglichkeiten, die ihr das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz gibt. Aber wir müssen auch gesellschaftspolitisch einfordern, dass diese Möglichkeiten genutzt werden. Zum Beispiel ist es nach § 13 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes möglich, einen Ort, an dem sich etwa Clanstrukturen entwickeln, als

sogenannten gefährlichen Ort zu definieren. Was bedeutet „gefährlicher Ort“? Wenn ein Ort nach rechtsstaatlichen und Verhältnismäßigkeitsüberlegungen als gefährlich eingestuft wird, muss die Polizei in der Lage sein, auch anlasslos Kontrollen durchzuführen. Damit verbunden ist z. B., dass an diesem gefährlichen Ort Videoüberwachungsmaßnahmen durchgeführt werden können, die dazu befähigen, Straftaten zu verhindern oder sie - wenn sie begangen wurden - besser zu verfolgen.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag werden wir einen weiteren wegweisenden Schritt zur Bekämpfung der Clankriminalität gehen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Plett. - Für die SPDFraktion hat sich der Kollege Sebastian Zinke zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns an dieser Stelle in dieser Legislaturperiode schon öfter über das Phänomen der Clankriminalität unterhalten. Wir waren uns jeweils einig, dass es sich, wie gerade schon vorgetragen, um ein gefährliches Kriminalitätsphänomen handelt. Denn die Täterinnen und insbesondere Täter lehnen die von den Parlamenten verabschiedeten Gesetze ab, was sich dadurch zeigt, dass sie Straftaten begehen. Aber sie - das ist gerade schon erwähnt worden - lehnen den Rechtsstaat auch in Gänze ab.

Das äußert sich auch so, dass sie sich in höchst aggressiver Weise gegen Vertreterinnen und Vertreter dieses Staates, gegen Behörden, gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wenden. Das können wir, meine Damen und Herren - da stimme ich den Vorrednern zu -, in diesem Land nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Wir waren uns auch einig, dass es richtig ist, dass sich die Ermittlungsbehörden, die Polizei und die Staatsanwaltschaften, jetzt konsequent und offensiv gegen dieses Phänomen wenden. Der Innenminister hat kürzlich - beispielgebend in der Bun

desrepublik Deutschland - den ersten öffentlichen Lagebericht zur Clankriminalität in Niedersachsen vorgelegt, in dem die Erkenntnisse gesammelt wurden.

Dieser beinhaltet im Übrigen die eine oder andere Überraschung. Wenn man sich nämlich anschaut, welche Staatsangehörigkeiten und welche Herkünfte die Täter haben, erkennt man, dass man in dieser Frage mit einem schärferen Abschiebeverfahren nicht immer ans Ziel kommt.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Wir waren uns ferner einig, dass es richtig war, dass dieses Parlament Mittel für zusätzliche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zur Verfügung gestellt hat, dass es richtig ist, dass der Innenminister ständige Ermittlungsgruppen in den Polizeiinspektionen und den Zentralen Kriminaldiensten einrichtet, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, und dass es richtig war, dass wir zusätzliches Personal für die Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellt haben, die sich speziell um dieses Thema kümmern.

Die Sicherheitsbehörden nehmen sich dieses Themas also offensiv an. Und das ist gut so, meine Damen und Herren. Aber das reicht uns nicht, und das wollen wir mit diesem Antrag deutlich machen. Als Koalition wollen wir bei diesem Thema nicht nachlassen und uns organisatorisch, aber auch rechtlich weiter rüsten, um ihm Herr zu werden.

Ich möchte drei Dinge erwähnen, die in diesem Antrag stehen und die in den vorangegangenen Beiträgen noch nicht so viel Raum bekommen haben.

Erstens. Wir glauben, dass wir eine intensive Zusammenarbeit aller behördlichen und aller staatlichen Ebenen brauchen, um wirklich mit geballter Schlagkraft gegen die Kriminalität der Clans vorzugehen. Dazu müssen sich die Polizei, die Staatsanwaltschaften, die Gerichte, die Finanzbehörden, die Arbeitsämter und der Zoll gemeinsam, quasi in Fallkonferenzen, mit diesem Thema beschäftigen.

In Teilen des Landes gibt es das ja bereits. Ich möchte die BAO „Räderwerk“ im Landkreis Heidekreis erwähnen, die genau das macht und mit Unterstützung u. a. durch die Bereitschaftspolizei Einsätze fährt, die nicht nur dazu führen, dass Straftaten aufgedeckt und aufgeklärt werden, sondern auch, dass das Sicherheitsgefühl der Menschen steigt, weil gesehen wird, dass der Staat

etwas gegen diese Strukturen tut. Diesen Weg halten wir für richtig, und diesen Weg wollen wir für das gesamte Land öffnen. Die geballte Schlagkraft des Staates zu bündeln, ist etwas, das wir hier mit diesem Antrag unterstützen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir glauben, dass wir mit den bisherigen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in dem Bereich und bei diesem Täterklientel nicht immer schmerzhafte Sanktionen verhängen können. Die üblichen 30 Tagessätze bei einer Erstverurteilung schrecken hier weniger ab, und auch eine Bewährungsstrafe wird eher als Freispruch gewertet.

Wir glauben, dass wir in dem Bereich der Vermögensabschöpfungen - dabei hat es in den letzten Jahren schon Veränderungen gegeben - besser werden müssen. Wir müssen hier zu einer Beweislastumkehr kommen. Der Lagebericht des Innenministers hat gezeigt, dass wir im letzten Jahr Gegenstände im Wert von 5,7 Millionen Euro aus diesem Bereich gesichert haben. Wir müssen aber auch dazu kommen, dass wir dieses Vermögen abschöpfen können, und dazu brauchen wir eine Beweislastumkehr, damit ein verurteilter Straftäter beweisen muss, dass sein Vermögen - die schönen Häuser, die schönen Autos, der Schmuck - nicht aus Straftaten kommt. Heute ist es umgekehrt. Wir glauben, dass diese Beweislastumkehr dringend erforderlich ist, und bitten die Landesregierung, unserem Antrag entsprechend tätig zu werden.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Drittens. Wir glauben, dass wir unsere Kommunen stärken müssen, indem wir ihre Möglichkeiten, ein Vorkaufsrecht auszuüben, ausweiten. Im § 24 BauGB gibt es das schon, es gilt aber nur in Sanierungsgebieten oder Bereichen, in denen Baugebiete oder Wohnraum entstehen soll. Wir glauben, dass wir den Kommunen die Möglichkeit geben müssen, um das Waschen von Geldern aus kriminellen Handlungen zu erschweren. Wie der Kollege gerade gesagt hat, gibt es Beispiele aus dem ländlichen Raum, wo kriminelle Strukturen für Immobilien mitbieten und zu Geboten fähig sind, die deutlich über dem Verkehrswert liegen. Wir müssen die Kommunen in die Lage versetzen, dem entgegenzuwirken.

Meine Damen und Herren, der Antrag zeigt: SPD und CDU tun alles tun, um diesem Phänomen Herr

zu werden. Wir ruhen uns nicht auf dem aus, was wir bereits erreicht haben; denn als Teil der staatlichen Gewalt machen wir in diesem Land die Regeln und nicht irgendwelche Clanoberhäupter oder selbsternannte Friedensrichter. Dazu ist die geballte Schlagkraft dieses Staates notwendig. Mit diesem Antrag möchten wir diese Schlagkraft mobilisieren.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Zinke. - Nun hat sich für die FDP-Fraktion der Kollege Dr. Marco Genthe gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im September 2018 haben wir als FDP-Fraktion Ihnen einen Entschließungsantrag zur Bekämpfung krimineller Familienclans vorgelegt und ganz konkrete Maßnahmen vorgeschlagen.

Bei den Polizeidirektionen soll eine zentrale gemeinsame Ermittlungsgruppe mit dem Zoll, mit der Bundespolizei, mit der Steuerfahndung und bei Bedarf mit Kommunalbeamten, z. B. aus den Bereichen Veterinärwesen und Gaststätten, eingerichtet werden. Insoweit sollte auch die Stadt Bremen mit einbezogen werden. Die Gruppen sollen für alle Deliktsbereiche zuständig sein, an denen Clanmitglieder beteiligt sind.

Aufseiten der Justiz soll eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Organisierte Kriminalität Clan“ eingerichtet werden. Sie soll eine enge und lückenlose Zusammenarbeit mit den zentralen Ermittlungsgruppen gewährleisten.

Außerdem haben wir Vorprüfer bei allen Polizeiinspektionen und Polizeidirektionen vorgeschlagen, die die Vorgänge bewerten und sie dann an die Ermittlungsgruppen weiterleiten.

Nur eine solche Organisationsform, meine Damen und Herren, stellt sicher, dass die Informationen verschiedener Behörden zusammengefasst werden können und ein allgemeines Lagebild entstehen kann. Es soll vermieden werden, dass bei verschiedenen Behörden lediglich Teilinformationen vorliegen und niemand am Ende ein wirklich komplettes Lagebild hat. Die Clans sollen auf diese Art und Weise durch alle damit befassten Be

hörden eingekreist und dann auch bekämpft werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, überraschend war, wie Sie aus den regierungstragenden Fraktionen und wie auch die Landesregierung selbst auf diese Vorschläge vor gerade einmal zwei Jahren reagiert haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: So ist das!)